Krieg in der Ukraine: Plötzlich am Katzentisch
US-Präsident Trump vereinbart eigenhändig mit Kremlchef Putin Friedensverhandlungen – die EU und die Ukraine schauen zu. Wie soll es nun weitergehen?
![Gemälde Trump sitzt auf einem Stuhl, Putin sitzt auf einem Stuhl, davor Zuschauer Gemälde Trump sitzt auf einem Stuhl, Putin sitzt auf einem Stuhl, davor Zuschauer](https://taz.de/picture/7529994/14/37628667-1.jpeg)
Die ersten Reaktionen fielen entsprechend scharf aus. Appeasement gegenüber Putin sei keine Option, warnte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, bekannt für ihre harte Linie gegenüber Russland. „Ein Deal hinter unserem Rücken wird nicht funktionieren“, fügte sie hinzu: „Jede Vereinbarung muss die Ukraine und Europa einbeziehen“.
Auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte zeigte sich irritiert: „Wir werden sehen, wie sich das jetzt entwickelt“, sagte er. Die Alliierten müssten sicherstellen, dass die Ukraine in der bestmöglichen militärischen Lage ist, wenn Verhandlungen beginnen. Zu der von Trump und seinem Verteidigungsminister Pete Hegseth geäußerten Absage an einen Nato-Beitritt des Landes äußerte er sich nicht.
Die Europäer finden sich in Sachen Ukrainekrieg plötzlich am Katzentisch wieder. Weder beim Nato-Treffen noch in der EU-Kommission gab es Hinweise drauf, dass Trump sie einbeziehen will. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nicht einmal einen direkten Draht ins Weiße Haus. Bisher hat sie sich nur mit US-Vizepräsident J. D. Vance getroffen, nicht mit Trump.
Kein Plan B
Wie es weitergehen soll, ist unklar. Die Europäer haben auf eine Fortsetzung der alten Ukraine-Politik gehofft, einen Plan B haben sie nicht. Man fühle sich weiter an die Beschlüsse zum Beitritt gebunden, heißt es in der Nato-Zentrale. Vor allem die Osteuropäer pochen darauf. Ohne die USA lassen sie sich aber nicht mehr umsetzen.
Katzenjammer herrscht auch in der EU-Kommission. Sie hat große Pläne für den Wiederaufbau der Ukraine und den EU-Beitritt geschmiedet und sieht nun einen Berg von Problemen und Kosten auf sich zukommen. Dennoch hält sie vorerst an der alten Linie fest. „Unsere Priorität muss nun sein, die Ukraine zu stärken“, sagte die Chefsprecherin der Brüsseler Behörde.
Ähnlich hatten sich zuvor schon die Außenminister bei einem Treffen in Paris geäußert. „Wir sind bereit, unsere Unterstützung für die Ukraine auszuweiten“, erklärten Außenministerin Annalena Baerbock und ihre EU-Kollegen. Die Hilfe müsse fortgesetzt werden, bis ein „gerechter, umfassender und dauerhafter Frieden“ geschlossen wird.
Wie die EU dieses Ziel erreichen will, hat sie allerdings nicht verraten. Nun richten sich alle Augen auf Trump – und auf die Münchener Sicherheitskonferenz. Sie könnte die letzte Gelegenheit für die Europäer sein, doch noch Einfluss auf das Schicksal der Ukraine zu nehmen. Allzu viel Hoffnung macht man sich in Brüssel allerdings nicht.
Scholz warnt vor Diktatfrieden
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich besorgt über das nicht abgesprochene Telefonat zwischen Trump und Putin. Im „Berlin Playbook Podcast“ des Nachrichtenportals Politico warnte er vor einem „Diktatfrieden“. Die Ukraine müsse „auch nach dem Friedensschluss“ eine Möglichkeit haben, sich zu entwickeln. Und sie müsse „eine starke Armee“ haben, die größer sein werde als vor dem Krieg, ausgestattet auch mit westlichen Waffen. Am Donnerstagabend wollte der Kanzler eine Presseerklärung zu den aktuellen außenpolitischen Entwicklungen abgeben.
„Das Telefonat mit Putin und die Ankündigung über die Ukrai ne hinweg Verhandlungen mit dem Aggressorstaat zu führen, sind ein Desaster für Europa und besonders die Ukraine“, sagte Roderich Kiesewetter, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, der taz. Er fordert eine „europäische Koalition der Willigen“, um die Belohnung von Russlands Angriffskrieg zu verhindern. „Deutschland sollte Teil dieser Koalition sein, ansonsten wird sich Deutschland weiter isolieren“.
Die ukrainische Regierung bemühte sich weiterhin um strategische Krisenkommunikation. Präsident Wolodymyr Selenskyj hielt an seiner diplomatischen und wertschätzenden Rhetorik gegenüber Donald Trump fest und betonte seine Dankbarkeit für dessen Bemühungen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. „Wir glauben, dass Amerikas Stärke ausreicht, um gemeinsam mit uns und allen Partnern Russland und Putin zum Frieden zu zwingen“, sagte Selenskyj in einer Ansprache nach seinem Telefonat mit Trump.
Doch während die Regierung offiziell optimistisch bleibt, zeigt die Gesellschaft ein differenziertes Bild. Nach Trumps Wahlsieg äußerten sich viele Ukrainer:innen zunächst vorsichtig zuversichtlich. Sie hofften, er könne Putin zu einem fairen Kriegsende bewegen. Trotz widersprüchlicher Signale aus Washington hielten viele an dieser Hoffnung fest und warteten auf Trumps erste konkrete Schritte.
Ukrainer:innen denken über Auswanderung nach
Doch als jetzt bekannt wurde, dass Trump zuerst mit Putin sprach und erst danach mit Selenskyj, kippte die Stimmung. Für viele gilt dies als ein Zeichen für die Prioritäten des neuen Präsidenten. Zusammen mit den Aussagen von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, der einen Nato-Beitritt der Ukraine und die Rückkehr zu den international anerkannten Grenzen als unwahrscheinlich bezeichnete, führten das schließlich zur völligen Ernüchterung.
„Es sieht so aus, als hätten sich der Immobilienmakler und der Geheimdienstler ohne uns über unser Schicksal geeinigt“, lautete eine der ersten Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Einige Kommentator:innen gingen noch weiter: „Das ist ein Triumph für Putin und das Ende der westlichen Welt“, schrieben pessimistische Stimmen.
Die Ankündigungen aus Washington ließen einige Ukrainer:innen über Auswanderung nachdenken – vor allem, um die ukrainische Kultur und Traditionen im Ausland zu bewahren. Sie fürchten, dass Trumps skizziertes Kriegsende keinen Frieden bringt, sondern eine versteckte Kapitulation und eine anschließende russische Okkupation.
Eine ukrainische Journalistin fasste zusammen: „Ein schwerer Tag. Am Morgen Raketenangriff auf Kyjiw, mittags die Anrufe Trumps, dann sofort wieder Luftalarm, und in der Nacht Dutzende Drohnen. An solchen Tagen fühlt man sich zerschlagen und hoffnungslos. Aber Panik ist keine Option. Wir müssen weitermachen, unsere Arbeit so gut wie möglich tun und diejenigen unterstützen, denen es noch schwerer fällt.“
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