Kritik an Geheimdienst: BND-Chef könnte Absetzung drohen
Erst spät informierte der Auslandsnachrichtendienst über den Wagner-Aufstand in Russland. Am Mittwoch muss sich der BND im Bundestag rechtfertigen.
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„Es muss ein Ende haben, dass der BND immer wieder von Ereignissen überrascht wird“, sagte der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner, Teil des Kontrollgremiums, am Montag der taz. „Zu klären sind die zentralen Fragen, ob der BND in der gleichen Liga mit den Diensten unserer engsten Verbündeten mitspielt, ob er mit diesen kooperiert und ob er von ihnen die wesentlichen Dinge erfährt.“ Von einem Rücktritt Kahls spricht Stegner nicht. Aber: „Wenn es Defizite gibt, muss geklärt werden, woran das liegt und dazu gehört auch die Führung des Dienstes.“
Kritisierte Defizite gab es zuletzt einige. Als in Russland jüngst die Wagner-Söldner um Jewgeni Prigoschin gegen Putin rebellierten, soll der BND das Kanzleramt erst informiert haben, als der Aufstand schon lief – die US-Dienste sollen weit vorher Bescheid gewusst haben. Auch vom Ausbruch des Ukraine-Kriegs vor anderthalb Jahren wirkte Präsident Kahl überrascht, er weilte damals in Kiew. Die Machtübernahme der Taliban 2021 in Afghanistan hatte sein Dienst so schnell ebenso wenig vorhergesehen. Und zuletzt kam auch noch ein mutmaßlicher Doppelspion in den eigenen Reihen dazu.
Zum Wagner-Aufstand hatte zuletzt auch Kanzler Olaf Scholz in der ARD erklärt, er habe davon im Vorfeld nichts gewusst. Man müsse über den Informationsfluss zwischen den Verbündeten nochmal sprechen. Am Montag gab sich sein Sprecher zurückhaltend: Der Kanzler arbeite mit allen Chefs der obersten Bundesbehörden eng und vertrauensvoll zusammen, erklärte er auf Nachfrage.
Der BND schweigt zu der Kritik
Aber auch andere in der Ampel üben Kritik. So erklärt zwar Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Kontrollgremiums, er sehe „derzeit keinen Anlass“ für eine Rücktrittsdebatte um Kahl. Aber: Das Kontrollgremium habe die Erkenntnislage des BND in Bezug auf den Ukrainekrieg „von Beginn an sehr genau im Blick“. Der Dienst habe in der Vergangenheit immer wieder vor den Gefahren aus Russland und China gewarnt, mit dem Ukrainekrieg müsse die Zeitenwende aber auch beim BND Veränderungen zeigen. Weil dieser „ohne Zweifel gerade in diesen Zeiten ein relevanter Pfeiler unserer wehrhaften Demokratie“ sei, seien „funktionierende und effektive Strukturen umso wichtiger“, so von Notz zur taz. Daher werde sich das Kontrollgremium mit den Fragen der BND-Informationslagen und Kooperationen mit den Partnerdiensten „intensiv befassen“.
Der BND selbst äußert sich zu der Kritik auf Nachfrage bisher nicht. Kahl war 2016 ins Amt gekommen, damals eingesetzt von CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Sein im Nachgang der NSA-Affäre gechasster Vorgänger Gerhard Schindler kritisierte dieser Tage, der BND sei zuletzt juristisch so eingeengt worden, dass die mangelhafte Informationsbeschaffung nicht erstaune. SPD-Mann Stegner weist das zurück: „Das ist Quatsch. Es gibt Recht und Gesetz – und damit muss und kann der BND arbeiten.“ Es dürften muntere Sitzungen am Mittwoch im Bundestag werden.
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