piwik no script img

KrebsrisikoObst mit extra giftigen Pestiziden

Besonders gefährliche Mittel kommen in zusehends mehr Äpfeln und Birnen vor. Das ermöglichen Regeln, an denen die Chemie-Industrie mitgewirkt hat.

Nicht immer gesund: Obst Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Berlin taz | Immer mehr Obst ist mit Pestiziden belastet, die die Europäische Union wegen besonders gravierender Gesundheits- oder Umweltrisiken eigentlich verbieten will. Fanden sich 2011 noch in 17 Prozent aller EU-weit von den Behörden untersuchten Äpfeln als „Substitutionskandidaten“ eingestufte Ackergifte, waren es 2020 bereits 34 Prozent. Der Anteil der belasteten Birnen stieg von 26 auf 49 Prozent, der kontaminierter Pflaumen von 21 auf 29 Prozent. Das geht aus einer Analyse von Daten aus dem amtlichen, wegen seiner hohen Probenzahl als repräsentativ geltenden Mehrjahreskontrollprogramm der EU hervor. Veröffentlichen wollte sie das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) Europa an diesem Dienstag.

Zwar lägen nur 3 Prozent der Proben über den erlaubten Höchstwerten, schrieb eine PAN-Sprecherin der taz. Aber der Organisation zufolge sind viele der Substanzen verdächtig, das Hormonsystem zu schädigen. Für solche Stoffe könne kein sicherer Grenzwert definiert werden.

Derzeit sind laut EU-Kommission 53 Pestizid-Inhaltsstoffe zugelassen, die für Mensch und/oder Umwelt gefährlich sind und deshalb ersetzt werden sollen. Sie können den Behörden zufolge zum Beispiel Krebs verursachen oder Föten schädigen. Deshalb dürfen Mitgliedstaaten Pestizide mit solchen Stoffen gemäß einer EU-Verordnung nur zulassen, wenn weniger gefährliche chemische oder nicht chemische Alternativen fehlen.

Öko-Alternativen nicht geprüft

Doch nach PAN-Recherchen kommen die Behörden fast immer zu dem Schluss, dass es keinen geeigneten Ersatz gebe und das Pestizid mit dem riskanten Stoff erlaubt werden müsse. Denn eine Leitlinie der EU verlange eine automatische Zulassung, wenn nicht „ausreichend“ chemische Mittel zur Verfügung stehen – nicht chemische Alternativen würden dann gar nicht erst geprüft.

Für skandalös halten die UmweltschützerInnen das auch, weil die EU diese Regel ausdrücklich von der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum, EPPO, übernommen hat. In deren Arbeitsgemeinschaften ist die Chemie-Industrie laut PAN stark vertreten. Sie hätten keine Transparenzregeln wie die EU-Behörden. Die UmweltschützerInnen fordern, die Leitlinie zu ändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Esst mehr Obst und ihr bleibt gesund! 🤢

  • Laut statistischem Bundesamt ist die allgemeine Lebenserwartung in der BRD zwischen dem Erscheinungsjahr 1962 des von PAN zitierten Buches 'Silent Spring' und heute um gut 10 Jahre gestiegen. Dies lässt auf gute medizinische Versorgung und relative Vorzüglichkeit der Ernährung schliessen. Würden die Nahrungsmittel im Laufe der Jahrzehnte tatsächlich immer toxischer und cancerogener werden, müsste das in irgendeiner Form mit einer Abnahme der allgemeinen Lebenserwartung korrelieren.

  • Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel im Obstbau hat der Verbraucher selbst herbeigeführt. Wenn im Laden sich nur der Perfekte, ohne jeglichen Makel, Apfel ( oder jedes andere Obst ) verkaufen lässt, MUSS der Erzeuger diese Ware liefern. Wir haben selber Obstbäume, unsere Äpfel sind nicht perfekt, dafür halten einzelne Sorten ( bei richtiger Lagerung ) bis April/Mai. Nur würden solche Äpfel es nie in einen Laden schaffen.

  • Lebensmittel?

    Ich halte diesen Begriff mittlerweile nicht mehr für zutreffend.

    Der Anbau unserer Lebensmittel zerstört in erster Linie die Landschaft plus das Ökosystem.



    Der Transport (Flugmango o.Ä) weltweit verunstaltet unser Klima.



    Und dann ist der Verzehr auch noch für den Menschen ein Gesundheitsrisiko.

    Was wird nochmal bei der Lebensmittel Produktion am Leben erhalten?

    Hurra, allein nur die Wirtschaft wird am Leben erhalten;)

    Vielleicht wird ja bald das Geld in Form von Proteireichens Esspapier produziert.

    Bon Appetit



    Gruß Roberto

  • Und doch gibt es gewaltige Unterschiede zwischen konventionellem und Ökolandbau, sei es beim Einsatz von Ackergiften oder in Hinblick auf Bodenbearbeitung, Humusaufbau (Boden als CO2-Speicher) Artenvielfalt, Bodenleben...

  • Keine form von Landwirtschaft kommt ohne Gifte im Anbau ihrer Kulturen aus!

  • Statt veredelt und verkorkt doch "vergiftet" und verkorkst? Was ist mit den Produkten Apfelsaft und Ebbelwei? Nicht alles unterliegt der staatlichen Lebensmittelüberwachung.

  • Im Bio Anbau sind sogar Stoffe zugelassen die im konventionellen Anbau wegen Umweltschäden verboten sind wie Schwefelkalkbrühe.

  • Der Agrobusiness hat sich für besonders kranke Apfelsorten entschieden, die nur als regelrechte Gift-Junkies lebensfähig sind: Golden Delicious, Cox Orange,



    Jonathan, McIntosh.

    Sehen Sie diesen gut verständlichen Aufsatz des Apfelkundlers (Pomologen) H.-J. Bannier mit Fotos: "Moderne Apfelzüchtung: Genetische Verarmung und Tendenzen zur Inzucht" -> docplayer.org/4285...n-zur-inzucht.html

    "Bio" unterscheidet sich schon längst nicht mehr: dieselben Sorten, derselbe Plantagen-Anbau, dasselbe "Pflanzenschutz"-Zentralinstitut. "Bio" spritzt sogar noch etwas häufiger: 12 mal je Saison, d. h. fast jede Woche.

    • @Rosmarin:

      Wegen der wesentlich schlechteren Wirksamkeit muss im Bio Anbau sogar bis zu 3x häufiger gespitzt werden.

  • an apple a day ...

    wir sollten so ehrlich sein und offen aussprechen, daß die gesundheit von verbrauchern ein untergeordnetes interesse genießt.

  • Sind Bio-Produkte nicht, bzw wesentlich weniger betroffen?



    Konnte jetzt auf Anhieb nichts finden im Report.