Krieg im Osten der DR Kongo: Tote im Vertriebenenlager
Tödlicher Beschuss am Rande der belagerten Stadt Goma verschärft den Konflikt zwischen der DR Kongo und Ruanda. M23-Rebellen rücken weiter vor.
In den gewaltigen Elendslagern um Mugunga am Kivu-See leben weit über 200.000 Menschen in selbstgebauten Zelten, dicht gedrängt. Sie sind in den vergangenen Jahren vor den Kämpfen zwischen Kongos Armee und den Rebelllen der M23 (Bewegung des 23. März) in den Bergen rund um Goma geflohen, um Sicherheit am Rande der Millionenstadt zu finden – und nun werden sie dort selbst Kriegsziel.
Die M23 hat in den vergangenen Jahren einen weiten Landstrich der kongolesischen Provinz Nord-Kivu entlang der Grenze zu Ruanda und Uganda erobert und die Millionenstadt Goma eingekesselt.
Am 1. Mai nahmen die Rebellen, die laut UN-Ermittlern von Ruanda unterstützt werden, auch den Ort Rubaya rund 50 Kilometer westlich von Goma ein. Dort in den Masisi-Bergen liegen Kongos größte Vorkommen des Minerals Coltan, eine wichtige Einkommensquelle für die Bevölkerung und weltweit in der Elektronikherstellung gefragt.
Gegenseitige Beschuldigungen
Mit den Toten von Mugunga eskaliert der Krieg jetzt noch weiter. Kongos Armee beschuldigte am Freitag direkt nach den Explosionen die M23, die Geschosse abgefeuert zu haben. Diese hat Verteidigungsstützpunkte rund um die großen Vertriebenenlager errichtet. Bereits zuvor haben sich immer wieder Geschosse, die nicht zielgenau abgefeuert wurden, in die Lager verirrt.
Die M23 wiederum beschuldigt Kongos Armee und die mit ihnen verbündeten „patriotischen“ Milizen (Wazalendo) und Söldner, die Lager zu bombardieren und dort schwere Artillerie aufgestellt zu haben. In einer Erklärung bieten sie sogar an, die Vertriebenen nach Hause in ihre Dörfer zu bringen, mit eigenen Fahrzeugen, die von Hilfswerken begleitet werden können. Mehrere Sammelpunkte dafür seien bereits eingerichtet worden. Im M23-Gebiet herrsche „totale Sicherheit“, erklärte die Rebellenbewegung.
Kongos Regierungssprecher Patrick Muyaya beschuldigte „die ruandische Armee und ihre M23-Terroristenunterstützer“, das Lager beschossen zu haben. Kongos Präsident Felix Tshisekedi befand sich in Paris auf einem Staatsbesuch, als der Angriff passierte. Laut einer Erklärung seiner Administration habe er daraufhin entschieden, vorzeitig nach Hause zu fliegen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte nach seinem Treffen mit Tshisekedi am Donnerstag in einer Presseerklärung Ruanda aufgefordert, seine Truppen aus der DR Kongo abzuziehen.
Und auch die US-Regierung verurteile „den Angriff der ruandischen Streitkräfte und M23-Stellungen auf das Vertriebenenlager Mugunga“, erklärte Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums.
Ruandas Regierungssprecherin Yolande Makolo kommentierte diese US-Erklärung auf als „lächerlich“ und „absurd“. Die ruandische Armee sei professionell ausgebildet und würde „niemals ein Vetriebenenlager angreifen“. Solche Übergriffe würden vielmehr die „gesetzlose“ Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) und die kongolesischen Wazalendo-Milizen begehen- beide kämpfen Seite an Seite mit Kongos Armee und begehen in Goma und den Lagern rundherum immer wieder Übergriffe auf die Bevölkerung.
Bintou Keita, Chefin der UN-Mission im Kongo (MONUSCO), verurteilte den Angriff und forderte Kongos Regierung auf, alle „notwendigen Maßnahmen“ zu treffen, die Verantwortlichen juristisch zu ahnden und den zivilen Charakter von Vertriebenenlagern zu gewährleisten. Dies wurde von M23-Sympathisanten als Hinweis darauf gelesen, dass die UN Kongos Armee für den Beschuss verantwortlich macht.
Ausweitung auf Süd-Kivu droht
Eine weitere Explosion ereignete sich am Samstag in der Kleinstadt Minova, rund 40 Kilometer südwestlich von Goma, am Ufer des Kivu-Sees. Sämtliche Nichtregierungsorganisationen, die dort aktiv sind, haben ihre Mitarbeiter evakuiert. Es wird befürchtet, dass die M23 in den kommenden Tagen in dieser Region in Richtung der Provinz Süd-Kivu vordringt. Minova wäre die erste Stadt entlang der Überlandstraße am Westufer des Sees, die die beiden Provinzen verbindet.
Der Flughafen Kavumu von Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu ist der Ausgangspunkt der Luftwaffen- und Drohneneinsätze von Kongos Armee. Bislang haben UN-Blauhelme die Landebahn bewacht, sie sind nun aber abgezogen. Die UN-Mission ist – auf Wunsch von Kongos Regierung – gerade dabei, aus der DR Kongo abzuziehen, und macht mit Süd-Kivu den Anfang. Zum 30. April haben die UN-Blauhelme dort offiziell ihre Mission beendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung