Kritik an künftigem Staatssekretär: Scharfmacher im Bildungsministerium
Roland Philippi soll neuer Staatssekretär im Haus von Ministerin Stark-Watzinger werden. Noch nicht mal im Amt, steht der jedoch schon unter Druck.
Der FDP-Politiker aus Hessen ist ein unauffälliger Parteisoldat. Er arbeitete nach seinem Studium der Politikwissenschaft in Frankfurt am Main zunächst im hessischen Kulturministerium, unter anderem für die ehemalige Kulturministerin und Ex-FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Anschließend wirkte er in Berlin für die FDP-Fraktion im Bundestag, bevor ihn Stark-Watzinger 2021 als Leiter der Grundsatzabteilung in ihr Ministerium holte.
Am Mittwoch berichtete der Spiegel über interne Chatprotokolle aus ihrem Haus, die Philippi in der Fördermittelaffäre als Scharfmacher zeigen. Kritische Hochschullehrer, die in einem offenen Brief das Recht auf Protest an ihren Hochschulen verteidigt hatten, soll er als „verwirrte Gestalten“ bezeichnet haben. Sollten sie künftig aus Sorge um Fördermittel Selbstzensur üben, so hätte er persönlich erst einmal nichts dagegen, schrieb er in den internen Chat. Pikanterweise ist Philippi im BMBF auch für die Förderpolitik zuständig.
Stark-Watzinger habe in diesem Chat nicht widersprochen, schreibt der Spiegel. Dass sie an diesem Austausch beteiligt war, deutet darauf hin, dass sie über die Diskussionen in ihrem Haus im Bilde war. Ihre Staatssekretärin Döring hatte sie in den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil diese angeblich eigenmächtig und missverständlich gehandelt habe und die Ministern davon nichts wusste. Ihre Sprecherin wollte die „persönliche Kommunikation“ der Ministerin auf Nachfrage nicht kommentieren. Doch der Druck auf Stark-Watzinger wächst.
„Ein Desaster“ für die Wissenschaftsfreiheit
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellte die Berufung von Philippi infrage. Stark-Watzinger müsse die Vorwürfe restlos aufklären, forderte der Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Maike Finnern, am Mittwoch dem Tagesspiegel.
Die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Nicole Gohlke, sagte, die geplante Berufung Philippis wäre „ein Desaster“ für die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Die oppositionelle Union fordert, die Bildungsministerin solle ihrer ehemaligen Staatsministerin Sabine Döring erlauben, sich zu der Affäre zu äußern. Das hatte ihr Stark-Watzinger untersagt.
Döring will mit einem Eilantrag vor dem Berliner Verwaltungsgericht erreichen, dass sie zu dem Fall sprechen darf. Der Eilantrag ging vor einer Woche am Berliner Verwaltungsgericht ein, mit einer raschen Entscheidung ist aber nicht zu rechnen. CDU und CSU wollen, dass sich Döring im Bundestags-Bildungsausschuss äußern darf. Ein entsprechendes Schreiben richtete der CDU-Bildungspolitiker Thomas Jarzombek an Bildungsstaatssekretär Mario Brandenburg (FDP) mit Bitte um Stellungnahme bis zum 17. Juli.
Ministerin Stark-Watzinger selbst hat sich bei den Wissenschaftlern, über die in ihrem Ministerium eine Namensliste angelegt wurde, weil sie den offenen Brief unterschrieben hatten, bisher nicht entschuldigt. Sie hat sie auch noch nicht zu einem klärenden Gespräch getroffen. Dazu könnte ja vielleicht Roland Philippi einladen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen