Krieg in der Ukraine: Vermintes Gelände am Atomkraftwerk
Russland hat das ukrainische AKW Saporischschja erneut vermint. Expert*innen warnen vor einer ökologischen Bedrohung.
KYJIW taz | Das in der ukrainischen Kleinstadt Enerhodar gelegene und von Russland besetzte AKW Saporischschja ist erneut vermint. Dies berichtet die Internationale Atomenergieorganisation IAEO in ihrem jüngsten Bericht vom 19. Januar. Seit dem 1. September 2022 befindet sich ein Expertenteam der IAEO im Kraftwerk.
Die Minen, „die vom IAEO-Team zu einem früheren Zeitpunkt gesichtet, dann im November 2023 entfernt worden waren“, seien nun wieder am ursprünglichen Ort, heißt es in dem Bericht der Atomenergiebehörde. Dem Bericht zufolge befinden sich die Minen in einem für das Betriebspersonal nicht zugänglichen Bereich in einer Pufferzone zwischen dem inneren und dem äußeren Zaun der Anlage.
Der Generaldirektor der IAEO, Rafael Grossi, ließ verlauten, dass Minen nicht mit den Sicherheitsstandards der IAEO vereinbar seien. Der jüngste Bericht bestätigt die ukrainische Atomexpertin Olga Koscharna in ihrer Einschätzung, dass die russische Besetzung des Atomkraftwerks eine große ökologische Bedrohung sei.
Es sei nicht auszuschließen, so Koscharna auf ihrer Facebook-Seite, dass die russischen Besatzer, sollten sie gezwungen werden, das AKW zu räumen, das Schleusentor des Kühlteichs, der 46 Millionen Kubikmeter Wasser enthält, sprengen werden. Dies könnte zu einer Umweltkatastrophe führen, etwa wenn nach einer solchen Sprengung die für die Reaktorkühlung eingesetzten Wasserleitsysteme beschädigt werden.
Eine große ökologische Bedrohung
Russland selbst bestätigt die Verminung des AKW-Geländes, behauptet aber, diese sei für den Schutz des AKW vor Saboteuren erforderlich. Die dort angebrachten Minen, erklärte Michail Uljanow, ständiger Vertreter Russlands bei internationalen Organisationen in Wien, seien nichts Außergewöhnliches. Sie seien lediglich „ein normales Mittel zum Schutz der Anlage vor Angriffen und Sabotageakten.“
Da diese sich auf einem Gelände befänden, zu dem das Personal keinen Zutritt habe, „stellen sie nur für Ratten, Krähen und potenzielle Saboteure eine Bedrohung dar“, zitiert die russische Nachrichtenagentur Tass den Diplomaten. Es sind nicht nur die Minen, die die ukrainische Fachwelt nach dem neuesten IAEO-Bericht verstören. Dem Bericht zufolge würde außerdem Fachleuten der IAEO zu einigen Orten auf dem AKW-Gelände der Zutritt verwehrt.
Leser*innenkommentare
Paul Anther
Bestechende Logik. Wenn du nicht willst, dass dir die Saboteure den Laden sprengen, verteile deine eigenen Sprengsätze und tu es selbst
Alexander Schulz
Russland ist zwar vieles zuzutrauen, aber eine Sprengung macht aus Russlan wenig Sinn zum jetzigen Zeitpunk. Ähnlich wie der Gebrauch von Nuklearwaffen wird dieses vermutlich nur geschehen, falls Russland sich in die Enge getrieben fühlt und Angst hat zu verlieren.
Mopsfidel
Reines Scharmützel.
Eine Sprengung "im eigenen Vorgarten" wäre ein sehr dummes Vorhaben. Wind aus West oder Südwest ist in Saporischschja keine Seltenheit, und dann würde der radioaktive Fallout über Russland runter gehen.
Privatkundig
@Mopsfidel Auch bei Ternobyl war man davon ausgegangen, dass eher Belarus, Ukaine und Russland vorwiegend gefährdet gewesen wären, aber nicht die westlichen Staaten, da meist Westwind herrscht. Deutschland hatte gar nicht mit dieser Gefährdung gerechnet.
Aber manchmal herrscht auch Ostwind, und ein Fernzünder wurde auch bei dem Staudamm, aber auch bei dem Anschlag auf Nordstream vermutet.
Also diese Gefahr wieder zu unterschätzen wäre fahrlässig.
Die Argumentation Russlands, sie müssten das Kernkraftwerk durch Minen gegen Anschläge sichern, ist doch Quatsch, gerade die Ukraine hat doch ein Interesse daran, das Kernkraftwerk eben nicht in die Luft zu sprengen, da dann ein Großteil der Ukraine und deren Meereszugang unwiederbringlich verseucht wären.
Was sollen nun die Minen, die auch wieder an genau den selben Stellen eingesetzt wurden, was ist dort, wo keiner hin soll, sind es ggf. Fernzünder, oder andere Installationen? Nur so eine Vermutung, denn ansonsten macht das alles keinen Sinn.
metalhead86
@Mopsfidel Nach der Großinvasion von Februar 2022 und der Sprengung des Kakhovka-Damms würde ich da nicht drauf vertrauen.
Ajuga
@metalhead86 Ob der gesprengt wurde oder einfach dem Verfall überlassen wurde bis er nach Starkregen am mittleren Don brach, ist unklar, aber das Endergebnis ist ja dasselbe: ob Verwüstung von demunddem Ausmaß absichtlich herbeigefürt oder billigend in Kauf genommen wurde, ändert nichts am Ausmaß der Verwüstung.
Und so "Nerobefehl"-Schwachsinn ("wenn wir es nicht haben können, dann soll es keiner haben muahahahahah") sind halt einfach total Putins Ding.
Descartes
@Mopsfidel Da würde ich mich nicht darauf verlassen. Tschernobyl steht an der Grenze zu Belarus, nur 5km von der Grenze weg, nur deshalb waren Gebiete in Belarus betroffen. Saporischschja ist über 200km von Russland entfernt. Ein Effekt des radioaktiven Fallouts auf Menschen war schon bei Tschernobyl nur im 2km entfernten Pripjat relevant, und auch das nur weil die Behörden den Unfall vertuscht haben und keine Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung ergriffen haben. Eine Sprengung des AKW Saporischschja wäre wegen des Stromausfalls eine Katastrophe, nicht wegen des Fallouts.
Bolzkopf
Wenn wir schon jetzt nicht in der Lage sind Atomanlagen aus militärischen Konflikten rauszuhalten, wie soll es dann jemals gelingen Atommüll-Lager für zigtausende von Jahren zu behüten und zu schützen?
Dann im Vergleich zu KKW sind die Lager der zigtausendfache Tod.
Leider hat man es versäumt internationale Verträge zum Schutz zu vereinbaren.
Ähnlich den Haager Konventionen zum Schutz von Kulturgut
Descartes
@Bolzkopf Der Atommüll ist nicht gefährlicher als sonstiger Giftmüll aber wird einige hundert Meter tiefer vergraben. Der sollte ihre geringste Sorge sein.
Alexander Schulz
@Descartes Das ist Sarkasmus, oder?
Machiavelli
@Bolzkopf "Leider hat man es versäumt internationale Verträge zum Schutz zu vereinbaren." Das löst gar nichts, Akteure wie Russland interessieren sich nur für internationale Gesetze wenn es ihnen passt, von Akteuren wie dem IS ganz zu schweigen. Wobei man beim Atommüll sagen muss er ist da und wird auch weiterhin durch Medizin und Forschung produziert werden muss also weiterhin sich darum gekümmert werden, Atomkraft hin oder her.
Alexander Schulz
@Machiavelli Russland Angriffskrieg ist ein ungeheuerlicher Verstoß gegen das Völkerrecht!
Trotzdem ist mir Ihr Beitrag (Mal wieder) zu einfach! Wie verhält es sich den mit westlichen Ländern, die sich nicht an Regeln halten?
Auch wenn ich aus verschiedenen Gründen ein großer Bewunderer der USA, würde sich das Land als gutes Gegenbeispiel eigenen.
Die USA haben öfter gegen internationales Recht verstoßen als Russland innerhalb der letzten 25 Jahre.
Würden Sie deswegen behaupten, dass internationales Recht keinen Sinn macht?
Ich meine damit nicht nur den bekannten Angriffskrieg auf den Irak, sondern die vielen "kleineren Verstöße"; zb illegale Drohnenangriffskriege in immerhin 52 Ländern innerhalb der letzten 20 Jahre (Somalia und Pakistan sind da wohl die bekanntesten Beispiele):
www.br.de/mediathe...ohnenkrieg/1840996
Oder auch das Weigern von Zahlungen an die UN.
Ich möchte jetzt nicht alle Verstöße erwähnen, da das ja wirklich den Rahmen sprengen würde.
Ich finde es immer wichtig andere Standpunkte zu verstehen und kann durchaus in Drohnenkriegen und bei der Weigerung von Zahlungen eine gute Intention sehen, trotzdem sehe ich es kritisch, da wir im" Weste" eigentlich eine Vorbildfunktion haben sollten. Die Intention sollte ja eigentlich sein glaubwürdig global für eine regelbasierte Ordnung einzutreten.
Daher braucht es nicht weniger internationale Regelungen oder Abkommen, sondern mehr!!