Konflikt in Nahost: Israel und Hamas auf Tuchfühlung
Die Hamas fordert Strom und humanitäre Projekte. Im Gegenzug will sie die Angriffe auf Israel beenden. Vermittler zeigen sich zuversichtlich.
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Musa Abu Marzuq, Mitglied des Hamas-Politbüros, bezeichnete die in Kairo stattfindenden Gespräche als „positiv“. Parallel zu den Gesprächen zwischen der Hamas und Israel laufen auch Verhandlungen der Hamas mit der Fatah. Die beiden großen palästinensischen Parteien sind seit elf Jahren miteinander verfeindet.
Rund zwei Millionen Palästinenser leben in dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen, wo sich die Lebensumstände nach Kürzungen der staatlichen Gelder durch die Fatah sowie die massive Reduzierung von US-Zahlungen an die UNWRA (UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge) dramatisch verschlechtern.
Die UNRWA unterhält 275 Schulen und 22 Gesundheitszentren im Gazastreifen. Von den rund 13.000 Mitarbeitern im Gazastreifen droht 60 Prozent die Reduzierung zu Teilzeitkräften. 1.300 Mitarbeiter sollen bis Anfang September gekündigt werden. Über die Hälfte der Palästinenser ist auf die Nahrungsmittelhilfen der UN angewiesen.
Die Lage wird zusätzlich erschwert, weil Israel infolge der jüngsten Angriffe mit Brandsätzen sporadisch die Einfuhr von Treibstoff stoppte. Die mit brennenden Stoffstreifen bestückten Drachen und Heliumballons, die Palästinenser über die Grenzanlagen nach Israel schicken, haben bereits eine Fläche von rund 1.400 Fußballfeldern zerstört.
Israel stoppt sporadisch die Einfuhr von Treibstoff
Die Hamas fordert in erster Stufe eine Wiederaufnahme der Importe, allen voran von Treibstoff und Strom. Israel stellt umgekehrt die Bedingung eines kompletten Waffenstillstands, inklusive der Angriffe mit Brandsätzen. Für die Hamas gehören die Drachen und Heliumballons zum Widerstand der Zivilbevölkerung. Israel hält hingegen die islamistische Führung vom Gazastreifen für jede Grenzverletzung verantwortlich.
In zweiter Stufe soll die Hamas die sterblichen Überreste zweier israelischer Soldaten aushändigen, die im Krieg vor vier Jahren gefallen waren. Israel würde, wie die liberale Zeitung Haaretz berichtet, im Gegenzug internationale geförderte „humanitäre Projekte“ vorantreiben. Frisch- und Abwasser sind ein großes Problem, ebenso die medizinische Versorgung der Palästinenser. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu habe eigens „aufgrund der Lage im Süden“ eine geplante Südamerikareise abgesagt.
Informationen einer libanesischen Zeitung zufolge, soll die Errichtung eines Seehafens und sogar eines Flughafens für Gaza auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel geplant sein. Im Gespräch ist offenbar auch eine finanzielle Hilfe im Umfang von gut 120 Millionen US-Dollar, die die Weltbank, Katar und anderen Staaten zahlen.
Abbas nicht froh mit Israels Annäherung an die Hamas
Zentrale Figur bei den Verhandlungen ist der Bulgare Nikolaj Mladenow, ehemals EU-Abgeordneter und seit drei Jahren EU-Sondergesandter für den Friedensprozess im Nahen Osten. Der 46-jährige Diplomat will am kommenden Sonntag in Jerusalem die Minister im Rahmen einer Sitzung des Sicherheitskabinetts über den aktuellen Verhandlungsstand informieren.
Seit Wochen pendelt Mladenow zwischen Jerusalem, Gaza, Kairo und auch Ramallah, um parallel zur Annäherung zwischen Israel und der Hamas auch die Versöhnung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland voranzutreiben. Offenbar hat er bereits die Zahlung von rund zehn Millionen US-Dollar erreicht, die Ramallah für Gehälter an Mitarbeiter der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Gazastreifen zu zahlen bereit ist.
Den Interessen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von der Fatah läuft die Annäherung zwischen Israel und der Hamas zuwider. Abbas hatte gehofft, dass sich die Führung im Gazastreifen durch die Kürzungen kompromissbereiter geben würde.
Kernpunkt des Konflikts zwischen der Hamas und der Fatah ist die Sicherheitskontrolle im Gazastreifen und die Fusion der beiden Verwaltungsapparate. Die Fatah weigert sich, die Gehälter der Hamas-Beamten zu übernehmen. Strittig ist zudem die Entwaffnung der Hamas-Milizen. Die Islamisten halten an „den Waffen des Widerstands“ fest, wie ein Sprecher am Donnerstag erklärte.
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