piwik no script img

Konflikt in NahostDemo in Ramallah, Raketen aus Gaza

Im Westjordanland haben Tausende gegen das Bombardement von Gaza protestiert. Jordaniens Parlament fordert indes Konsequenzen für Israel.

PalästinenserInnen demonstrieren in Ramallah in der Westbank am 18. Mai Foto: Nasser Nasser/ap/dpa

BERLIN taz | Aus Protest gegen Israels Bombardement des Gazastreifens sind am Dienstag Tausende Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in Ramallah auf die Straße gegangen. Viele hatten nach einem Aufruf zum Generalstreik ihre Arbeit niedergelegt. Bei anschließenden Protesten an einer israelischen Militärsperre wurden Demonstrierende mit Tränengas zum Rückzug gezwungen, das laut dem Nachrichtensender Al Jazeera von Drohnen aus abgeworfen wurde.

„Soviel wie möglich von Hamas’ Infra­struktur zerstören“

Ely Karmon, Analyst

Indes hielten auch am Dienstag der Raketenbeschuss aus Gaza sowie die israelischen Angriffe auf die Hamas an, wenn auch auf niedrigerem Niveau als vergangene Woche. Zur Mittagszeit heulten in Südisrael die Sirenen. Zwei weitere Zivilisten, zwei thailändische Arbeiter, wurden bei einem Angriff aus Gaza getötet. Israel griff nach Angaben der Armee unter anderem einen Hamas-Trupp an, der Panzerabwehrraketen abfeuern wollte. Zu einer Waffenruhe haben sich die Parteien noch nicht bereit erklärt.

US-Präsident Joe Biden, der bislang noch keine sofortige Waffenruhe gefordert hat, sicherte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Montagabend erneut die Solidarität der USA zu und bekräftigte das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Man habe aber gleichzeitig Unterstützung für eine Waffenruhe signalisiert, teilte das Weiße Haus mit.

Dass weder Israel noch die Hamas aktuell für ein Ende der Angriffe bereit seien, habe strategische Gründe, sagt der Analyst Ely Karmon vom International Institute for Counter-Terrorism im israelischen Herzlia. „Die israelische Regierung, besonders die Armee, will jetzt nicht aufhören. Wir wollen die Zeit nutzen, um so viel wie möglich von der Hamas-Infrastruktur zu zerstören,“ sagt Karmon.

Für die Hamas gelte: Solange die Opferzahlen nicht zu hoch seien und sich Widerstand in der Bevölkerung forme, helfe die Eskalation, Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in Israel, im Westjordanland, aber auch in Jordanien und Libanon zu mobilisieren.

Raketen aus dem Libanon

Ein durch israelische Luftangriffe zerstörtes Haus in Gaza-Stadt am 18. Mai Foto: Mohammed Talatene/dpa

Unterdessen belastet die Eskalation zunehmend Israels Verhältnis zu den Nachbarstaaten. Das Parlament in Amman forderte die jordanische Regierung am Montag auf, den israelischen Botschafter auszuweisen und den eigenen aus Tel Aviv abzuziehen. Jordanien hat 1994 mit Israel Frieden geschlossen und unterhält als eines von wenigen arabischen Ländern diplomatische Beziehungen zu Israel.

Das Parlament bekräftigte die Forderung nach einem palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Proteste gegen die Verdrängung von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen waren der aktuellen Eskalation vorausgegangen.

Aus dem Libanon wurden am Montag erneut Raketen abgefeuert. Die Geschosse landeten jedoch auf libanesischem Territorium, lösten im Norden Israels aber Raketenalarm aus. Die israelische Armee antwortete mit Artilleriefeuer. Nach israelischen Armeeangaben stand nicht die libanesische Hisbollah hinter dem Angriff, sondern militante Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im Libanon. Bereits am Donnerstag waren aus dem Libanon Raketen abgeschossen worden. Am Folgetag wurde ein Demonstrant an der Grenze von israelischen Soldaten erschossen.

Neue Front im Norden?

Eine neue Front im Norden Israels wäre eine weitere Eskalationsstufe. Hisbollah-Vizechef Sheikh Naim Kassim hat sich Hisbollah-nahen Medien zufolge mit führenden Köpfen der Hamas und des Islamischen Dschihad getroffen und ihnen die „volle Unterstützung für das palästinensische Volk und den Widerstand im ehrenvollen Kampf gegen den israelischen Feind“ versichert. Als „Widerstand“ verstehen sich sowohl die schiitische Hisbollahmiliz als auch die sunnitische Hamas im Gazastreifen.

Doch sieht es nicht aus, als würde die Hisbollah derzeit tatsächlich den offenen Konflikt suchen. Die Miliz, die eng verbandelt ist mit dem Iran und aus dem Kampf gegen Israel ihre Existenzberechtigung ableitet, hat ein sehr viel größeres Raketenarsenal als die Hamas. Da Teheran aber seit dem Amtsantritt Joe Bidens versucht, gemeinsam mit den USA das internationale Atomabkommen wiederzubeleben, ist die Eröffnung einer Front an der israelisch-libanesischen Grenze unwahrscheinlich.

In Israel wurden durch den Raketenbeschuss der Hamas bislang 12 Menschen getötet. Wie viele genau in Gaza getötet wurden, ist unklar. Das Hamas-kontrollierte Gesundheitsministerium sprach zuletzt von 200 getöteten „Märtyrern“, ein im Arabischen geläufiger Begriff. Darunter sollen 59 Kinder und 35 Frauen sein, also mindestens 94 Zivilist*innen. Die israelische Armee dagegen sprach von 150 getöteten Terror-Funktionären in Gaza, die meisten davon von der Hamas. Die zahlen passen also nicht zueinander.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen