Aktuelle Lage in der Ukraine: Frauen und Kinder unter Trümmern

In Mariupol sind nach russischen Luftangriffen zahlreiche Zivilisten verschüttet. Auch in vielen anderen Städten gibt es Tote. Der Überblick.

2 Frauen und ein Mann sitzen in Decken gehüllt in einem Luftschutzkeller

Am 17. März in einem Krankenhaus bei Kiew: Mitarbeiter suchen im Keller Schutz vor Bomben Foto: Felipe Dana/ap

BERLIN taz | Es könnte das bisher blutigste Kriegsverbrechen in der Ukraine sein. Das Drama-Theater in dem von russischen Truppen eingekesselten Mariupol, in das sich unterschiedlichen An­gaben zufolge zwischen 500 und 1.200 Zivilisten geflüchtet hatten, wurde am Mittwochabend durch einen russischen Bombenangriff direkt getroffen, viele Menschen wurden verschüttet.

Einen versehentlichen Angriff schließen Beobachter aus. Das imposante Theatergebäude liegt allein mitten in einem weitläufigen Park. Auf Satellitenaufnahmen vom Montag war auf den Flächen vor und hinter dem dreistöckigen Gebäude in großen weißen Buchstaben das russische Wort „deti“ („Kinder“) zu lesen.

Ein von den Behörden veröffentlichtes Foto zeigte am Donnerstag ein zerstörtes Gebäude und darüber dichter Rauch. Das Kellergeschoss, in dem sich die Menschen aufhielten, ist nach Angaben der Stadtverwaltung verschüttet. Rettungskräfte versuchten am Donnerstag, zu den Menschen vorzudringen. Petro Andruschtschenko, ein Berater des Bürgermeisters, sagte: „Jetzt werden die Trümmer beseitigt. Es gibt Überlebende.“

Mariupols Bürgermeister Wadym Boi­tschen­ko wies russische Angaben zurück, das rechtsextreme Freiwilligenregiment Asow habe sein Hauptquartier in dem Gebäude gehabt. Videoaufnahmen von dem Luftangriff zeigen Kellerräume mit dicht zusammengepferchten Menschen, zumeist Frauen und Kinder. Aus Theatersesseln, berichteten Bewohner, wurden Betten, aus den Holzrahmen Feuerholz zum Kochen.

„Das ist Terrorismus pur“

Gegenüber BBC schilderte eine 38-Jährige, wie bedrängt das Leben in den Kellern war, wo erst nach vier Tagen Lebensmittel von der Armee angeliefert werden konnten. Sie habe das Gebäude mit ihrem Sohn am Dienstag verlassen, weil andere Gebäude in der Gegend bereits zerstört waren und sie damit rechnete, das Theater käme als nächstes dran.

Russische Luftangriffe trafen nach Angaben des Verwaltungschefs auch das Gelände des Neptun-Schwimmbads in Mariupol. Auch dort hatten Zivilisten Schutz gesucht. „Jetzt liegen dort schwangere Frauen und Frauen mit Kindern unter den Trümmern. Das ist Terrorismus pur“, sagte er. In Mariupol sind nach Behördenangaben 80 bis 90 Prozent aller Gebäude zerstört und 2.400 Zivilisten sind getötet worden.

Die erneute Intensivierung der russischen Luftangriffe machte am Donnerstag die am Mittwoch verbreiteten Hoffnungen auf eine baldige diplomatische Lösung des Konflikts zunichte. Bombenangriffe konzentrierten sich neben Mariupol auf das 280.000 Einwohner zählende nordukrainsiche Tschernihiw, dessen Kontrolle russischen Truppen den Weg nach Kiew versperrt.

„Die Stadt hat noch nie solche albtraumhaften, kolossalen Verluste und Zerstörungen erlebt“, sagte am Donnerstag Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus. Die Leichen von 53 Opfern russischer Angriffe seien in den vergangenen 24 Stunden geborgen worden. Laut Staatsanwaltschaft erschossen russische Soldaten 10 Menschen in einer Schlange vor einer Bäckerei.

In der Kleinstadt Merefa südlich von Charkiw wurden am Donnerstagmorgen nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft mindestens 21 Menschen durch russischen Artilleriebeschuss getötet, als eine Schule und ein Kulturzentrum zerstört wurden. Russland dementiert systematisch jeden Angriff auf ukrai­nische Städte oder Zivilisten.

Iwan Federow, der von russischen Besatzern entführte Bürgermeister der Stadt Melitopol, kam in der Nacht zu Donnerstag wieder frei. Die Ukraine übergab im Austausch 9 gefangene russische Soldaten. (Mit rtr, afp)

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