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Krieg in der UkraineRussische Drohnengrüße zum Winter

Die ukrainische Hauptstadt Kyjiw erlebt einen der größten Angriffe seit Kriegsbeginn. Ist das der Auftakt einer Winteroffensive Russlands?

Nach den Angriffen der Nacht: Aufräumen im Haus eines Kindergartens in Kyjiw Foto: Oleksii Chumachenko/SOPA images via dpa

Odessa taz | Das Wochenende hat für viele Menschen in der Ukraine zwei unruhige Nächte gebracht. In den frühen Morgenstunden des 25. November war die ukrai­ni­sche Hauptstadt Kyjiw das Hauptziel des bisher größten russischen Drohnenangriffs. „Es war so laut“, sagt Yelisaveta, die am Nordrand der Kyjiwer Innenstadt wohnt. Einen Angriff über so viele Stunden habe es schon lange nicht gegeben. Geschlafen habe sie in dieser Nacht nicht. Der Luftalarm in der Hauptstadt dauerte in der Nacht zu Samstag ab 2.37 Uhr mehr als sechs Stunden an.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs wurden in jener Nacht insgesamt 75 Schahed-Drohnen iranischer Bauart gestartet. Allein 60 davon steuerten Kyjiw an. Bis auf eine konnten alle Drohnen abgeschossen werden, hieß es. Videos in sozialen Netzwerken zeigten die Leuchtspurgeschosse der Luftverteidigung in den Nachthimmel über dem Häusermeer der Hauptstadt aufsteigen sowie Feuerbälle, die vermutlich getroffene Drohnen waren. Detonationen waren zu hören.

Schäden gab es trotz des Abwehrfeuers: So wurden den Angaben zufolge in mehreren Stadtteilen Wohngebäude von herabfallenden Drohnentrümmern getroffen. Es kam zu Bränden. Mindestens fünf Menschen wurden verletzt, darunter laut Bürgermeister Vitali Klitschko ein elfjähriges Kind. Auch ein Kindergarten wurde verwüstet. Die Stromversorgung für rund 200 Gebäude wurde unterbrochen.

Der Angriff fiel auf den Tag, an dem die Ukraine dem Holodomor gedachte: der von der Moskauer Führung unter Stalin verursachten Hungersnot, der Anfang der 1930er Jahre mehrere Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Krieg gegen die Infrastruktur – gerade im Winter

Auch in der Nacht zu Sonntag gab es vor allem im Osten und im Zentrum der Ukraine in vielen Regionen Luftalarm. Erneut setzte Russland Drohnen ein. Acht von neun seien abgeschossen worden, hieß es.

Ob es sich bei den Angriffen um den Beginn einer größeren Angriffswelle handelt, ist unklar. Experten und auch die ukrai­ni­sche Regierung gehen davon aus, dass Russland wie im vergangenen Winter versuchen wird, die Energieinfrastruktur der Ukraine zu zerstören. Seinerzeit waren Kraftwerke und vor allem Knotenpunkte des Hochspannungsnetzes attackiert worden. Oft fiel stunden-, manchmal tagelang der Strom in den betroffenen Gebieten aus. Um das Netz zu stabilisieren, musste der Strom rationiert werden.

Solch ein Muster ist bisher nicht erkennbar. Auch sind bei den jüngsten Angriffen kaum Marschflugkörper, sondern viel preisgünstigere Drohnen eingesetzt worden. Diese haben weniger Sprengkraft, sind aber schwieriger mit Radar zu orten. In der Ukraine befürchtet man, dass Russland die teureren, aber wirkungsvolleren Waffensysteme für einen späteren Großangriff zurückhält.

Seit Mitte vergangener Woche sind die Temperaturen in weiten Teilen des Landes unter den Gefrierpunkt gesunken. Üblicherweise steigt dann der Strombedarf. Angesichts dessen hatte der Netzbetreiber Ukrenergo die Haushalte zur Sparsamkeit angehalten. Verbrauchsintensive Geräte wie Waschmaschinen sollten erst am Abend benutzt werden.

Die Lage an der Front blieb in den vergangenen Tagen weitgehend stabil. Beide Seiten reklamieren kleinere Geländegewinne für sich. Der ukrainische Generalstab gibt weiter gegnerische Tagesverluste von um die 1.000 Soldaten an. Das ist vergleichsweise viel und ist wahrscheinlich auf die seit Wochen andauernden Versuche zurückzuführen, die Industriestadt ­Awdijiwka nahe der Donezk einzunehmen – bisher erfolglos.

Russland hat nach eigenen Angaben einen mutmaßlichen ukrainischen Raketenangriff sowie mehrere Drohnenangriffe auf russische Regionen abgewehrt. Auch über dem Großraum Moskau seien einige Drohnen abgeschossen worden.

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9 Kommentare

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  • Wäre Russland an einem Kompromissfrieden interessiert würde es diese Angriffe zurückfahren, will man Frieden schließen macht man nicht vorher den Feind noch wütender.

    • @Machiavelli:

      Ich stimme Ihnen zu, was Russlands Interesse an einem Kompromissfrieden angeht.



      Dennoch kann es durch aus grundsätzlich von Vorteil sein, dem Feind vor eventuellen Verhandlungen noch möglichst unter Druck zu setzen und Schaden zuzufügen, um diese Verhandlungen von einer stärkeren Position aus zu führen.

      • @Encantado:

        Nur erzeugen diese Angriffe auf Zivilisten null Druck in Kyiv sondern Druck auf die NATO noch mehr Flugabwehr zu liefern.

        • @Machiavelli:

          "Nur erzeugen diese Angriffe auf Zivilisten null Druck in Kyiv sondern Druck auf die NATO noch mehr Flugabwehr zu liefern."



          Einerseits. Andererseits dürfte es die Stimme der kriegsmüden Verhandlungswilligen stärken. Dass Putin auf die Schwäche des Westens setzt, zeigt er seit der Besetzung der Krim. Wir werden sehen, wer den längeren Atem hat...

  • Es wird Zeit, dass die EU Länder die Ukraine mit sehr vielen Marschflugkörpern ausstatten. Mit ein paarhundert könnte die Ukraine eine gezielte Angriffswelle starten und Versorgungslinien der russischen Kriegsverbrecher zerstören.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Dann dauert der Krieg noch länger. Bedenken Sie, wie groß Russland ist. Schon in 2. Weltkrieg haben die Russen die deutsche Luftwaffe "wirkungslos" gemacht, als sie ihre kriegswichtige Industrie mal einfach weit nach Osten verlegten. Und auch wenn marschflugkörper weiter fliegen, "Wunderwaffen" sind die auch nicht.

      • @Bunte Kuh:

        "Schon in 2. Weltkrieg haben die Russen die deutsche Luftwaffe "wirkungslos" gemacht, als sie ihre kriegswichtige Industrie mal einfach weit nach Osten verlegten."



        Der entscheidende Unterschied: damals wollten die Russen grundsätzlich im Osten bleiben und wurden angegriffen. Heute wollen sie nach Westen angreifen. Umgekehrte Stoßrichtung.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das sind die am besten geschützten Objekte. Es ist viel einfacher, zivile Ziele anzugreifen wie Infrastruktur, Krankenhäuser usw. wie es die Russen aktuell praktizieren.

      • @Algernoon:

        "Das sind die am besten geschützten Objekte. Es ist viel einfacher, zivile Ziele anzugreifen wie Infrastruktur, Krankenhäuser usw. wie es die Russen aktuell praktizieren."



        Das mag einfacher sein, aber das tun die Ukrainer weder aktuell noch haben sie vor, dass zukünftig zu tun, weil es ein Verstoß gegen die Genfer Konvention wäre.



        Russland ist gar nicht in der Lage, alle seine kriegswichtigen Objekte, dazu zählen ja nicht nur militärische Einrichtungen, sondern auch Rüstungsbetriebe, gegen Luftangriffe zu schützen.