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Krieg in der UkraineWarten auf Erlösung

In der Hafenstadt Mariupol warten die Menschen immer noch auf einen Hilfskonvoi. Bislang vergeblich. Es soll dort bereits mehr als 2.000 Tote geben.

Unter Beschuss: Ein Wohnhaus in Mariupol wird am vergangenen Freitag von einer Bombe getroffen Foto: Evgeniy Maloletka/ap

Mariupol taz | Während westliche Po­li­ti­ke­r*in­nen darüber nachdenken, ob man der Ukraine mit einem Flugabwehrsystem helfen solle, tötet der Himmel jeden Tag Ein­woh­ne­r*in­nen von Mariupol. An den Ufern des warmen Asowschen Meeres spielt sich eine wahrhaftige Tragödie ab, die einen Namen trägt: Tod.

In den vergangenen 24 Stunden haben feindliche Flugzeuge 22 Bombenangriffe auf die friedliche ukrainische Stadt geflogen. Am Sonntag hat die Stadtverwaltung die Zahl der Getöteten mit 2.158 angegeben – Männer, Frauen, Kinder. Das sind nur diejenigen, die die kommunalen Dienstleister zählen und begraben konnten. Wie viele Leichen unter den Trümmern zerstörter, niedergebrannter Häuser liegen, ist unbekannt.

Tausende verlorene Leben! In nur einer einzigen Stadt! Die Verteidiger von Mariupol – das sind die Nationalgardisten und Marinesoldaten – bitten das Militärkommando, Mariupol mit Luftverteidigungssystemen zu helfen. Doch von diesen Systemen gibt es in der Ukraine nur wenige, in Mariupol gar keine. Daher sterben in der Stadt jeden Tag, JEDEN Tag durch Luftangriffe und Raketen über 100 Menschen.

„Gestern haben ich und mein Mann uns vom Leben verabschiedet. Bomben gingen in der Nähe unseres Hauses nieder. Ich dachte, das sei das Ende …“, sagt Nastja, eine Einwohnerin von Mariupol. Das Leben schien noch so viele glückliche Momente für die Familie bereitzuhalten. Und als am 24. Februar die ersten Explosionen am Stadtrand von Mariupol zu hören waren, wollte Nastja nicht glauben, dass das ein wirklicher Krieg sei.

Mit einem Baby im Arm

Sie dachte, es werde geschossen wie 2014, doch alle würden auf ihren Positionen ausharren. Heute bedauert sie ihre Naivität sehr. Sie blieb mit einem Baby im Arm zurück und wie alle ohne Essen, Wasser, Licht und Heizung. Aber das alles ist nicht so beängstigend wie die täglichen Bombenangriffe der Flugzeuge. Du kannst dich nicht vor ihnen verstecken und dich nicht einmal in einen Luftschutzkeller retten.

„In Mariupol zu bleiben ist wie zu sterben. Mariupol unter diesem unaufhörlichen Beschuss zu verlassen, ist ein wahnsinniges Risiko. Aber je länger wir hier bleiben, desto mehr wird uns klar, dass wir dringend eine Entscheidung treffen müssen. Wir müssen unter zwei Bedrohungen die kleinere wählen. Denn es kann passieren, dass es morgen einfach nichts mehr gibt, um die Stadt zu verlassen – die Besatzer können das Auto jederzeit in die Luft jagen“, sagt Nastja.

Tagebuch zum Krieg

Wie wird der Krieg in den Ländern der ehemaligen UDSSR wahrgenommen? Die taz glaubt daran, dass je­de:r das Recht auf diese Informationen hat. Damit möglichst viele Menschen von den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine lesen können, veröffentlichen wir die Texte unserer Kolumne „Krieg und Frieden“ daher auf Deutsch und auch auf Russisch.

Vor zwölf Tagen hat die russische Armee einen engen Ring um die Stadt gezogen. Seitdem konnten keine Lebensmittel, Medikamente und kein Treibstoff mehr nach Mariupol gebracht werden. Alles, was in den Läden, in den Lagern war, haben die Menschen gekauft und gegessen. Alles, was in den Apotheken war, wurde längst in die Krankenhäuser gebracht, wo es an Analgetika und Schmerzmitteln fehlt. Ärz­t*in­nen sind gezwungen, die Wunden von Verletzten ohne Betäubung zu versorgen.

Seit sechs Tagen versucht ein Hilfskonvoi nach Mariupol vorzudringen. Am vergangenen Samstag wurde ein weiterer Versuch unternommen. Ein Konvoi mit 60 Fahrzeugen startete von Saporischschja in Richtung Mariupol. Er hatte 90 Tonnen Hilfsgüter geladen – Wasser, Lebensmittel und Medikamente. Aber, was noch wichtiger war: In dem Konvoi fuhren auch 50 Reisebusse mit. Der Plan war, dass sie auf dem Rückweg Menschen mitnehmen sollten, so viele, wie in die Busse und Privatfahrzeuge hineinpassen würden.

Priester als Begleitung

Es ist schwer, das Risiko mit Worten zu beschreiben, das die Fahrer eingingen. Während der gesamten Fahrt wurde der Konvoi ständig beschossen. Und das ungeachtet der Tatsache, dass Priester der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchiats den Konvoi begleiteten.

Sogar der Metropolit Luka von Saporischschja machte sich auf, um der Fahrzeugkolonne einen Weg durch Minenfelder und russische Panzer zu bahnen. Aber den Russen ist nichts heilig. Der Konvoi wurde beschossen – trotz „heiliger Begleitung“.

Am Sonntag kam der Konvoi nah an Mariupol heran, jedoch 40 Kilometer vor der Stadt wurde er angehalten und durfte nicht weiter fahren. Warum? Was war passiert? Welche Provokationen plant die russische Armee jetzt schon wieder?

Wir geben nicht klein bei

Diese Fragen stellen sich nicht nur diejenigen mit Entsetzen, die den Konvoi an sein Ziel bringen sollen, sondern auch den Menschen, die in der belagerten Stadt mit angehaltenem Atem auf die Erlösung warten.

„Der Konvoi musste umkehren und nach Berdjansk (eine Stadt 80 Kilometer von Mariupol entfernt, Anm. d. Red.) fahren. Was passiert ist, wissen wir noch nicht. Vielleicht gibt es Probleme beim Verhandlungsprozess, wir schließen jedoch auch Provokationen nicht aus.

Doch alle sollen wissen: Wir geben nicht klein bei. Wir werden morgen früh um jeden Preis versuchen, in die Stadt zu kommen“, sagt der Berater des Bürgermeisters von Mariupol, Petr Andrjuschtschenko.

Nastja hat sich entschieden, nicht mehr auf den Hilfskonvoi zu warten. Am Sonntagmorgen ist sie mit ihrem Mann und dem wenige Monate alten Baby ins Auto gestiegen, um Mariupol zu verlassen. Jetzt können wir nur noch beten, dass der Himmel über ihnen an diesem Tag nicht zu einer tödlichen Bedrohung wird.

Aus dem Russischen von Barbara Oertel

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3 Kommentare

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  • Es gilt die Dominanz des Militärischen. Es hilft nicht sich darüber zu empören. Es rettet kein einziges Menschenleben. Die Zivilbevölkerung schon gar nicht.



    Die würde auch nicht gerettet, belieferte man die ukrainischen Verteidiger in Mariupol mit Militärgerät.



    Dafür ist beiden Seiten die Stadt als strategisches Objekt viel zu wichtig.



    Es würde die Angriffe der Invasionsarmee nur intensivieren.



    Die ukrainischen Militärkräfte können die Räumung der Stadt von Zivilbevölkerung nicht akzeptieren. Zwischen ihnen und der übermächtigen Invasionsarmee stünde nichts mehr als freies Schussfeld. Ein Kampf, den die ukrainischen Truppen nicht gewinnen können. Womöglich konkret und vor Ort nicht einmal mehr dann, träte die NATO mit ihnen gemeinsam zur Verteidigung an.



    Zumal in diesem Fall Mariupol, deren Zivilbevölkerung nur noch Randnotiz eines Konfliktes ist, der gerade jederzeit zum Weltkrieg zwischen Russland und der EU-NATO-USA führen kann.



    Während er es genau genommen schon genau das ist. Wer behauptet das noch eingrenzen zu können lügt.



    Die Invasionsarmee, die verbrecherischen Angriffskrieger Putinrusslands müssen ihrerseits Mariupol erobern. Zentrale Hafenstadt. Geländetechnisch-militärisch erforderlich die russische Fronseite zu schliessen. Ausserdem Stationionierungsort des Asov-Regiments. Der Vorlage für einen der vorgeschobenen Kriegsgründe gegen die Ukraine. Also die behauptete "Entnazifizierung"

    Das ist grob die Lage. Die sich nicht ändert weil man, oder falls man für eine Seite ist.



    Interessiert einen wirklich die Zivilbevölkerung. Nicht in Wahrheit und am Ende bloß nur, wer schuld ist. Wird zwischen zwei Armeen Zivilbevölkerung geschlachtet.



    Die Zivilbevölkerung ist darauf angewiesen, dass sich nun Militärs und militärische Politik entscheiden.



    Ich schätze die Zivilbevölkerung Mariupols ist nur noch zu retten, räumen die ukrainischen Truppen die Stadt. Ansonsten muss jeder und jedem klar sein was von ihr verlangt ist.



    Es ist zum verzweifeln.

  • Ich denke, die Nato sollte der Ukraine alles an militärischen Gütern liefern, was unterhalb einer gewissen Schwelle liegt. Falls die Lieferung von Kampfflugzeugen nicht möglich ist, weil dies eine zu große Provokation Russlands darstellen würde, sollten zumindest Luftabwehrsysteme geliefert werden. Lassen die Russen nicht einmal Fahrzeuge mit Lebensmitteln und anderen dringend benötigten Gütern durch? Was ist das für eine Art von Kriegsführung? Soll die Stadt tatsächlich ausgehungert werden? das ist ein Kreigsverbrechen riesigen Ausmaßes!

  • Die Erlösung für die Ukraine kann nur durch ein Friedensabkommen mit den Russen erfolgen. Alles andere wird das Leid und die Verluste der Bevölkerung erweitern. und eines noch, unsere Abgeordneten haben einen Eid geschworen: "Schaden deutschen Volke abzuwenden" Das ist die Ukraine nicht eingeschlossen.



    Deshalb sollten unsere Politiker die Forderungen der ukrainischen Politiker - Deutschland möge den 3. Weltkrieg entfesseln - scharf zurück weisen. Es ist unmöglich, wie respektlos sich ukrainischen Politiker, hier in unserem Land Forderungen aufstellen. Nein, Deutschland wird sich nicht an einem 3. Weltkrieg beteiligen. Um auch gleich diese Frage zu klären, egal wie viele in der Ukraine sterben. nein wir machen das nicht, Punkt!