Kommentar Abtreibungsverbot: Frau, Schwangerschaft, Mutter?
Könnte der Dannenberger Fall eine Vorreiterrolle einnehmen? Nicht nur Frauen dürfen hierzulande entscheiden, ob sie abtreiben.
M üssen wir befürchten, dass die Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg eine Art Vorreiterrolle einnimmt? Dass jetzt auch andere Krankenhäuser in der Republik keine Abtreibungen mehr durchführen, weil ihr christlicher Chef ungeborenes Leben schützen will?
Nein, müssen wir nicht. Von einem Amerika, wo in manchen Bundesstaaten Abtreibungskliniken als „Stätten des Meuchelns“ an den Rand von Ortschaften gedrängt werden, sind wir weit entfernt. Gleichwohl ist die „Lebensschützer“-Rhetorik von RechtspopulistInnen hierzulande, von manchen Christen und der erstarkenden Pro-Life-Bewegung nicht zu unterschätzen. Umfragen zufolge empfinden immer mehr junge Menschen Schwangerschaftsabbrüche als Mord.
Das dürfte eine Folge der Dauerbeschallung durch die „LebensschützerInnen“ sein, die bei Demos insbesondere jungen Menschen kleine Plastikföten in die Hand drücken, mit Sätzen wie: „Wenn du das wegmachen lässt, wirst du zum Mörder, zur Mörderin.“
Es ist eine große emanzipatorische Errungenschaft, dass in unserem Land keine Frau ein Kind bekommen muss, das sie nicht bekommen will oder kann. Ebenso, und das sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, wird niemand dazu gezwungen, abzutreiben. Noch kann das jede selbst entscheiden – nach ihrer Lebenslage und eigenen ethischen Grundsätzen.
Ebenso haben MedizinerInnen das Recht, Abtreibungen nicht selbst durchführen zu müssen, wenn das ihrem Glauben widerspricht. Aber sie sollten ihre Frömmigkeit nicht ihren KollegInnen überstülpen, sondern diese selbst entscheiden lassen.
Unerträglich wird es, wenn ein Arzt, wie in Dannenberg geschehen, ungewollt schwangere Frauen fragt, warum sie nicht verhütet hätten. Das ist mehr als eine Frechheit: Damit macht er allein sie für die Schwangerschaft verantwortlich. Frau, Schwangerschaft, Mutter – eine Dreieinigkeit, die vielleicht christlich, aber nicht für jede zwangsläufig ist.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wissings Verkehrsprognose 2040
Auto bleibt wichtigstes Verkehrsmittel
+++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++
Libanon-Konferenz sagt eine Milliarde Dollar zu
Urteil im Diesel-Skandal
Erstmals ist hierzulande die Natur im Recht
Cem Özdemir will nach Baden-Württemberg
’S kann losgange
Bauhauskritik der AfD
Widersprüchlich und gerade deshalb modern
Lecks in der Gas-Infrastruktur
Jede Menge unkontrolliert entweichendes Methan