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Kosten der EnergiekriseUmlage auch für profitable Konzerne

Auch Gas-Importeure, die nicht vor der Pleite stehen, kriegen etwas von der Gas-Umlage ab. Das kritisieren Verbraucherschutz und Sozialverbände.

Wirtschaftsminister Habeck zu Besuch bei einem Gasspeicher der EnBW-Tochter VNG Foto: Annegret Hilse/reuters

Berlin taz | Die neue Gasumlage wird offenbar auch von Erdgasimporteuren in Anspruch genommen, die gar nicht darauf angewiesen sind. Von den zwölf Firmen, die mit geschätzt 34 Milliarden Euro durch die Umlage unterstützt werden sollen, hätten nur „die wenigsten staatliche Hilfe nötig“, berichtete das Handelsblatt am Freitag.

Ursprünglich ist die Umlage als Instrument zur Vermeidung von Insolvenzen angelegt – speziell um den Gasimporteur Uniper zu retten, der derzeit gezwungen ist, wegen gedrosselter russischer Lieferungen teure Alternativen einzukaufen. Bei anderen Importeuren zeigen sich allerdings erhebliche Mitnahmeeffekte, weil sie von den aktuellen Rekordpreisen beim Verkauf von Strom, Öl oder Gas profitieren.

Namentlich genannt wird zum Beispiel die EnBW-Tochter VNG. EnBW-Chef Frank Mastiaux bezeichnete gegenüber der Zeitung das Risiko für die Firma als „nicht klein, aber auch nicht existenziell“. Der Energiekonzern RWE hatte bereits mitgeteilt, er wolle die Umlage nicht nutzen.

Die Politik stecke in einem Dilemma, sagt Stefan Lechtenböhmer, Energiewirtschaftsexperte am Wuppertal Institut: „Im Rückblick betrachtet wäre eine Klausel, wonach nur Firmen unterstützt werden, die durch den Wegfall des russischen Gases in eine existenzgefährdende Lage geraten sind, natürlich sinnvoll gewesen.“ Aber es sei schwer, eine solche Abgrenzung rechtssicher vorzunehmen.

Verbraucherschützerin fordert Aufschub

Als einen „handwerklich schlecht gemachten Schnellschuss“ hatte Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband die Umlage bereits bezeichnet. Sie forderte, die Einführung müsse um einen Monat auf den 1. November verschoben werden, um offene Fragen zu klären.

Jenen Unternehmen, die „trotz sprudelnder Gewinne von der Umlage profitieren wollen“, müsse der Gesetzgeber diese verweigern. Zur Frage, nach welchen Kriterien die Umlage aus ihrer Sicht ausgezahlt werden solle – ob nur an Firmen, die ansonsten vor der Insolvenz stehen, oder auch an solche, die vorübergehend und nicht existenzgefährdend in die Verlustzone geraten –, war Pop am Freitag nicht erreichbar.

Die Umlage von zunächst rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde wird ab Oktober fällig und soll bis Ende März 2024 gelten. Damit können Gasversorger Kosten an ihre Kunden weitergeben, die ihnen entstehen, weil sie ausbleibende Lieferungen aus Russland mit teurerem Gas ersetzen müssen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Donnerstag angekündigt, die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch von 19 auf 7 Prozent zu senken – und damit auf die Ablehnung der deutschen Bitte bei der EU reagiert, auf die Gas­umlage keine Mehrwertsteuer erheben zu müssen.

Von der Umlage sind auch Kunden betroffen, die über das Gasnetz Biomethan, also aufbereitetes Biogas, beziehen. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Solche Tarife werden heute von einigen Gasversorgern angeboten, wobei die Belieferung nur bilanziell geschieht – ähnlich, wie bei Stromkunden, wenn diese Ökostrom beziehen.

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13 Kommentare

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  • Solange die Energiepreise an den Börsen gehandelt werden und dort der Spekulation mit dem Deckmäntelchen Angebot/Nachfrage ausgesetzt sind, werden die Preise weiter explodieren.



    Das ist nicht nur sozial schädlich, sondern auch wirtschaftlich fahrlässig, weil nicht nur die Produkte teurer werden, sondern dazu noch sinnlos privates Geld der Bürger gebunden wird, ohne das damit eine Modernsierung von Energiewirtschaft und Industrie verbunden wird.



    So erhält man zuallererst den klimakillenden Status Quo, bei gleichzeitig verarmender Bevölkerung.



    Die von der FDP geforderten Millionen Einwanderer (aka billige Drecksjob-Erlediger) werden noch zusätzlich als ernergiepolitischer Brandbeschleuniger wirken, das sind schlie0lich neue Gas- und Stromverbraucher.

  • Noch schlimmer, die Gasversorger legen die Höhe der Umlage selbst fest. Die Höhe der Umlage bestimmt der Trading Hub Europe:



    www.tradinghub.eu/...ait-Gesellschafter



    und nicht das Wirtschaftsministerium, das nicht mal kontrolliert. Ein klares Politikversagen, wenn der Nutznieser die Gebühren selbst bestimmt. Ein weiteres klares Versagen von Herrn Habeck, der sonst so gerne "kommuniziert", aber zu der Frage, wer denn die Umlagenhöhe bestimmt, bisher sehr zurückhaltend war. Bisher waren erstaunlich viele Gesetze aus dem Wirtschaftministerium so schlecht, dass Tage später teure Korrekturmaßnahmen nötig waren.

  • Tja, wenn die systemrelevanten mit Ihrem Ableben drohen, wird die Regierung weich und macht Zugeständnisse, damit die Dividende wieder stimmt. Lobbying spült eben immer Geld in die Firmenkasse, egal welche politische Farbe regiert.



    Daher kann es nur ein energiepolitisches Ziel geben - macht Euch unabhängig von den Konzernen.



    Die Sonne, das Wasser und der Wind schicken keine Rechnung - die Konzerne und unsere Regierung dagegen gerne.



    Gründet Energie-Genossenschaften damit werdet Ihr unabhängig.



    Investiert gemeinsam in regenerative Energietechnik.

    • @Sonnenhaus:

      Wenn das so einfach wäre …



      Wir haben es bei uns im Dorf versucht – ein Nahwärmenetz nach dänischem Vorbild, mit Freiflächen-Solarthermie, Hackschnitzeln und Energiegenossenschaft … Das volle Programm. Wir hatten auch genügend Interessenten im Dorf.



      Aber wir sind an diskriminierenden Gesetzen und fehlender Unterstützung durch das Bundesland (damals war Habeck hier Minister!!!) gescheitert.



      Der Arm der fossilen Lobby ist lang und reicht bis tief in die Gesetzgebung und allemal bis hin zum angeblich klimabewußten Minister.



      Damals riet man uns übrigens zum Einsatz von Erdgas für unser Nahwärmenetz – weil es keine ausreichende Förderung für Freiflächen-Solarthermie gab.



      Soviel zum Thema Wärmewende in Schleswig-Holstein …

  • … „handwerklich schlecht gemachten Schnellschuss“…

    Das komplette Regierungshandeln der Ampel besteht größtenteils aus handwerklich schlechter, neoliberaler Politik.



    Der Komplex Energiepolitik - Krieg gegen Russland - Klimakrise - Rezession/Inflation ist durch die gemachten Fehler allerdings so groß geworden, der er das Potential hat, Deutschland wirtschaftlich und gesellschaftlich schwer zu beschädigen.



    Sicherlich kann man Putin für Vieles verantwortlich machen.



    Aber die Totalität der Selbstzerstörung durch eine ethisch getriebene Poliitik wird selbst Putin überrascht (und gefreut) haben.

  • Also: lasst mich zusammenfassen. Die Umlage kam, weil sich Uniper verzockt hat. Sie wird letztlich über die Senkung der Umsatzsteuer finanziert. Sie wird an Unternehmen ausgeschüttet, auch an die, die keine Schwierigkeiten haben.

    Wenn ein Mensch auf Hartz IV ist, dann werden seine Bezüge gekürzt, weil es gerade billige Bahntickets gibt.

    Das fliegt uns alles mittelfristig um die Ohren.

  • Übergewinnsteuer geht nicht, aber übermäßig Geld auszahlen geht? Na, wenn das nicht eine Steilvorlage ist, was dann? Wer bietet der AFD eine bessere Wahlhilfe?

    • @nutzer:

      Lindner hat sich da schon kräftig ins Zeug geschmissen Ich möchte aber bei der Fachkräftedichte in unserer Regierung nicht bezweifeln, dass da noch was kommt.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @Laughin Man:

        Sie sprechen von Juristen?

    • @nutzer:

      Der heilige Markt lässt halt nur in eine Richtung Eingriffe zu, und dort permanent und in jedwedem Bereich. Und ein zu Ungunsten der Bevölkerung marktradikaleres Trio als Scholz/Habeck/Lindner hat die Republik noch nie gesehen. Dagegen waren Kohl und Schröder noch astreine Kommunisten...

      • @darthkai:

        ja, es ist schon beachtlich, welche Maßnahmen unter SPD und Grünen (und das schon bei Schröder) durchgebracht wurden. Dinge die unter Kohl noch undenkbar waren. Viele Tabus wurden unter Rot/Grün gebrochen, unter dem Mantel des Fortschritts, anscheinend kapiert bei SPD und Grünen keiner was ihre (ich gehe absichtlich vom Positiven aus) gutgemeinten Beschlüsse bewirken können.



        In meinen Augen liegts an der mangelnden Kompetenz in der Wirtschaftspolitik bei SPD und vor allem den Grünen. Zu uncool, zu FDP. Das hat leider zur Folge, dass man bei mangelndem Sachverstand, umso leichter über den Tisch gezogen wird, wenn man die falschen Berater, die mit dem vermeintlichen Sachverstand hat.



        Wie das unter Schröder ablief, lässt sich bei Flassbeck nachlesen.

  • Müssen wohl erst Barrikaden auf den Straßen brennen. Unglaublich.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Andreas J:

      Ist das denn erlaubt?