Kontakte deutscher Unis mit Iran: Kooperation mit Kaderschmiede
Deutsche Universitäten pflegen Kontakte zu einer Uni in Iran. Die hat enge Verbindungen zur Revolutionsgarde – und zur Terrororganisation Hisbollah.
Die Revolutionsgarden (IRGC) sind die zentrale Macht in der Islamischen Republik Iran. Um Terror und ihre Ideologie zu verbreiten, knüpfen sie auch im Ausland Verbindungen – sogar zu deutschen Universitäten, wie ein neu erschienener Bericht zeigt.
„Wenn wir über die IRGC sprechen, liegt das Hauptaugenmerk auf ihrer ‚hard power‘, aber ihre Instrumente der ‚soft power‘ sind genauso wichtig, da sie die ‚hard power‘-Operationen der IRGC erleichtern“, erklärt der Iran-Experte Kasra Aarabi. Mit „hard power“ meint Aarabi beispielsweise die Waffen- und Raketensysteme der IRGC oder terroristische Operationen. Genauso wichtig scheint dem Experten aber auch das zu sein, was er unter ‚soft power‘ versteht. Dazu gehört zum Beispiel die Unterwanderung westlicher Institutionen.
Aarabi leitet die IRGC-Forschungsabteilung des non-profit US-Watchdogs „United Against Nuclear Iran“ (UANI). UANI wurde 2008 gegründet und beobachtet die Aktivitäten des iranischen Regimes. Geleitet wird UANI von Mark Wallace, einem ehemaligen US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, sowie Joe Lieberman, einem ehemaligen US-Senator. Kasra Aarabi und sein Team haben detailliert untersucht, wie die Revolutionsgarden unter dem Deckmantel des „interreligiösen“ Austauschs in den letzten Jahren Verbindungen zu deutschen Universitäten geknüpft haben.
Die taz konnte die Recherche vorab einsehen und hat die Belege überprüft.
Iranische Uni sorgt für weltweiten Einfluss des IRGC
Der hauptsächliche Player für diese Einflussnahme der Revolutionsgarden: Die University of Religions and Denominations (URD) in der Großstadt Qom, etwa 150 Kilometer südwestlich von Teheran. Laut Selbstdarstellung ist die URD auf die Lehre und Erforschung der Weltreligionen ausgerichtet. Auf ihrer Webseite wirbt die Uni mit ihren internationalen Kontakten.
Zahlreiche namhafte deutsche Universitäten hatten in den letzten Jahren Kontakte zu dieser Universität in Iran, die Gewaltakte gegen Israel öffentlich begrüßt, die von Führungspersonen der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC) geleitet wird und bei denen Verbindungen zur libanesischen Terrororganisation Hisbollah bestehen. Studienfahrten, Gastvorträge, gemeinsame Projekte, Austauschprogramme oder institutionelle Kooperationen bestanden unter anderem mit der Universität Paderborn, der Universität Münster, der Universität Potsdam, der Freien Universität Berlin sowie der Goethe-Universität in Frankfurt.
Interreligiöser und interkultureller Austausch ist wichtig – besonders zu Institutionen in Staaten, mit denen es ansonsten wenig Kontakte gibt. Er kann dazu dienen, das jeweils andere Land besser zu verstehen. Im Iran ist allerdings das Problem: Die Revolutionsgarden mischen in praktisch allen Institutionen mit – mal mehr und mal weniger.
Bei der URD ist es allerdings mehr als das: Die Revolutionsgarden sind in der Leitung der Uni vertreten. Zum Beispiel in Gestalt des Präsidenten der Universität, Seyed Abdolhassan Navab. Der islamische Gelehrte wirbt in seinem Lebenslauf damit, unter anderem stellvertretender Minister für internationale Angelegenheiten der Islamischen Propagandaorganisation gewesen zu sein. Mindestens zehn Jahre lang war Navab in Führungspositionen für die islamistischen Revolutionsgarden tätig, darunter allein vier Jahre als Leiter der IRGC-Fakultät für Politische Ideologie.
Laut Tony Blair Institute for Global Change beaufsichtigt diese Organisation die Indoktrination von IRGC-Mitgliedern und ihren Familien in eine gewalttätige, islamistische Ideologie. In den IPO-Lehrbüchern der IRGC, die zur Radikalisierung der IRGC-Mitglieder verwendet werden, würden die Rekruten offen dazu aufgerufen, Juden, Christen und Zoroastrier im bewaffneten Dschihad zu töten, weil sie „keinen akzeptablen Glauben haben“.
Auch andere Personen in der Uni-Leitung in Qom haben entsprechende Kontakte. Seit 2021 sitzt etwa Seyyed Mohammad Taqi Shahcheraghi im Vorstand der Uni, ein Kommandeur der Revolutionsgarde und Gouverneur der Provinz Qom.
Experte hält Uni für Arm der Revolutionsgarde
„Die URD agiert de facto als ein Arm des IRGC“, erklärt der Experte Kasra Aarabi. „Wir wissen, dass die IRGC die Zusammenarbeit mit Universitäten nutzt, um verdeckte Operationen durchzuführen und ausländische Staatsangehörige für ihre Ziele zu rekrutieren und zu radikalisieren, einschließlich der Ziele der Hard Power.“
Kasra Aarabi zufolge nutzen die Revolutionsgarden Einrichtungen wie die URD, um drei Ziele zu erreichen: Erstens, um ausländische Personen zu identifizieren, die ihre Ideologie in anderen Ländern verbreiten können. Aarabi bezeichnet diese Personen als „nützliche Idioten“. Zweitens sollen ausländische Staatsangehörige für Zellen rekrutiert und radikalisiert werden, die weltweit Operationen der IRGC, einschließlich Spionage, durchführen. Drittens, so Aarabi, können die Revolutionsgarden Partnerschaften mit europäischen Universitäten ausnutzen, um ihre eigenen Agenten unter der Tarnung als „Akademiker“ nach Deutschland zu schicken.
Aarabi bezeichnet solche Verbindungen insgesamt als ein „nationales Sicherheitsrisiko“. „Die Tatsache, dass die URD, die in hohem Maße mit dem IRGC und der Hisbollah verbunden ist, Partnerschaften mit deutschen Universitäten unterhält, ist äußerst beunruhigend. Die Möglichkeit, dass der IRGC die URD für verdeckte Operationen in Deutschland nutzt, ist ernst zu nehmen.“
Eine der Truppen der Revolutionsgarden, die auf Einsätze im Ausland ausgerichtet ist und auch geheimdienstlich agiert, ist die Quds Force. Die militärische Spezialeinheit ist für das weltweite Terrornetzwerk Irans zuständig – damit auch für die Kontakte zur Hamas im Gazastreifen sowie zur Hisbollah im Libanon.
Besuch von Führern der Quds-Force und der Hisbollah
Laut Aarabi habe ein hochrangiger Kommandeur der IRGC-Quds-Truppen, Mohammad Reza Naghdi, die URD in offizieller Funktion besucht und unterhalte seit Langem Beziehungen zum Präsidenten der URD. Naghdi habe in der Vergangenheit offen erklärt, dass die IRGC weltweit Terrorzellen geschaffen hat, die aktiviert werden könnten.
Dass Uni-Präsident Navab ein enges Verhältnis zu den Quds-Truppen zu haben scheint, kann man ganz offen auf der Webseite der Uni lesen. Im Januar 2020 gratulierte er dem neuen Kommandeur der Quds-Einheit zu seiner Ernennung. „Ich wünsche Ihnen und der glorreichen Al-Quds-Truppe viel Erfolg beim Dienst an den Unterdrückten der Welt gegen die Kräfte der globalen Arroganz und der zionistischen Besatzer“, heißt es in einer Mitteilung.
2018 war Sheikh Naim Qassem zu Besuch an der Universität, der stellvertretende Generalsekretär der libanesischen Terrororganisation Hisbollah. Auch andere Vorstandsmitglieder der Universität haben Verbindungen zur Hisbollah, etwa zu deren Anführer Hasan Nasrallah.
In einer weiteren offiziellen Mitteilung der Universität heißt es im Mai 2022 mit Grüßen an die palästinensischen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad: „Gegen die Zionisten gibt es keine andere Möglichkeit als bewaffneten Widerstand.“
Zahlreiche deutsche Unis pflegen Kontakte zur URD
All das hielt deutsche WissenschaftlerInnen und Universitätsrektoren jedoch seit Jahren nicht davon ab, freundschaftliche Verbindungen zur Universität in Qom und ihrem Präsidenten Navab zu pflegen. Ein Bild aus dem Jahr 2012 zeigt etwa den damaligen Rektor der Universität Paderborn, wie er mit URD-Präsidenten Navab einen Kooperationsvertrag unterschreibt.
Laut der Webseite der Uni Paderborn besteht die Möglichkeit eines Austausches mit der „Partnerhochschule“ in Qom bis heute, auf Ebene des Studiengangs Theologie – so war es bis Redaktionsschluss zu lesen. Aktuell wirbt die iranische URD auf ihrer Startseite für ein Symposium über den islamischen Dichter und Philosophen Muhammad Iqbal, das im Februar 2024 stattfinden soll. Organisiert wird das Symposium demnach unter anderem von einer Wissenschaftlerin aus dem Bereich der „Islamischen Systematischen Theologie“ der Universität Paderborn.
Ein Sprecher der Universität Paderborn erklärte der taz, es habe von 2012 bis 2021 eine institutionelle Kooperation mit der URD bestanden. „Die Zielsetzung war ein vertiefter Austausch zwischen Christentum und Islam, um dadurch ein besseres wechselseitiges theologisches Verständnis zu entwickeln.“ Der Vertrag sei nicht erneuert worden, aktuell bestehe kein Kooperationsvertrag. Die Webseite der Uni Paderborn, die die URD noch als “Partneruniversität“ ausweist, müsse aktualisiert werden. Die Wissenschaftlerin, die das Symposium der URD in Iran mitorganisiert, sei Postdoktorandin an der Universität Paderborn. Ihr Engagement für das Symposium sei “nicht Teil eines Dienstauftrags“ durch die Universität Paderborn.
Projekte finanziert durch DAAD, DFG und Auswärtiges Amt
Auch andere Universitäten und Wissenschaftler*innen pflegen den Austausch.
So kam es laut URD-Webseite 2018 zu einem Gastvortrag eines Professors der Uni Freiburg. Der mittlerweile verstorbene Philologe sprach damals in Qom über den Missbrauch der Religion als Quelle von Konflikten. Den regimetreuen iranischen Wissenschaftler*innen dürfte sein Vortrag gefallen haben: Der Professor aus Freiburg relativiert darin den Holocaust, indem er erklärt, die Juden in Israel würden das gleiche machen wie die Nazis in Deutschland: „Nach dem Zweiten Weltkrieg passten sie das Modell ihrer rassistischen Mörder an ihre Notlage an und wurden zum genauen Spiegelbild der Nazis.“
Eine Sprecherin der Universität Freiburg erklärte dazu: Man verurteile jegliche Relativierung des Holocaust und damit auch die zitierte Aussage “aufs Schärfste“. Es habe keine Kooperation mit der iranischen Universität bestanden.
Die Universität Potsdam bestätigt, mit der iranischen Universität zusammengearbeitet zu haben. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hatte einen Austausch finanziert. Ein Sprecher der Uni erklärte gegenüber der taz, dass die Kooperation vor fünf Jahren beendet wurde.
Zur Zusammenarbeit mit der FU Berlin erfährt man auf der Webseite der iranischen URD, es bestünden seit Jahren enge wissenschaftliche Kooperationen. 2018 sei eine Delegation aus Qom in Berlin gewesen, 2023 habe ein Philologie-Professor der FU eine Rede auf einer Tagung in Qom gehalten. Laut Webseite der FU Berlin war im Jahr 2017 der iranische Universitätsleiter und Revolutionsgardist Navab sogar persönlich an der FU Berlin, für einen “wissenschaftlichen Austausch“. Auf Nachfrage erklärte die Pressestelle: Professor Navab habe an der Veranstaltung in 2017 nicht teilgenommen habe. Es bestünde keine formale Kooperation, sondern es handle sich um individuelle Kontakte eines FU-Professores zu Fachkollegen an der URD.
Auch das Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster arbeitete von 2014 bis 2016 mit einem Wissenschaftler der URD in Qom in einem Projekt zusammen, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). So erklärt es der Rektor der Uni Münster in einem Brief an den US-Thinktank “UINA“, der der taz vorliegt. Die Universität Münster stehe weiterhin für den internationalen Dialog in den Wissenschaften. Aber: “Diese Dialogbereitschaft gilt jedoch nicht für solche Wissenschaftler und solche Einrichtungen die sich eindeutig kompromittiert haben, terroristische Aktivitäten oder terroristische Organisationen unterstützen“, schreibt der Rektor.
Ein Sprecher der Uni erklärte der taz: “Es gab und gibt keine Kooperation der Universität Münster mit der iranischen Universität der Religionen und Konfessionen in Qom.“
Von 2012 bis 2015 bestand bei der Goethe-Universität in Frankfurt im Fachbereich “Evangelische Theologie“ eine Kooperation mit der URD. Laut einem Sprecher der Universität betraf dies einzelne Dozenten und Studierende. Die Kooperation habe in einem vom DAAD geförderte Projekt im Rahmen des „Hochschuldialog mit der Islamischen Welt“ stattgefunden, das vom Auswärtigen Amt finanziell getragen werde. Ziel sei eine wissenschaftliche Annäherung gewesen, es sollte “reformorientierte Kreise der iranischen Akademiker unterstützen und Transformationsprozesse in der iranischen Gesellschaft fördern“. Laut dem Uni-Sprecher stand die URD im Ruf, sich im interreligiösen Austausch gesprächsbereit zu zeigen.
Der letzte Kontakt habe 2015 stattgefunden. “Es bestehen keinerlei Beziehungen mehr zur URD“, so der Sprecher. “Die Goethe-Universität ist entsetzt und betroffen von einer derart engen personellen Verknüpfung der Hochschulleitung der URD mit den Revolutionsgarden.“ Dies sei den damals beteiligten Personen nicht bekannt gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin