Kroatien betreibt illegale „Push backs“: Flüchtlinge nach Bosnien gezwungen
Aktivisten legen Aufnahmen vor, die erstmals belegen sollen, wie die kroatische Polizei Asylsuchende illegal abweist.
Die AktivistInnen hatten Kameras an einem Waldweg montiert. 54 verschiedene Situationen sind darauf zu sehen. Insgesamt laufen etwa 350 Menschen, darunter Kinder, durch das Waldstück, begleitet von kroatischen Polizisten, teils am Tag, teils in der Nacht. Manche sind in Decken gehüllt, tragen Plastiktüten oder Taschen. Einige kroatische Polizisten haben automatische Waffen, andere Schlagstöcke. Sie fordern die Menschen auf, in einer Reihe zu laufen, durchsuchen sie, schubsen oder treten sie dabei.
Die Aktivistengruppe Border Violence Monitoring, an der auch Deutsche beteiligt sind, will die Aufnahmen anonym zugespielt bekommen haben. „Wir wissen nicht, wer sie gemacht hat“, sagt Sprecher Max Büttner der taz. „Die Absender wollen anonym bleiben, um sich zu schützen.“
Das kroatische Innenministerium in Zagreb wollte am Sonntag gegenüber der taz nicht Stellung nehmen. Die genauen Umstände, unter denen die Videos entstanden, sind nicht zu überprüfen. Die AktivistInnen haben auf einigen markante Punkte der Umgebung gefilmt, die den Aufnahmeort bei Lohovo belegen sollen. Das Dorf liegt direkt an der Grenze von Bosnien und Kroatien, eine halbe Stunde südlich des Nationalparks Plitvicer Seen. Dort ist kein offizieller Übergang.
Kroatien ist als EU-Mitglied verpflichtet, Asylanträge von Ankommenden vor einer Abschiebung zu prüfen. Seit 2016 gibt es Berichte, dass Kroatiens Polizei dieser Pflicht nicht nachkommt und Ankommende zum Teil gewaltsam zur Grenze zurückbringt und zwingt, zurück nach Bosnien oder an anderer Stelle nach Serbien zu gehen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk hat entsprechende Aussagen Tausender Flüchtlinge in Bosnien und Serbien gesammelt und allein in der ersten Hälfte 2018 1.954 Zurückweisungen aus Kroatien dokumentiert. Auch der Europarat hat die Vorwürfe untersucht und im September 2018 von Kroatiens Premierminister Andrej Plenković Ermittlungen verlangt.
Seit dem Sommer sitzen Tausende Flüchtlinge fest
Der UNHCR stuft Bosnien und Herzegowina sowie Serbien als „nicht sicher“ ein. „Dort gibt es noch kein Asylsystem. In Kroatien schon“, sagte UNHCR-Sprecher Jan Kapic der taz. Deshalb dürfe Kroatien Schutzsuchende nicht sofort zurückschicken. Im Norden Bosniens sitzen deshalb seit dem Sommer Tausende Flüchtlinge fest. Vor allem im Winter ist ihre Lage sehr prekär, ihre Versorgung nicht gewährleistet. Zwar werden jetzt einige winterfeste Unterkünfte weiter südlich errichtet, doch der Bedarf wird nicht gedeckt.
Der Kanton Bihać, wo sich die Flüchtlinge konzentrieren, versuchte verzweifelt, Hilfe von der Regierung in Sarajevo zu erhalten. Doch nur wenig ist geschehen. Die Bahn- und Busverbindungen zwischen Sarajevo oder anderen Teilen Bosnien und Herzegowinas werden jetzt durch bosnische Polizisten kontrolliert. Flüchtlinge werden an der Fahrt nach Bihać gehindert, Busfirmen dürfen keine Flüchtlinge dorthin bringen.
Kroatien hat Vorwürfe von Polizeiübergriffen und Zurückweisungen stets zurückgewiesen, Beweisfotos gab es bisher nicht. Flüchtlinge berichten seit Monaten aber übereinstimmend, dass die kroatische Polizei ihnen bei Zurückweisungen auch Handys und Geld abgenommen hat. Kroatien ist seit 2013 Mitglied der EU, aber noch kein Mitglied im Schengenraum. Die Regierung in Zagreb strebt die Aufnahme für 2019 an. Bisher war ein wichtiges Kriterium für die Aufnahme neuer Mitglieder in den Schengenraum, ob diese die EU-Außengrenzen auf ihrem Territorium sichern können. Bulgarien etwa wurde deshalb nicht aufgenommen. Die EU-Kommission fördert den Ausbau des kroatischen Grenzschutzes.
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