Kommentar zur Fernwärme: Die Schwäche der Volksentscheide
Vorbei ist es mit der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Seit die von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) geführte Umweltbehörde ein Konzept für Hamburgs zukünftige Wärmeversorgung vorgelegt hat, das ohne Abwärme aus dem Vattenfall-Kraftwerk Moorburg auskommt, ist ein Fernwärme-Krieg zwischen dem Energieversorger und der rot-grünen Landesregierung ausgebrochen. Um ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen, fahren die ehemaligen Partner Drohkulissen auf und blockieren sich gegenseitig. Doch die Muskelspiele werden nicht ewig dauern: Zu groß ist der ökonomische und politisch Verhandlungsdruck für beide Seiten.
Hamburg hat dabei mit einer grundsätzlichen Schwäche von Volksentscheiden zu kämpfen, die besonders dann auftreten, wenn es um die Kommunalisierung bislang privater Sektoren geht. Denn das Volk hat den Senat bindend verpflichtet, die Fernwärmeversorgung von Vattenfall zurückzukaufen – quasi um jeden Preis. Das weiß auch Vattenfall. Der Energieversorger kann nun auf einen Preis pochen, den das Unternehmen nicht wert ist.
Hamburg muss zahlen, wenn es den Volksentscheid umsetzen will, die Option, nicht zu kaufen, existiert faktisch nicht. Eine Verhandlungsposition, die mehr als unkomfortabel ist. Zudem kann es sich Hamburg nicht leisten, dass die Fernwärmeversorgung aufgrund nicht getätigter Investitionen zusammenbricht – 100.000 frierende HamburgerInnen wären der sichere Tod an der Wahlurne für die rot-grüne Regierung.
Vattenfall hingegen kann den Anschluss Moorburgs an das Fernwärmenetz gegen das Votum Hamburgs gar nicht durchsetzen und die Fernwärme GmbH, deren Mehrheitseigner Vattenfall noch ist, würde durch die gegenseitige Blockade weiter an Wert verlieren. So sind Vattenfall und Hamburg auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Eine Einigung wird deshalb kommen. Gewinnen wird dabei der, der am geschicktesten pokert und die stärkeren Nerven hat. Marco Carini
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