Kriegsvertreibung in Afghanistan: Die Binnenflucht steigt weiter
Ein aktueller UN-Bericht zählt 620.000 Binnenflüchtlinge in Afghanistan, 40.000 mehr als im Dezember. Über die Hälfte davon seien Kinder, sagen humanitäre Helfer.
KABUL dpa | Die Zahl der Kriegsvertriebenen in Afghanistan wächst weiter sprunghaft an. Sie liegt laut einem in der Nacht auf Dienstag veröffentlichten Bericht der Vereinten Nationen nun bei mehr als 620.000 (seit Anfang 2015). Das sind rund 40.000 mehr als noch Mitte Dezember, als die UN 580.000 Kriegsvertriebene gemeldet hatten. Vor 2015 waren bereits mehr als 1,2 Millionen Menschen auf der Flucht im eigenen Land.
Fast die Hälfte aller Vertriebenen – 42 Prozent – haben die UN demnach im Norden des Landes gezählt – auch in den Provinzen Kundus und Baghlan, in denen bis 2013 noch die Bundeswehr stationiert war. 28 Prozent wurden im Süden des Landes registriert, wo die radikalislamischen Taliban sich mit ihren Offensiven vor allem auf die Provinzen Helmand und Urusgan konzentrieren.
Humanitäre Helfer sprechen von einer Krise mit „tödlichen Konsequenzen“. Mehr als die Hälfte der Vertriebenen seien Kinder. Verstärkt wird die Krise vom unerwarteten Massenexodus afghanischer Flüchtlinge aus Pakistan und dem Iran, die 2016 zum Teil nach Jahrzehnten unfreiwillig in ihr kriegszerrissenes Land heimkehren mussten. Laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) und UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR waren es rund eine Million Menschen.
Im jüngst erschienenen Bericht zu den „Humanitären Bedürfnissen 2017“ ist die Rede von nunmehr 9,3 Millionen Afghanen in Not – ein Anstieg von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Inwiefern die massiven Binnenfluchtbewegungen und die unerwartet hohen Zahlen der unfreiwilligen Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran die Migration Richtung Europa beeinflussen, ist noch nicht klar.
Leser*innenkommentare
Andreas_2020
Also Afghanistan ist doch ein sicheres Land - da kann man ohne Probleme Flüchtlinge hin abschieben - oder?
Illoinen
Aber wird uns im Westen nicht täglich erzählt, dass Afghanistan und andere Länder "sicher" wären? Fragt sich allerdings für wen?
A. Müllermilch
"Inwiefern die massiven Binnenfluchtbewegungen und die unerwartet hohen Zahlen der unfreiwilligen Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran die Migration Richtung Europa beeinflussen, ist noch nicht klar."
Was ist daran unklar? Jeder dieser Verzweifelten, der eine Chance auf Auswanderung sieht wird dies mangels jedweder anderen Perspektive versuchen.
Schuld ist unter anderem die Verlogenheit des Westens, der den Konflikt zwischen Taliban und Westlern durch halbherziges Eingreifen ins Unendliche verlängert.
Entweder man rottet die Taliban/ Islamisten konsequent - auch unter dem Risiko toter eigener Soldaten - aus oder man lässt die Afghanen ihre Probleme konsequent alleine austragen.
Alles dazwischen ist Mist.