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Korruptionsaffäre in ÖsterreichKurz klammert sich an die Macht

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Im Skandal um Medienkorruption und manipulierte Umfragen weist Österreichs Bundeskanzler jede Verantwortung von sich. Glaubwürdig ist das nicht.

Von seiner Unschuld überzeugt: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Foto: Herbert Neubauer/APA/dpa

In keiner SMS gibt es von mir einen Auftrag oder ein Ersuchen, etwas zu tun.“ Das sagte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz am Mittwoch im TV-Interview. Er bestreitet damit die Vorwürfe der Medienkorruption gegen seine ÖVP nicht in der Sache. Man müsse sich an die verantwortlichen Personen, die sich durch entlarvende Chats selbst belastet haben, wenden. Nur er selbst sei frei von jeder Schuld. An Rücktritt denkt der der Anstiftung zur Bestechung Verdächtige nicht.

Nur Naivlinge oder bedingungslose Verehrer des Kanzlers können daran glauben, dass ein Kontrollfreak wie Kurz von den Machenschaften seiner engsten Mitarbeiter nichts gewusst habe. Auch für die ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist offensichtlich, dass eine mutmaßlich kriminelle Verschwörung mit dem Ziel, Kurz zum Parteichef und Kanzler zu machen, kaum ohne dessen Mitwirkung passiert sein kann. Es ist nur eine Beweisfrage.

Selbst hartgesottene Korruptionsexperten wie der ehemalige Rechnungshofspräsident Franz Fiedler hätten „nicht zu träumen gewagt“, dass eine Gruppe innerhalb einer Partei eine Verschwörung anzettelt und mit Steuerzahlergeld gefälschte Umfragen in der Presse drücken lässt. Er glaubt nicht, dass Kurz zu halten ist. Erst wenn ein Minister zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt ist, muss er zurücktreten. Das gilt auch für den Kanzler.

Außer dem Bundespräsidenten und den eigenen Parteigranden kann niemand Kurz zur Aufgabe zwingen, solange die Koalition hält. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass er auch aus Neuwahlen wieder als Sieger hervorgehen würde. Doch er riskiert damit eine Spaltung der Gesellschaft. Ähnlich wie in den USA, wo eine große Anzahl Konservativer Donald Trump unverbrüchlich die Treue hält, ist in Österreich die Fangemeinde von Sebastian Kurz durch Fakten nicht von ihrem Glauben abzubringen.

Der Kanzler würde dem Land und wohl auch seiner Partei einen Gefallen erweisen, wenn er sich zumindest bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe zurückziehen würde. Aber so tickt ­Sebastian Kurz nicht.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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21 Kommentare

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  • Korruption gehört doch in Österreich zur Folklore. Darauf konnte sich Kurz noch immer verlassen.

    • @Rainer B.:

      Sie müssen die Tabelle schon drehen, damit Österreich beim Korruptionsindex unten erscheint und Venezuela oben. de.wikipedia.org/w...ngsindex#Rangliste

      So wie Sie es darstellen, ist das ein Fake

      • @Rudolf Fissner:

        Die Tabelle spiegelt den sogenannten Korruptionswahrnehmungsindex. Korruption, die man bislang gar nicht wahrgenommen hat, ist da auch nicht eingeflossen. Im übrigen halte ich Vergleiche von Venezuela mit Österreich für wenig sinnvoll.

  • Besteht für die Grünen denn wirklich eine Perspektive, mit Kurz weiter zu regieren? Machterhalt um jeden Preis kann schnell im Desaster enden.

    • @Rinaldo:

      Es kommt auf die Alternative an. Im Artikel wird ja angedeutet, dass bei einer Neuwahl die ÖVP als Sieger hervorgehen könnte. Je nachdem, wie groß der Sieg wäre, beendet sich die Ermittlung. Das scheint mir keine gute Möglichkeit.

      Also wäre eine andere Regierung im jetzigen Parlament eine Möglichkeit. Das geht aber nur mit SPÖ, FPÖ und NEOS. Oder man nimmt statt den NEOS die fraktionslose Philippa Strache hinzu. Auch das hört sich nicht wirklich toll an.

      Insofern geht es im Moment nicht um Machterhalt um jeden Preis, sondern um ein ausloten der Möglichkeiten.

  • Erschreckend verlogen in so jungen Jahren. Es ist sehr zu hoffen, dass die SPÖ endlich von ihren verqueren Machenschaften loskommt und damit Kurz und Konsorten überflüssig werden.

  • Man 8st so lange unschuldig bis seine Schuld bewiesen ist

    Komischerweise gilt das in der Presse sehr oft nicht, dawerden schon vorher Konsequenzen gefordert

    • @Gretchen Müller:

      Das ist die juristische Perspektive (auch wichtig). Aber im politischen Raum sind schon Menschen wegen deutlich geringerer Vorwürfe zurückgetreten. Und darum geht es hier.

      • @bicyclerepairman:

        Sie meinen es sind schon viele Politiker wegen unbewiesener Behauptung und Diffamierungen über die Klinge gesprungen und deshalb ist das auch ok so?

  • Herr, erlöse uns vom Hl. Sebastian. Amen

    • @Together_First:

      Herr: Nee, mach ich nicht, ihr habt Strafe verdient!!

  • Nun endlich gehen die Alpen-Grünen auf Distanz zu Kurz und seiner ÖVP und nötigen ihre Parteioberen, dies ebenfalls zu tun, nachdem Kogler als grüner Vizekanzler zuvor noch seinem konservativen Koalitionspartner unverbrüchliche Treue geschworen hatte … offenbar befürchten sie, mit in den Abgrund gerissen zu werden.



    Ich bin nicht sicher, ob der österreichische Kanzler im Nationalrat überhaupt noch eine Mehrheit hinter sich hätte, sollte es zu einem Misstrauensvotum kommen … womöglich steht dort über kurz oder lang eine alpenländische Version der Ampel zur Diskussion.



    Vor allem die deutschen Grünen sollten jetzt genau nach Wien schauen … das hätten sie übrigens schon tun sollen, als in ihren Reihen noch über Schwarz/Grün als Option schwadroniert wurde.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Abdurchdiemitte:

      Vorverurteilung ...natürlich

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Abdurchdiemitte:

      "ist in Österreich die Fangemeinde von Sebastian Kurz durch Fakten nicht von ihrem Glauben abzubringen."



      Vorallem nicht wen der Ex-Grüne Bundespräsident van der Bellen ,vor Verurteilung warnt.



      Liest der Mann keine Zeitungen?



      Die Situation der österreichischen Grünen sollten sich die deutschen Grünen sehr gut ansehen.

    • @Abdurchdiemitte:

      Man sollte mal die Kirche im Dorf lassen! Der Mann hat als Kanzler sehr gute Arbeit geleistet. Ob eine Übergangsregierung bestehend aus Linken und Rechten es besser macht, sollte man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen.



      Wenn der Wähler in Österreich bei der nächsten Wahl ihn wieder wählt, geht alles seinen gewohnten Gang.

      • @Pilatus333:

        Als Kanzler "gute Arbeit" machen, rechtfertigt natürlich alles.

      • @Pilatus333:

        Hat Trump auch Ihre "ordentliche Politik" gemacht?

        • @Rinaldo:

          Für seine Anhänger und den Millionen Wähler schon

          • @Pilatus333:

            Und, sind Sie auch ein*e Trump-Anhänger*in?

            • @Uranus:

              Das Problem liegt eher an dem Parteinsystem in den USA. Eine Stimme bei den Demokraten mit dem linken Flügel, würde ich aber definitiv ausschließen!

              • @Pilatus333:

                Verstehe ich Sie richtig: Weil Sie Demokraten mit dem linken Flügel ausschließen, würden Sie Trump-dominierte Republikaner*innen wählen/bevorzugen?