Kritik nach Video einer Touristin: Kolonialist*innen am Hotel-Pool

In fremden Ländern fremde Sitten kritisieren? Der etwas cholerische Tierrechtseinsatz einer britischen Touristin in Marokko sorgt für Aufregung.

Drei Männer in bayrischer Tracht

Bloß nicht anpassen: bayerische Touristen Foto: dpa

In Marokko beleidigt eine britische Touristin einen Händler auf dem Markt, weil dieser seine Hühner in engen Käfigen hält. Sie schreit ihn an, zeigt ihm den Mittelfinger, geht auf ihn los, versucht den Käfig aufzureißen und beißt dem Händler schließlich in die Hand, als dieser versucht sie zu stoppen. Umstehende filmen den Wutausbruch der Britin. Das Video geht im Internet viral. Etwa 10 Millionen Mal wird es geklickt und entfacht auf Twitter eine Diskussion über respektlose weiße Tourist*innen.

Der Autor und Journalist Mohamed Amjahid kritisiert via Twitter, dass das Verhalten der Britin kolonialistisch sei: Eine weiße Person, die in ein anderes Land reist, dort die arme Bevölkerung – in ortsunüblicher Sprache – verbal und körperlich angreift und für ihre vermeintlich primitive und falsche Lebensweise kritisiert. Denn die britische Besucherin ist kein Einzelfall. Immer wieder fallen weiße Tourist*innen durch überhebliches Verhalten auf, werden Kolonialist*innen auf Zeit.

In teuren Hotelressorts werden sie vom einheimischen Personal umsorgt und bedient: Sie bringen ihnen die Getränke an den Pool, schütteln die Kopfkissen auf und massieren ihnen nach einem anstrengenden Tag auf der Sonnenliege Rücken und Füße. Am Abend wird den Tourist*innen mittels hawaiianischen Hula-Tänzen das authentische etwas rückständige Kulturerlebnis vorgespielt. Journalistin und Schriftstellerin Katharina Döbler nennt das „Kolonialismus light“.

Kolonialismus sei schon immer ein Wirtschaftsunternehmen gewesen, sagt Döbler. Heute in Form von billigen Pauschalreisen zu den Traumstränden Balis. Aber nicht nur das Hotelpersonal bekommt die weiße Überheblichkeit zu spüren.

Lächelnd wegschauen

Halbnackte Tourist*innen räkeln sich am Strand oder stapfen durch Tempel und Moscheen. In Minivans werden Tourist*innengruppen in Masai-Dörfer gekarrt, um dort für zwei Tage in das Leben der Einheimischen einzutauchen. Die Privatsphäre und die Wert- und Moralvorstellungen der Gastländer und ihrer Bevölkerung müssen dem weißen Egoismus weichen.

Denn sie sind abhängig von dem Geld, das ihnen der Tourismus einbringt. Freundlich lächelnd schauen sie über die Grenzüberschreitungen hinweg, schlucken die weiße Arroganz herunter. So auch der Händler in Marokko. Marokkanischen Medien gegenüber berichtet er, die Frau sei betrunken gewesen, daher wollte er nicht unnötig Zeit mit ihr verbringen. Zeit, die er besser in Arbeit investieren kann, um Geld für seine Familie zu verdienen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.