Krise beim rbb: Schlesinger muss gehen
Der rbb-Rundfunkrat hat Patricia Schlesinger als Intendantin abberufen. Schlesinger trat in der Sitzung überraschend auf – und entschuldigte sich.
Die Journalist*innen der Konkurrenz interessierten sich für die entscheidende Sitzung des Rundfunkrats. Er sollte an diesem Nachmittag über die Abberufung von Patricia Schlesinger als Intendantin des rbb beraten. Um das ob, schien es dabei nicht mehr zu gehen, sondern nur noch um das wie.
Und so war nach zweieinhalb Stunden Sitzung klar: Das Gremium beruft Patricia Schlesinger ab. 22 Mitglieder stimmten dafür, es gab eine Enthaltung. Gekündigt ist sie damit noch nicht. Auch ist damit noch nicht geklärt, ob Schlesinger abgefunden werden muss und was die Abberufung für ihre Pensionsansprüche bedeutet. Mit den Details der Vertragsauflösung wird sich der Verwaltungsrat in den kommenden Tagen beschäftigen.
Zu Beginn der Sitzung war Schlesinger überraschend persönlich aufgetreten. Gefasst und nüchtern habe sie gewirkt, berichten Mitglieder des Rundfunkrats. Sie habe sich bei den Mitgliedern des Gremiums und bei allen Mitarbeitenden entschuldigt. Die Süddeutsche Zeitung zitierte vorab aus ihrem Redemanuskript, wonach sie sagte: Sie habe manches übersehen, das tue ihr unendlich leid – professionell wie menschlich.
Die Vorwürfe
In den vergangenen Wochen hatten Recherchen des Wirtschaftsmagazins Business Insider aufgedeckt, wie Schlesinger sich womöglich über Jahre finanzielle Vorteile verschaffte: Es geht um private Abendessen auf Kosten des rbb, um Boni, die sie sich ausgehandelt haben soll, und um den teuren Umbau ihrer Chefetage. Außerdem soll der rbb-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf, der gleichzeitig Aufsichtsrat der Berliner Messe ist, Schlesingers Ehemann fragwürdige Beraterjobs vermittelt haben.
In der Sitzung des Rundfunkrats nahm Schlesinger Stellung zu den Vorwürfen: Die hohen Kosten für den Umbau der Chefetage, wohl rund 1,4 Millionen Euro, seien unter anderem durch überfällige Brandschutzsanierung zustande gekommen. Der Rabatt für Ihren Dienstwagen sei nicht ihr, sondern dem Sender zugute gekommen. Die Abendessen, zu denen sie wichtige Persönlichkeiten aus Berlin eingeladen hatte, habe sie als „Austauschformat“ wahrgenommen. Das würde sie so nicht mehr machen, sagte sie laut Süddeutscher Zeitung. Nach ihrem Statement verließ Schlesinger den Saal.
Der Rundfunkrat habe daraufhin eine konstruktive Debatte geführt, berichteten mehrere Mitglieder im Anschluss der taz. Über den genauen Wortlaut des Abberufungsbeschlusses habe man heftig diskutiert. Das hat auch juristische Gründe, denn die genaue Formulierung soll es dem Verwaltungsrat ermöglichen, Schlesinger ohne Anspruch auf eine Abfindung zu kündigen.
Zur Diskussion stand auch die Frage, welche Fehler die Aufsichtsgremien – also der Rundfunkrat selbst, aber auch der Verwaltungsrat – gemacht hätten. Das will der Rundfunkrat in den kommenden Wochen aufarbeiten. Dann soll auch darüber beraten werden, wer Patricia Schlesinger als Intendant*in nachfolgen soll.
Die Wut der Mitarbeitenden
Während der Rundfunkrat am Montagnachmittag seine Sitzung begann, protestieren vor der Tür etwa einhundert Mitarbeiter*innen. Sie wollten dem Rundfunkrat zeigen, was sie jetzt von ihm erwarten: „Stopp dem Filz“ und „restart rbb“ stand auf ihren Schildern.
Unter der Belegschaft herrscht noch immer Wut, nicht nur auf Schlesinger, sondern auf große Teile der Geschäftsleitung. Viele Angestellte hoffen allerdings, dass mit diesem großen Knall jetzt auch die Chance auf einen Umbau des Senders einhergeht. Sie hoffen auf flachere Hierarchien, mehr Mitsprache und mehr Transparenz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit