Konsumforschung: Warum mehr nicht immer mehr ist
Weniger konsumieren oder emmittieren, fällt uns Menschen schwer. Die Verhaltensforschung zeigt, das hat System. Kommen wir trotzdem dagegen an?
![Eine Frau trägt eine gelbe Plastiktüte mit Lego-Werbung Eine Frau trägt eine gelbe Plastiktüte mit Lego-Werbung](https://taz.de/picture/7081504/14/Verhaltensforschung-Wachstum-Klimawandel-1.jpeg)
Menschen verstehen sich seit jeher als exzellente ProblemlöserInnen. Sind unsere Arme zu schwach, um einen Ast zu brechen, erfinden wir kurzerhand die Säge. Ist der Arm zu kurz, verlängern wir die Säge. Für jedes Problem versuchen wir eine neue Lösung zu erfinden.
Dieses Vorgehen spiegelt sich auch im Umgang mit den sozialen und ökologischen Problemen unserer Zeit wider. Schenkt man den TechnikprophetInnen Glauben, werden Innovationen den Klimawandel stoppen. Dadurch würde – so die liberalen PolitikerInnen – auch der ökonomische Kuchen größer.
Statt im Verzicht soll die Lösung für viele Fragen im Mehr liegen. Mehr Technologie, mehr Wachstum, mehr Ressourcen. Inwieweit hat diese Tendenz System? Liegen diesem Verhalten fehlerhafte Denkmuster – sogenannte „Biases“ – zugrunde? Diese Fragen stellt sich die Verhaltensforschung.
Die Studie
Bereits 2021 legte eine Studie im Magazin Nature nahe, dass Menschen dazu neigen, Probleme durch das Hinzufügen statt das Entfernen von Bestehendem zu lösen. Selbst wenn es mit Mehraufwand und Kosten verbunden ist. Die Forschenden demonstrierten dies anhand eines Turms aus Legosteinen, den Teilnehmende des Versuchs stabilisieren sollten.
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Dafür konnten sie Steine hinzufügen oder entfernen. Für jeden hinzugefügten Stein mussten sie bezahlen. Steine zu entfernen beeinflusste die Belohnung nicht. Trotzdem entschied sich die Mehrheit dafür, Steine hinzuzufügen. Das Fazit: Ist ein Problem durch zu viel verursacht, ist mehr die Antwort.
Inwieweit dieses Verhalten eine unveränderliche Neigung ist, stellt eine Studie aus dem Januar von Forschenden der schwedischen Universität Uppsala infrage. Nachdem die AutorInnen in der ersten Studie bereits über die Einflüsse von Kultur und Industrialisierung spekuliert hatten, konnten die Forschenden aus Uppsala bei gleichem Versuchsaufbau alters- und kulturspezifische Unterschiede feststellen.
Bei Kindern und US-AmerikanerInnen war der Additionsbias stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen und SchwedInnen. Für die WissenschaftlerInnen folgt: Die Neigung, Probleme durch Hinzufügen zu lösen, ist wandelbar und abhängig von kultur- und ökonomiebedingten Mustern.
Was bringt’s?
Die Studie zeigt, nicht alles ist verloren. Dass es für den Klimawandel, den Verlust von Biodiversität und für soziale Ungleichheit keine rein technischen Lösung gibt, ist vielen von uns klar. Für diejenigen, bei denen diese Erkenntnis noch nicht gefruchtet hat, sind diese Studien eine Einladung, ihr Denken zu reflektieren.
Oft übersehen wir die offensichtlichsten Lösungen. Statt bedrohte Tierarten in Zoos aufwendig nachzuzüchten, sollten wir ihren natürlichen Lebensraum erhalten. Anstatt Emissionen aus der Luft zu saugen, müssen wir sie verhindern, wo sie entstehen.
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