Konsequenzen aus der NSA-Affäre: Piraten wollen ganz vorne sein
Die Piraten fordern eine Reform der Geheimdienste. Erst jetzt äußert sich die Parteiführung geschlossen zum Abhörskandal – und macht ein Versprechen.
BERLIN taz | Um die Piraten-Partei war es in den letzten Wochen erstaunlich ruhig gewesen. Ihre Pressemeldungen und ihre regionalen Aktivitäten zum NSA-Überwachungsskandal hatten nur wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Um das zu ändern, nahm die Führung der Bundespartei am Freitag nun erstmals geschlossen Stellung zu der Abhör-Affäre.
Im neuen Wahlkampfbüro der Piraten im östlichen Berliner Bezirk Lichtenberg mahnte der Vorsitzende der Partei, Bernd Schlömer, eine Reform der deutschen Geheimdienste an. „Wir dürfen nicht davor zurückscheuen, auch Nachrichtendienste zu schließen“. Der Militärische Abschirmdienst etwa mache nichts anderes als das Bundesamt für Verfassungsschutz. Außerdem solle die Stelle eines Geheimdienstbeauftragten eingerichtet werden, der Mitarbeiter der Dienste vernehmen und Akten einsehen dürfe. Schlömer plädierte für eine stärkere Kontrolle der Geheimdienste durch den Bundestag. Nicht zuletzt wollen die Piraten einen aktiven Schutz für Whistleblower.
Die politische Geschäftsführerin Katharina Nocun forderte außerdem ein internationales Abkommen zur Abrüstung von Überwachungstechnologie: „Solche Abkommen gibt es bereits für menschenverachtende Technologien wie Chemiewaffen. Es sollte sie auch für Technologien geben, die uns in unserer Freiheit einschränken.“
Andere Parteien würden zwar ähnliche Forderungen erheben, räumte Nocun ein. Sie seien aber nicht glaubwürdig. „Unter Gerhard Schröder und Rot-Grün wurden mehr Überwachungsgesetze eingeführt als je zuvor. Auch FDP und Union sind da nicht besser.“ Als aktuelles Beispiel führte sie die Bestandsdatenauskunft an, gegen die die Piraten bereits im Juni Verfassungsbeschwerde einlegt habe. Das Verfahren erlaubt es Polizei und Geheimdiensten, ohne große Hürden auf Verbindungsdaten von Mobilfunknutzern zuzugreifen.
Bruno Kramm, Spitzenkandidat der Piraten in Bayern, hob hervor, dass neben der politischen auch auf der technischen Ebene gehandelt werden müsse: „Wir bieten seit Bekanntwerden des NSA-Skandals Kryptoparties an, bei denen wir den Leuten zeigen, wie sie zum Beispiel ihre Kommunikation verschlüsseln können, sagte er. "Es geht hier um den Schutz von Infrastruktur, die kritisch für unsere Demokratie ist." Ein wichtiges Beispiel sei der effektive Quellenschutz bon Journalisten. Um das Bewusstsein für den Umgang mit den eigenen Daten in der Bevölkerung zu verbessern, wollen die Piraten sich deswegen für digitale Bildung einsetzen – nicht nur in den Schulen, sondern deutschlandweit, auch direkt bei Parlamentariern im Bundestag.
Mit Blick auf die Bundestagswahl hob Nocun noch einmal hervor, dass die Piraten sich beim Schutz von Grund-und Bürgerrechten für besonders glaubwürdig halten: Sie versprach: „Wir werden dafür sorgen, dass das Thema auch nach dem Skandal nicht wieder in der Versenkung verschwindet.“ "Denn: Unsere eigene Basis würde uns auf’s Dach steigen, wenn wir davon abrücken."
Leser*innenkommentare
Eric Manneschmidt
Hässlicherweise haben die Piraten, wenigstens große Teile der Parteielite und der Bundesvorstand, wenig für das Recht auf körperliche Unversehrtheit übrig. Die haben wohl alle eine unvollständige Ausgabe des Grundgesetzes. Autonomieverluste von Individuen scheinen gleichermaßen irrelevant zu sein, dafür wird die Freiheit zur Geschäftemacherei auf anderer Leutes Kosten hochgehalten.
Entsprechend bemüht man sich seit mehr als einem Jahr, das hier beschriebene Problem (siehe auch die Kommentare mit aktuellen Infos) http://lobbywatch.wordpress.com/2012/08/17/tabaklobbyisten-kapern-die-piratenpartei einfach auszusitzen. Wohl eher mit mäßigem Erfolg, aber irgendwie auch "professionell". Nun gut, ein paar Wochen sind es ja noch bis zur Wahl und die Hoffnung stirbt bekannlich zuletzt.
KingPirator
Gast
@Eric Manneschmidt Wow, bieten die Piraten nun schon so wenig Angriffsfläche, dass man einen ein Jahr alten Beitrag von woanders hochkochen muss - und dazu ein absolutes Nischenthema, dass innerhalb der Piraten erst an einer sehr weit hinten stehenden Position eine Rolle spielt. Ich bin selbst Nichtraucher übrigens - und Pirat.
Eric Manneschmidt
@KingPirator kannst auch mal hier reingucken, aktueller Beitrag vom 26.7.13 von Andreas Rohde, oberster Kampfraucher oder Tabaklobbyist (?) der PIRATEN und Bundestagskandidat: http://wahlkampfblog.piratenpartei-nrw.de/andreas-rohde-nichtraucherschutzgesetz-nrw-kann-man-in-der-pfeife-rauchen/
Eric Manneschmidt
...ich übrigens auch.
Ich weiss, es ist in unserer Partei nicht üblich, dass man Texte vollständig liest, bevor man sie kommentiert. Du solltest es trotzdem versuchen, ich zitiere von oben: "siehe auch die Kommentare mit aktuellen Infos".
Der aktuellste Unfug ist aber noch gar nicht dort freigeschaltet, also hier direkt: Kleine Anfrage vom 24.7.2013 - http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-3631.pdf (bitte beachten: "sterben" in Anführungszeichen - und die lustigen bis absurden pseudo-wissenschaftlichen Verweise).
Symptomtisch durchaus auch http://christoph-hensen.de/rede-zum-nichtraucherschutzgesetz
Ein Nischenthema ist es eben nicht, weil einige Leute ganz massiv versuchen die Bevölkerung aufzuhetzen und dabei klar zu erkennen geben, dass sie mit Wissenschaft und Wahrheitsliebe nichts zu tun haben wollen und außerdem für ein paar dreckige Arbeitsplätze gerne auch Menschenleben opfern wollen. Und sowas geht einfach gar nicht.