Krieg in der Ostukraine: Hilfskonvoi bewegt sich kein Stück
Die fast 300 russischen Lkws, die laut Angaben Moskaus Hilfsgüter transportieren, stehen noch immer vor der Grenze. Die Lage in Lugansk und Donezk spitzt sich zu.
KAMENSK-SCHACHTINSKI afp | Der russische Hilfskonvoi für die ukrainischen Rebellengebiete befindet sich weiterhin auf russischem Territorium. Die fast 300 Lkw, die nach Angaben Moskaus mit 1800 Tonnen Hilfsgütern beladen sind, standen am Samstagmorgen noch immer 30 Kilometer vor der ukrainischen Grenze in der Ortschaft Kamensk-Schachtinski, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Seit Donnerstag hat sich der Konvoi damit keinen Zentimeter weiterbewegt.
Die ukrainischen Grenzbeamten, welche die Ladung des Konvois inspizieren sollen und dafür bereits in Russland eintrafen, warteten nach eigenen Angaben noch auf Dokumente des Roten Kreuzes, das die Verteilung der Hilfen überwachen soll. Eine Sprecherin des Roten Kreuzes in der Grenzregion sagte, die Organisation warte auf grünes Licht beider Seiten. Am Morgen habe es ein Treffen zwischen Vertretern Russlands und der Ukraine gegeben, an dem das Rote Kreuz nicht teilgenommen habe.
Der vor Ort anwesende Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Paul Ricard, bestätigte das Treffen, machte aber keine Angaben zum Inhalt der Gespräche. Kiew fürchtet, dass Russland in dem Konvoi Waffen in die Separatistenhochburgen in der Ostukraine schmuggeln will und hatte daher auf eine Inspektion der Ladung bestanden. Die ukrainische Führung kontrolliert inzwischen das Gebiet bei Lugansk, durch das der Konvoi fahren muss.
Der Regierungschef der selbsternannten Volksrepubilk Donezk, Alexander Sachartschenko, warf der ukrainischen Führung vor, die Hilfe absichtlich hinauszuzögern. Die humanitäre Lage in Donezk sei schlimm, sagte der Separatistenführer. Die Hilfsgüter aus Russland würden dort so dringend gebraucht „wie die Luft zum Atmen“. Kiew hatte bereits selbst Hilfen in die Rebellenhochburgen geschickt.
„Extrem gefährlich und provokativ“
Derweil wirft der Westen Russland weiterhin Provokation vor. Die USA kritisierten eine „anhaltende Militärintervention“, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte Kremlchef Wladimir Putin zur Deeskalation. Entspannung soll ein ranghohes Außenministertreffen an diesem Sonntagabend in Berlin bringen.
Merkel rief Putin auf, dem Strom von Rüstungsgütern, Militärberatern und bewaffnetem Personal über die ukrainische Grenze ein Ende zu setzen. Eine Sprecherin des US-Sicherheitsrats kritisierte Moskaus Politik der vergangenen Wochen als „extrem gefährlich und provokativ“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier lud die Ressortchefs Russlands, der Ukraine und Frankreichs nach Berlin ein, um über Auswege aus dem Konflikt und humanitäre Hilfe für die Menschen im umkämpften Gebiet zu sprechen.
Die Regierung in Kiew und die Nato hatten Russland vorgeworfen, heimlich mit einem Militärkonvoi in das Kampfgebiet im Osten der Ukraine vorgedrungen zu sein. Moskau bestritt jede Grenzverletzung.
Das Russische Außenministerium verurteilte seinerseits Berichte über Panzerlieferungen aus Ungarn an die Ukraine. Dies sei ein Verstoß gegen Abkommen zum Waffenexport, teilte das Ministerium mit. Den Vorwürfen lag ein Bericht einer ungarischen Online-Zeitung zugrunde.
Vereinzelt Kämpfer aus dem Ausland
Vereinzelt kämpfen auch Ausländer aufseiten der prorussischen Aufständischen in der Ostukraine. Sie kommen offenbar überwiegend aus dem rechtsradikalen und nationalistischen Spektrum. Ins Kampfgebiet eingereist sind demnach zumeist einzelne Aktivisten oder kleine Gruppen, etwa aus Polen, Tschechien, Bulgarien, Lettland und Serbien.
Die Separatisten berichteten von erneuten schweren Kämpfen in der Ostukraine. Die Aufständischen brachten nach eigenen Angaben eine Versorgungslinie zwischen den belagerten Gebieten Donezk und Lugansk unter ihre Kontrolle. Die Regierungstruppen zogen derweil ihren Belagerungsring um die Stadt Gorlowka nordöstlich von Donezk enger, wie ein Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums sagte.
Die Situation der Menschen in den umkämpften Städten wurde nach Angaben der örtlichen Behörden immer dramatischer. Die mehr als 200.000 Einwohner von Lugansk sind seit zwei Wochen ohne Strom und Wasser. In Donezk seien mehr als 40.000 Einwohner ohne Strom, teilte der Stadtrat mit.
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