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Krieg im Nahen OstenWaffenruhe nicht in Sicht

Bei erneuten Luftangriffen auf Gaza wird eine Familie getötet, ein Angriff trifft außerdem die Bank der Hamas. Außenminister Westerwelle trifft am Dienstag beide Parteien.

Palästinenser vor einer zerstörtemn Bank in Gaza-Stadt. Bild: reuters

GAZA-STADT/MOSKAU rtr/dapd/dpa | In der Nacht zum Dienstag griffen israelische Flugzeuge erneut Ziele im Gazastreifen an, während aus dem Palästinensergebiet wieder Raketen auf Israel abgefeuert wurden. Nach Angaben der radikal-islamischen Hamas sind am Montag vier Mitglieder einer Familie getötet worden. In Beit Lahija seien vierjährige Zwillingsbrüder sowie deren Eltern bei der Bombardierung ihres Hauses gestorben, erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der Hamas in Gaza.

Nachbarn des beschossenen Hauses sagten der Nachrichtenagentur Reuters, die Opfer seien nicht Mitglieder militanter Organisationen gewesen. Israel lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht ab. Israelischen Medienberichten zufolge könnten bereits am Sonntag neun Mitglieder einer anderen Familie versehentlich getötet worden sein.

Nach palästinensischen Angaben griffen israelische Kampfflugzeuge in der Nacht zum Dienstag unter anderem das Gebäude einer Bank in Gaza-Stadt an, über die die in dem Palästinensergebiet herrschende radikalislamische Hamas ihre Gehaltszahlungen abwickelt. Mehrere Verletzte seien anschließend in Krankenhäuser gebracht worden, meldete die Nachrichtenagentur Maan. Auch ein Regierungsgebäude und das Haus eines Milizenführers seien angegriffen worden, hieß es. Angriffe wurden auch aus Chan Junis im Süden und Beit Hanun sowie Beit Lahia im Norden des Gazastreifens gemeldet.

Ban Ki Moon in Kairo

US-Präsident Barack Obama sprach am Montag am Telefon erneut mit dem ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi sowie mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über die Eskalation der Gewalt. Dabei habe er betont, dass der Raketenbeschuss Israels beendet werden müsse, teilte das Weiße Haus mit.

Zuvor war UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Kairo eingetroffen, wo die Konfliktparteien unter ägyptischer Vermittlung über die Bedingungen für eine Einstellung der gegenseitigen Angriffe verhandeln. Nach einem Treffen mit Ban zeigte sich der ägyptische Außenminister Mohamed Amr zuversichtlich, in den „kommenden Tagen“ Resultate vorweisen zu können.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle mahnte nach einem Treffen mit seinem israelischen Kollegen Avigdor Lieberman am Montagabend in Jerusalem ein baldiges Ende der gegenseitigen Angriffe an. „Entscheidend ist, dass wir nichts unversucht lassen, einen Waffenstillstand zu ermöglichen“, sagte er. Dabei sei besonders wichtig, mit Ägypten im Gespräch zu bleiben. „Es ist ganz wichtig, dass Ägypten eine konstruktive Rolle einnimmt.“ Am Dienstag wollte Westerwelle mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammentreffen.

Abbas' Berater Abdallah Frangi kritisierte die Haltung der Bundesregierung in dem Konflikt als „oberflächlich und einseitig“. Deutschland habe seine Chance verloren, zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln, sagte er der "Rheinischen Post" (Dienstag). Das gelte auch für Westerwelle. „Wenn man so einseitig pro-israelisch handelt, bleibt der Einfluss gering“, betonte Frangi.

Netanjahu versammelte am Montagabend seine engsten Minister um sich, um über den Fortgang der Militäroperation im Gazastreifen und eine mögliche Bodenoffensive zu beraten. Nach Angaben des israelischen Rundfunks sind bereits etwa 40000 Reservisten einberufen worden.

In New York kam der UN-Sicherheitsrat erneut zu Beratungen zusammen. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin warf Washington anschließend indirekt vor, eine Reaktion auf die Krise zum Schutze Israels zu blockieren. „Ein Mitglied des Sicherheitsrats - ich bin mir sicher, Sie können erraten, um welches es sich handelt - hat sehr offen angedeutet, dass es nicht bereit ist, irgendeine Reaktion des Sicherheitsrats mitzutragen“, sagte Tschurkin.

Auf die Frage, ob es sich dabei um die USA handele, sagte er: „Ich möchte Ihre Frage lieber nicht direkt beantworten. Aber ihre Vermutung basiert auf Expertenwissen über die Vorgänge im Sicherheitsrat in Hinblick auf dieses Thema.“

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3 Kommentare

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  • K
    Kalimbour

    Ich hab kurz in meine Kristallkugel geguckt: Nachdem 100 bis 200 Palästinenser in den Kampfhandlungen ums Leben gekommen sind, wird die Hamas (mittlerweile eine Aussenstelle des Herrn Mursi und des Emir des Katars) den Beschuss einstellen, Israel wird ein wenig die Grenzblockade auflockern, Israel wird von einer Bodenoffensive absehen. Warum? Weil es ein abgekartetes Spiel ist: Âgypten, die Türkei oder der rest der empörten muslimischen Welt wird in keinem Fall intervenieren, auch dann nicht wenn Israel den Gazastreifen dem Erdboden gleichmacht oder es wieder besetzt, denn die Ansagen kommen aus den USA, und Mursi und Erdo (nur als Beispiel) wollen einfach nur an der Macht bleiben! So wird dann in Kairo verhandelt, und am ende heisst es "die Hamas konnte Israel in die Schranken weisen"! So steht die Hamas gut da, und Bibi konnte seinem Volk zeigen wie kompromisslos brutal er vorgehen kann! Und das ist ein Bonus in Israel. Man möge sich nur zu Gemüte führen was der israelische Innenminister, oder der Aussenminister so von sich geben! Mursi und Co. bleiben im Sattel, und man wird sie als "Retter der Palästinenser" in Erinnerung halten! Also: Hamas stellt Feuer ein, Israel sieht von Bodenoffensive ab, und lockert die Blockade! Für Israel ändert sich de facto nichts!

  • L
    Lenny

    "Nach Angaben der radikal-islamischen Hamas"

     

    "die in dem Palästinensergebiet herrschende radikalislamische Hamas"

     

    Ihr seid anscheinend auch fleißig dabei neue adjektive zu erfinden. Naja, so lange es der Meinungsmache dient und uns das Feindbild genauer beschreiben lässt...

  • H
    Heppner

    Bitte im Sinne von Helmut Schmidt handeln, und

    sich als deutscher Europäer nicht einmischen.

    Da kann einfach nur als Blamage enden.

    Die Differenzen zwischen Arabern und Israelis

    sind derartig komplex, dass man als Nichtkenner

    nur dorthin reisen sollte, wenn man dringendst von

    beiden Seiten eingeklden wird.