Konflikt in der Ostukraine: Virtuell hat der Krieg begonnen
Russland und die Ukraine liefern sich medial einen Schlagabtausch. In Moskau denken einige schon über den Einsatz von Atomwaffen nach.
Ein erneuter Ausbruch von Kampfhandlungen im Donbass könnte das Ende der Ukraine als Staat bedeuten, hatte der stellvertretende Leiter der Administration des Russischen Präsidenten, Dmitrij Kosak kürzlich geäußert. Die Mannschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodimir „hat sich entschlossen, ein Drama mit dem Namen ‚die militärische Bedrohung‘ aufzuführen. Da die Kollegen keine große politische Erfahrung haben, könnte es sein, dass sie sich verspielen“, zitiert die Plattform medusa Kosak.
„Das sind Kinder mit Zündhölzern in der Hand“, so Kosak weiter, der auch ein militärisches Eingreifen Russlands im Donbass nicht ausschloss. „Heute hängt alles davon ab, was für ein Ausmaß dieses Feuer haben wird. Wenn wir dort Srebrenica haben, werden wir gezwungen sein zu handeln.“
Der Chef der Liberaldemokratischen Partei Russlands, Wladimir Schirinowski, beschuldigt die ukrainische Führung, ukrainische Städte wie Charkiw oder Kiew bombardieren zu wollen, um dann Russland Vorwürfe zu machen.
Eine mögliche Lösung
Und in einer Talkshow im russischen Fernsehen denkt der Militärexperte Michail Chodarenok über Voraussetzungen nach, unter denen Russland taktische Atomwaffen einsetzen könnte. „Jeder Konflikt kann mit der Drohung eines Einsatzes oder der Anwendung von taktischen Atomwaffen durch unsere Seite beendet werden“, meint der Experte.
Noch offensiver für einen Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine tritt das „Koordinierungszentrum der Hilfe für Noworossia“ ein. Auf dem Portal der Organisation, die die ostukrainischen „Volksrepubliken“ materiell unterstützt, erklärt ihr Chef, Alexander Ljubimow: „Ein moderner atomarer Krieg 2021 gegen die Ukraine mit Hilfe taktischer Geschosse ist akzeptabel und wäre eine mögliche Lösung der ukrainischen Frage. […] In dem zu erwartenden Krieg Russlands und der Ukraine ist die Anwendung von taktischen Atomwaffen durch Russland zulässig, ja sogar wünschenswert.“
In der Ukraine mehreren sich unterdessen die Stimmen derer, die einen Journalismus fordern, der sich in Zeiten des Medienkrieges von staatlichen Interessen leiten lasse. „In einem Krieg muss, auch unter Berücksichtigung der Standards eines demokratischen Journalismus, die Bekämpfung des Einflusses des Aggressors an erster Stelle stehen. Und deshalb muss man seine Einstellung zum Begriff ‚Propaganda‘ ändern“, verlangt Miroslaw Liskovich, Korrespondent der Nachrichtenagentur Ukrinform.
Und Dmitro Solotuchin, Ex-Vize-Informationsminister, beklagt sich darüber, dass viele Bürger noch gar nicht begriffen hätten, in was für einer angespannten Situation das Land aktuell sei. Schuld daran sei das Fernsehen. Man müsse dafür Sorge tragen, dass das Verteidigungsministerium, der Präsident und der Premier in den Medien mehr Sendezeit erhielten.
Visite in Ankara
Unterdessen ist der ukrainische Präsident Selenski am Wochenende in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zusammengetroffen. Die Türkei und die Ukraine unterhalten gute Beziehungen. Mehrfach hat die Ukraine auf Wunsch von Ankara in der Ukraine lebende türkische Dissidenten ausgeliefert. 2018 kaufte die Ukraine sechs Bayraktar TB2-Drohnen und 200 Raketen. Auch die aserbaidschanische Diaspora in der Ukraine unterstützt die ukrainisch-türkischen Beziehungen.
Dass Aserbaidschan im jüngsten Karabach-Krieg gewonnen habe, sei auch den guten Beziehungen zwischen Baku und Ankara zu verdanken, schreibt Hikmet Dschavadow, Sprecher der aserbaidschanischen Diaspora in der Ukraine, auf gordonua.com. „Ich bin davon überzeugt, dass auch der Ukraine ein derart glänzender Sieg und die Befreiung aller seiner Territorien bevorsteht“, so Dschawadow.
Der Sieg der aserbaidschanischen Armee sei auch durch das hohe Niveau der politischen und militärischen Zusammenarbeit zwischen Baku und Ankara möglich geworden. Diesen Faktor müsse Kiew bei seiner Konfrontation mit Russland berücksichtigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind