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Kritik an hohen Viehzahlen trotz KriegsWeniger Fleisch, weniger Hunger

Landwirte sollten auch wegen des Ukrainekriegs weniger Pflanzen für Vieh und Sprit anbauen, so Umweltschützer. Sie kritisieren den Bauernverband.

Fütterung mit Mehlpellets in einer Freiland-Schweinehaltung Foto: Countrypixel/imago

Berlin taz | Angesichts drohenden Hungers durch den Krieg gegen die Ukraine stößt der Bauernverband mit der Verteidigung des hohen Getreideverbrauchs für Futter und Agrosprit auf Kritik. Flächen für die Fleisch- und Bioenergieproduktion würden benötigt, um Lebensmittel zu erzeugen und das Artensterben zu bremsen, teilten Umwelt-, Verbraucher- und Bioorganisationen am Mittwoch mit.

Auf die Frage der taz, ob es ethisch zu verantworten ist, dass 60 Prozent des Getreides nicht gegessen, sondern verfüttert werden, hatte Bauernverbandschef Joachim Rukwied geantwortet, Futter ernähre indirekt auch Menschen. Er verlangte, dass Landwirte 2022 auf für den Umweltschutz bestimmten „ökologischen Vorrangflächen“ Futter- und Lebensmittel anbauen dürfen. Die Expansion des Biolandbaus stellte er wegen niedrigerer Erträge infrage.

„Wir haben nur auf einem Drittel der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland direkte Lebensmittelproduktion“, sagte der Präsident des Naturschutzbundes, Jörg-Andreas Krüger. Deshalb müssten weniger Pflanzen für Agrosprit, Biogas und Futter angebaut werden. Der Staat könne die Verantwortung nicht den VerbraucherInnen überlassen. Stattdessen müsse er auf Fleisch künftig die regulären 19 Prozent und nicht die ermäßigten 7 Prozent Mehrwertsteuer erheben und in seinen Kantinen weniger tierische Lebensmittel anbieten. Die ökologischen Vorrangflächen seien wichtig im Kampf gegen das Artensterben.

„Zwischen dem 9- und 20-Fachen der pflanzlichen Kalorien muss man aufwenden, um eine tierische Kalorie zu erzeugen“, ergänzte Jörg Rohwedder, Geschäftsführer von foodwatch International. Mit Getreide ließen sich mehr Menschen ernähren, wenn es direkt zu Lebensmitteln verarbeitet würde. Martin Hofstetter, Agraringenieur bei Greenpeace, bezeichnete die Diskussion um die ökologischen Vorrangflächen als „symbolisch“, da sie lediglich 4 Prozent der Ackerfläche belegen. „Dahinter steckt die grundsätzliche Frage: Machen wir nur Produktionsschlacht oder nehmen wir Rücksicht auf Natur und Klima?“ Der Bauernverband bekenne sich zwar allgemein zu mehr Naturschutz. „Aber wenn es drauf ankommt und konkret wird, dann nicht.“

Bio mit weniger Tieren

„Ökolandbau mit Kreislaufwirtschaft und flächengebundener Tierhaltung liefert viele Lösungen für eine klima- sowie umweltfreundlichere, unabhängigere Landwirtschaft“, schrieb Bioland-Präsident Jan Plagge. Dazu gehöre, dass weniger Fleisch produziert und gegessen werden müsse.

Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), erklärte: „Mehr Produktion auf Kosten der Umwelt war schon vor dem Krieg die falsche Antwort. Den Krieg jetzt zu nutzen, um den Umbau zu verhindern, wird die Folgen der Krisen wie Hunger im globalen Süden noch verschärfen.“

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29 Kommentare

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  • "Landwirte sollten auch wegen des Ukrainekriegs weniger Pflanzen für Vieh und Sprit anbauen"

    Landwirte sollen weniger Getreide anbauen? Das machen doch schon die Ukrainer für uns!



    Und der Rest der Welt richtet sch bereits darauf ein. Insbesondere Afrika

    • @Rudolf Fissner:

      Ja,



      Africa kann schon mal Gräber für die verhungernden Kinder ausheben. Nach dem harten Durchgreifen unseres Agrarministers, die deutsche Landwirtschaft im Alleingang zu extensivieren, werden wir viel Hungerleid verantworten müssen.

      • @Farmer:

        Ja traurig. Keine Regierung mag den Deutschen ihr Fleisch verteuern.

        Es geht beim Hunger in der Welt im Zusammenhang mit dem Fleischkonsum weniger um das Extensiveren (also noch weniger zu produzieren) als vielmehr darum, mehr Menschen durch weniger Fleischkonsum ernähren zu können.

        Das zu ändern ist nicht Aufgabe der Landwirtschaft sondern der Regierungen der Welt. Das wäre sonst vom falschen Ende aus gedacht.

  • Import verbieten und dann Fleischproduktion halbieren, besser für die Tiere weil mehr Platz und kein Problem für die Bauern weil keine Billigkonkurrenz.

  • „Die ökologischen Vorrangflächen seien wichtig im Kampf gegen das Artensterben.“

    Nicht nur das. Sog. konventionelle Landwirtschaft lässt kontinuierlich Humusschicht verschwinden. Ökologische Landwirtschaft hingegen baut sie weiter auf! Dies ist zudem klimarelevant und lässt die Ernten nährstoffreicher werden! einschließlich Mineralstoffe und Vitamine sowie insbesondere essentieller Spurenelemente.

    • @Uwe Lütge:

      Wenn man genügend zusätzliche Wiesen u.a. Grünflächen zur Verfügung hat, dann ist das ja auch irgendwie möglich per zusätzlicher Viehhaltung und Mistwirtschaft. Wibei man da wieder beim Thema Fleisch wäre 🤫

      Einer Kreislaufwirtschaft, bei der eventuell belastete Klärschlämme auf die Äcker landen, widerstrebt sich aber wohl der Biolandbau.

    • @Uwe Lütge:

      Haben Sie zu ihren Behauptungen auch Daten ??

      • @Günter Witte:

        "Insgesamt fielen 2017 circa 1,7 Millionen Tonnen Klärschlamm (Trockenmasse) aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in Deutschland an, von denen 309.800 Tonnen (Trockenmasse) als Dünger in der Landwirtschaft verwertet wurden (18,1 Prozent). Bei Maßnahmen des Landschaftsbaus wurden 172.000 Tonnen (Trockenmasse) bodenbezogen eingesetzt (10 Prozent)." www.bmuv.de/themen...tiken/klaerschlamm

        Wobei Klärschlamm demnächst wohl verbrannt wird weil er nicht mehr auf Äckern aufgebracht werden darf.

        Nun kann man an drei Fingern abzählen, woher dann die Nährstoffe kommen, wenn nicht extern kreislaufbewusst wider aus den zu Klärschlämmen gewordenen Biogemüse oder aus Kunstdüngern.

  • "Die Expansion des Biolandbaus stellte er wegen niedrigerer Erträge infrage".

    Auch ein Biolandwirt weiß, dass er geringere Erträge hat. Das sind schlichte Fakten

    Die Befürworter des Biolandbaus als alleinige Grundlage für die Welternährung wissen das ebenfalls und würden dem Bauernverbandspräsidenten da auch nicht widersprechen.

    Sie argumentieren deshalb mit dem Fahrrad-hätte-Trick. Wenn alle externen außerlandwirtschaftlichen Parameter stimmen würden, dann, ja dann könnte es klappen. Was ja auch stimmt.

    Der Fleischkonsum steigt aber. Nicht nur in DE, sondern weltweit.



    Dagegen anzusteuern ist Aufgabe der Politik, nicht der Landwirtschaft. Die kann sich nicht damit auseinandersetzen, dem Konsumenten sein Latte und seine Koteletts zu verteuern.

    Ramschpreise müssen weg. Kosten für Natur, Klima und Mensch müssen über drastische Steuererhöungen auf tierische Produkte mit eingepreist werden.

    • @Rudolf Fissner:

      Herr Fissner, Sie haben vollkommen recht, nur eine Anmerkung : Ramschpreise haben wir deshalb weil ( seinerzeit ) die EU gesagt hat Lebensmittel müssen billig sein, hier ihr Landwirte bekommt Ausgleichzahlungen ( anstatt gerechtfertigter Preise ) dafür produziert ihr was geht, Hauptsache die Verbraucher haben billiges Essen und noch genügend Geld zum Konsumieren.

      • @Günter Witte:

        Dänemark bspw. hat höhere Lebensmittelpreise. Auch für Fleisch. Das ist ein Grund mit, dass man in dänischen Schlachtereien besser verdient..

        Und DK ist ja bekanntlich auch EU. Der EU kann man also nicht die Schuld in die Schuhe schieben.

    • @Rudolf Fissner:

      Wenn alle außerlandwirtschaftlichen Parameter passen würden, wäre es wahrscheinlich für Klima und Artenvielfalt immer noch besser auf kleinerer Fläche konventionelle, intensive Landwirtschaft zu betreiben und nicht die doppelte Fläche extensiv-"ökologisch" zu bewirtschaften.

      Im aktuellen IPCC Bericht steht auch nichts von Bioanbau, stattdessen wird die "nachhaltige Intensivierung" der Landwirtschaft gefordert.

      • @grüzi:

        Ja, die These kenne ich auch.

  • Der Konsument hat es (Fleisch) in der Hand, oder eben auch nicht, was wünschenswert für die Welt & alle Lebewesen wäre.

    Vielleicht kommen wir irgendwann zu der Erkenntnis. Bis dahin "müssen" wohl noch einige Milliarden Tiere sterben, der Raubbau an der Natur voranschreiten...Wer will schon auf sein Glas Milch & sein Schnitzel verzichten?...ich doch nicht....Ein Leben! (vermutlich sind es mehrere, im Schnitzel, meine ich) für den "Genuss"

  • Von diesem Bauernpräsidenten war nichts anderes zu erwarten.

    Ein bisschen rumtricksen auf Kosten der Umwelt, der Tiere und der Hungernden.

    Rukwieder ist nichts anderes wie Sonnleitner.

    Und hier zitiere ich mal Wikipedia:

    "Im Jahr 2001 erhielt Sonnleitner den Negativpreis Dinosaurier des Jahres als Deutschlands größter Umweltsünder vom Naturschutzbund Deutschland. Begründet wurde die Preisvergabe mit seiner „konsequente(n) Bremsleistung in Sachen Agrarwende“, die sich unter anderem in seiner „bemerkenswert schlichte[n]“ Lobbyarbeit, seiner „ständige[n] Litanei gegen jeden noch so überfälligen Reformschritt vom Bundesnaturschutzgesetz bis zur Ökosteuer“ und seinem „permanente[n] Nein zu Verbesserungen bei der Tierhaltung und der Reduzierung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln“ äußere."

    Einer wie der andere. Kein Wunder, dass die Landwirtschaft in Deutschland so einen horrend schlechten Ruf hat.

    Diese Leute tun alles dafür.

    de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Sonnleitner

  • Man macht es sich zu einfach, die Verantwortung für einen reduzierten Fleischkonsum alleine der Landwirtschaft anzulasten.

    Damit sind lediglich die Bürger, die Parteien und die Gewählten in Bund, Land und Kommunen fein aus dem Schneider.Da hat man seinen Schuldigen und nichts passiert.

    Dort muss der Konsens gefunden werden. Und der wichtigste Konsens snd Preiserhöhungen auf Fleisch. Damit ist das eine soziale Frage.

    Insbesondere linke und christliche Parteien müssen sich daher die Frage beantworten, wie sie zu höheren Preisen stehen.

    Sonst geht es nämlich weiter mit Ramschpreisen zu Lasten von Natur, Klima und Löhnen in Schlachtbetrieben.

    Dänemark zeigt, dass höhere Preise möglich sind.

    • @Rudolf Fissner:

      "Dort muss der Konsens gefunden werden. Und der wichtigste Konsens snd Preiserhöhungen auf Fleisch. Damit ist das eine soziale Frage."

      Eine gleichmäßigere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums würde das Problem lösen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Wenn die Zukunft all unsere Probleme lösen soll, dann wird es mit Sicherheit viel weniger Reiche geben.

        Aber auch in ihrem Konzept ist nicht die Landwirtschaft der Player, sondern die linken, christlichen u.ä. Parteien mit Anspruch.

        Oder wollen Sie nur den horrenden Fleischkonsum gleich verteilt wissen.

  • "Stattdessen müsse er auf Fleisch künftig die regulären 19 Prozent und nicht die ermäßigten 7 Prozent Mehrwertsteuer erheben"

    Logischerweise auch auf Tiermilch- und Tiermilchprodukte, wie Butter und Käse.

    Im Gegenzug kann die MWSt. für Hafermilch und Co. von 19 auf 7 % gesenkt werden, schon aus sozialen Gründen.

    • @Yvvvonnne:

      Wenn Sie günstige Hafermilch haben wollen, machen Sie sie selbst. Das Zeug der Hersteller ist Raub. Die Steuer spielt dabei kaum eine Rolle.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das ist falsch.

        Im Supermarkt um die Ecke sind die Preise von Hafermilch und bovinem Eutersekret ("Kuhmilch"), jeweils "bio", etwa gleich, wenn ich die jeweilige Mehrwertsteuer abziehe. Der höhere Preis der Hafermilch entspricht der höheren Mehrwertsteuer.

        Selbstmachen lohnt sich nicht, wenn ich meine Arbeitszeit mit dem deutschen Mindestlohn kalkuliere :-)

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Und aus den restlichen Haferflocken, kann man sehr leckereres Porridge machen, man kann da praktisch alles verwerten.

  • Die Folgen der Umsetzung der Forderung wären folgende:

    1) Höhere Preise auf Fleisch = noch höhere Inflation = noch höherer Druck auf die EZB die Zinsen zu erhöhen und gleichzeitig ein soziales Problem, da sich bestimmte sozio-ökonomische Haushalte den Fleischkonsum nicht mehr leisten könnten.

    2) Eine höhere Importquote von Fleisch = höherer CO2 Ausstoß wegen längerer Wege.

    Ferner: Importiert wird in der Regel jedoch eher höherwertiges Fleisch insoweit würde statt Hühner- oder Schweinefleisch mehr Rindfleich verzehrt werden.

    Insoweit wäre durch die geforderte Umstellung weder dem Klima noch dem globalen Süden geholfen.

    • @DiMa:

      1) Fleischkonsum ist nicht überlebenswichtig und in allen Schichten Deutschlands zu hoch. Tatsächlich gibt es einige Studien die sagen das Menschen aus der Unterschicht mehr Fleisch verzehren als Menschen aus der Mittel und Oberschicht d.h. hier wäre sogar ein gesundheitlicher Mitnahme- Effekt zu beobachten.

      2. Importe von Billigfleisch einfach verbieten. Schweine und Hühner sind klimafreundlicher. Aber im Zweifelsfall auch hier Produktion halbieren.

      • @Machiavelli:

        Zu 1) Mag alles sein, nur lässt sich die Bevölkerung eine Änderung des Konsums nicht auferzwingen, sondern halt lieber tiefer in die Tasche greifen. Den "Mitnahme-Effekt" wird es wohl eher nicht geben.

        Zu 2) Eine Regierung, die teures Fleisch künstlich noch teuerer macht hat wohl die längsten Tage ihrer Regierungszeit hinter sich (siehe Anmerkung zu 1).

      • @Machiavelli:

        Produktion halbieren, bedeuten auch doppelt so hohe Kosten für Fleisch, weil der Bauer ja auch seinen Lebensstandard haben soll, oder?

        Und eins sollte man nicht vergessen, bei den Ländern die höhere Fleischpreise durchgesetzt haben, kann man sehr schön sehen wie der Fischkonsum deutlich hoch geht. Das ist ganz sicher super für unsere überfischten Meere.

        Fast 30 % des deutschen Fleischkonsum geht in Tierfutterverarbeitung für unsere lieben Hauskätzchen und wuffis.. Einführung Katzensteuer und Erhöhung der Hundesteuer wäre also auch eine Alternative

  • Der Ökolandbau wie wir ihn kennen praktiziert keine Kreislaufwirtschaft und Jan P. weiss das!

  • Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Und die Hunde werden immer mehr.