Kommunalwahlen in Bayern: Die Amtsstuben werden gelüftet
Die Wahlen am 15. März dürften Bayern kräftig durchrütteln. Viele neue Bürgermeister wird es geben, Überraschungen sind garantiert.
Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung sind jedoch nicht auszuschließen. Außerdem fand der Wahlkampf mitten im Endspurt ein jähes Ende. Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern sind im Freistaat seit Mittwoch verboten, die meisten Parteien haben aber ohnehin den Großteil ihrer Veranstaltungen eingestellt und den Haustürwahlkampf abgeblasen.
Plakate, hier und da ein Infostand und Videobotschaften im Internet – darauf ist der Wahlkampf jetzt geschrumpft. Doch auch ohne das Coronavirus werden diese Kommunalwahlen wohl besonders spannend.
Das zeigt etwa ein Blick nach Nürnberg, Augsburg, Rosenheim, Burghausen, Lindau, Neu-Ulm, Miesbach, Coburg oder auch Altötting. Eines haben all diese bayerischen Städte gemein: Sie werden – so viel kann man sagen, ohne den Ergebnissen vorzugreifen – in Bälde ein neues Stadtoberhaupt bekommen. In mehr als der Hälfte der knapp 2.000 Kommunen, in denen Rathauschefin oder -chef neu gewählt werden, treten die Amtsinhaber laut Gemeindetag nicht mehr an.
Die Karten werden neu gemischt
Dass ein scheidender Bürgermeister den Staffelstab an den Kandidaten seiner Partei weitergibt, ist kein Selbstläufer. Die Kommunalwahlen sind in besonderem Maße Persönlichkeitswahlen, der Amtsbonus wiegt hier besonders stark. Die Karten werden daher völlig neu gemischt. Vielerorts streiten sich auch die Vertreter von drei oder mehr Parteien um den kommunalen Kuchen. Sehr viele Entscheidungen, wer denn nun künftig an der Spitze einer Stadt oder Gemeinde steht, dürften daher erst bei einer Stichwahl am 29. März fallen.
Teilweise verschwinden auch Urgesteine aus der Politik. Beispiel Nürnberg: 18 Jahre lang regierte der SPD-Mann Ulrich Maly die Frankenmetropole – unangefochten. Sogar Ministerpräsident Markus Söder, der zwar Nürnberger, aber aller sozialdemokratischen Schwärmereien unverdächtig ist, nannte Maly einmal eine „Lichtgestalt der SPD in Bayern“. Zuletzt wurde er 2014 mit 67 Prozent der Stimmen gewählt.
Wäre Maly noch mal angetreten, Gegenkandidaten hätten sich allenfalls pro forma aufstellen lassen. Doch seitdem er sich gegen eine neuerliche Kandidatur entschied, ist nun alles offen: SPD und CSU schicken zwei junge und noch recht wenig erfahrene Kommunalpolitiker ins Rennen, Thorsten Brehm und Marcus König, die Grünen die Landtagsabgeordnete Verena Osgyan.
Ähnlich der Fall in Augsburg. Hier war es ein CSU-Politiker, der überraschend seinen Rückzug ankündigte: Kurt Gribl, Oberbürgermeister und Vorsitzender des Bayerischen Städtetags. Ihm könnten seine Stellvertreterin Eva Weber, ebenfalls CSU, der Sozialdemokrat Dirk Wurm oder die Grüne Martina Wild nachfolgen. Alle arbeiten sie schon bisher in der schwarz-rot-grünen Koalition der schwäbischen 300.000-Einwohner-Stadt mit.
Auch Exoten sind unter den Kandidaten
Die größten Hoffnungen machen sich in den größeren Städten generell die Kandidaten von CSU, SPD und neuerdings den Grünen. Je kleiner die Stadt, je ländlicher die Gemeinde, desto weniger spielen die Sozialdemokraten noch eine Rolle. Hier sind neben der CSU die Freien Wähler sehr stark, und auch die Grünen machen sich Hoffnung auf den einen oder anderen Chefsessel auf dem Land.
Daneben gibt es aussichtsreiche Kandidaten von lokalen Bündnissen. Oder Exoten: In Würzburg beispielsweise regiert Bayerns einziger CDU-Oberbürgermeister, ein Import aus Hessen, in Landshut ein FDP-Politiker mit österreichischem Migrationshintergrund.
In München, der Landeshauptstadt, tritt der amtierende SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter erneut an, muss aber damit rechnen, wie schon vor sechs Jahren wieder in die Stichwahl zu müssen. Während sich 2014 allerdings die Wahl zwischen Reiter und seinem CSU-Mitbewerber entschied, ist es diesmal gut möglich, dass er in der Stichwahl gegen Katrin Habenschaden von den Grünen antreten muss.
Selbst Söder scheint die CSU-Kandidatin für die Landeshauptstadt schon fast abgeschrieben zu haben. Bei einem Wahlkampftermin prophezeite er der 38-jährigen Kristina Frank eine große Zukunft – „vielleicht jetzt als Oberbürgermeisterin, das entscheiden die Wählerinnen und Wähler, aber wer weiß, wo sonst noch“. Genau das, was man in der Endspurtphase hören will.
40.000 Sitze zu vergeben
Neben den Stadt- und Gemeindeoberhäuptern werden aber auch die meisten Landräte neu gewählt und die Stadt- und Gemeinderäte sowie die Kreistage neu besetzt – insgesamt sind rund 40.000 Sitze zu vergeben. Neben den auch im Landtag vertretenen Parteien können sich hier auch viele Klein- und Kleinstparteien Hoffnungen machen. Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es nicht.
Auch wenn natürlich lokale Befindlichkeiten die größte Rolle spielen bei dieser Wahl, können sich die Parteien vor Ort nicht ganz von ihrem landes- oder gar bundesweiten Erscheinungsbild entkoppeln. So fällt etwa das Ergebnis der CSU natürlich teilweise auch auf Söder zurück, der vor einem Jahr deren Vorsitz übernommen hat.
Söder ist denn auch sichtlich bemüht, die Messlatte möglichst tief zu hängen. „Wir werden natürlich ein anderes Ergebnis bekommen als vor sechs Jahren“, kündigt er an – als sei das das Selbstverständlichste der Welt. Dabei war die CSU damals schon mit landesweit unter 40 Prozent auf ein historisches Tief gerutscht.
„Großstädte sind heute die schwierigste Herausforderung“, sagt Söder. Und der Hauptgegner seien dort die Grünen. Eine Einschätzung, mit der Bayerns Ministerpräsident nicht allein dasteht. Gerade in größeren Städten sind deutliche Verschiebungen in der Parteienlandschaft recht wahrscheinlich. So sagen alle Umfragen voraus, dass die Grünen insgesamt deutlich zulegen werden. Die CSU dürfte Federn lassen.
Wenn man zum Vergleich auf die bayerische SPD blickt, erscheinen die Sorgen der Christsozialen freilich plötzlich recht klein. Deren Ergebnisse waren bei den letzten Wahlen – ganz im Bundestrend – katastrophal. Die Landtagsfraktion wurde 2018 auf einen Schlag halbiert. Können die Sozialdemokraten die Talfahrt jetzt nicht bremsen, dürften sie – mit einzelnen lokalen Ausnahmen – bald in der politischen Versenkung verschwunden sein.
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