Kontrollen an deutschen Außengrenzen: Scharfer Protest aus Athen
Griechenlands Premier macht ordentlich Druck gegen die verschärfte Asylpolitik Deutschlands. Mitsotakis fordert zudem mehr Geld von der EU.
Wie der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis am späten Mittwochnachmittag nach Gesprächen in Wien mit seinem österreichischen Amtskollegen Karl Nehammer erklärte, sei „es nicht möglich, dass die erbärmlichen Menschenhändler bestimmen, wer in die Europäische Union einreist“. Dies sei vielmehr eine Entscheidung, die von den europäischen Mitgliedsstaaten selbst getroffen werden müsse, so Mitsotakis.
„Deshalb ist ein wirksamer Grenzschutz eine Priorität, nicht nur für die Staaten an der Front, sondern auch für die Staaten in der geografischen Mitte Europas“, fügte er hinzu.
Mitsotakis forderte die Bereitstellung von EU-Geldern für den Ausbau des Grenzzauns an der insgesamt rund 200 Kilometer langen griechischen Festlandsgrenze zur Türkei. „Griechenland baut eine abschreckende Barriere an seiner Grenze zur Türkei. Es ist sinnvoll, dass sie mit europäischen Mitteln finanziert wird. In jedem Fall werden wir sie entweder mit europäischen oder mit nationalen Mitteln bauen. Aber es ist nur fair, dass die Last des Grenzschutzes gerecht verteilt wird“, sagte Mitsotakis.
Europa soll Aufnahmezentren weiter finanzieren
Er betonte zudem, dass die Einrichtung und der Betrieb von Aufnahmezentren für Flüchtlinge und Migranten auf den griechischen Inseln „ein aufwändiger und kostspieliger Prozess“ sei. Es sei vernünftig, dass Europa wie gehabt diesen Prozess finanziere. Dafür sei jedoch mehr Geld nötig. „Die finanziellen Mittel, die im aktuellen mehrjährigen EU-Finanzrahmen dafür zur Verfügung stehen, reichen sicher nicht aus, um diese Mission durchführen zu können.“
Scharfe Kritik übte Mitsotakis an den von der deutschen Ampelkoalition angekündigten Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen ab dem 16. September. „Ich halte den Übergang zu einer Logik der Ad-hoc-Ausnahmen von Schengen für nicht richtig, mit Grenzkontrollen, die vielleicht doch keine Freizügigkeit der Bürger ermöglichen und eine der grundlegenden Errungenschaften der Europäischen Union beschädigen“, sagte Mitsotakis.
Zwar habe die EU „neben dem aktiven Schutz der Grenzen“ in Sachen „effektive Rückführung“ von Migranten, die keinen Anspruch auf Asyl haben, „viel mehr zu tun“. Mit Blick auf die von der Ampelkoalition angepeilte umfassende Ausweitung der Zurückweisungen von Flüchtlingen und Migranten und einen damit voraussichtlich einhergehenden erhöhten Druck auf Griechenland erklärte der griechische Regierungschef:
„Was ein Land wie Griechenland aber sicherlich nicht akzeptieren kann, ist, dass es allein aufgrund seiner geografischen Besonderheit, aufgrund der Tatsache, dass es an den Außengrenzen der Europäischen Union liegt, eine unverhältnismäßige Last tragen soll.“
Eindeutiger Appell an Deutschland
Es sei „die Realität, dass es Länder in Europa gibt, die eine sehr starke Anziehungskraft haben und nicht nur illegale Einwanderer anziehen, sondern auch Flüchtlinge, die in einem europäischen Land einen Flüchtlingsstatus haben und in ein anderes europäisches Land ziehen, worauf sie ein legales Recht haben, um dort Asyl zu beantragen“.
Dies sei etwas, „worüber sich Deutschland selbst Gedanken machen sollte“. „Es ist sicherlich nicht unsere Aufgabe, Deutschland, das auch verfassungsmäßige Beschränkungen hat, zu sagen, wie es seinen Sozialstaat organisieren soll. Keiner kann erwarten, dass Griechenland, das erst vor einigen Jahren eine beispiellose Krise überwunden hat, einen günstigeren Sozialschutzrahmen für Flüchtlinge haben soll als für griechische Bürger“, sagte Mitsotakis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“