Kommentar zum griechischen „Nein“: Geschichte wird gemacht
Der Ausgang des Referendums ist eindeutig. Jetzt ist es vor allem an der EZB, gemeinsam mit der griechischen Regierung Lösungen zu finden.
Das „Nein“ der Griechen ist eine Sensation. Es wird Weltgeschichte schreiben, obwohl noch unklar ist, was als Nächstes passiert. Klar ist nur, dass die Euro-Granden dieses „Nein“ als Provokation empfinden werden. Man kann nur hoffen, dass sie jetzt nicht überstürzt reagieren und keinen Grexit inszenieren.
Die Botschaft von Griechenlands Premier Alexis Tsipras war eindeutig: Er warb für ein „Nein“, nicht weil er aus dem Euro austreten wollte, sondern weil er hoffte, dass er die Troika dann zu Zugeständnissen zwingen könnte. Denn bisher haben sich die Europäer überhaupt nicht bewegt. Sie haben Tsipras die gleichen Sparlisten unterbreitet, die auch schon sein Vorgänger Samaras unterschreiben sollte.
Es gäbe also für die Eurozone noch viel Raum für Zugeständnisse, ohne dass man den Reformkurs gleich ganz aufgeben müsste. Zudem ist längst offensichtlich, dass die rigiden Sparvorgaben der Troika sowieso nicht funktionieren, sondern das Land immer tiefer in die Krise reißen.
Die Eurozone wäre also gut beraten, den Griechen endlich entgegenzukommen. Zudem wäre es gar nicht schwierig, das eigene Gesicht zu wahren. Formal könnte man auf den bisherigen Sparvorgaben bestehen, die in den nächsten zwei Jahren rund acht Milliarden Euro ausmachen – aber im Gegenzug Investitionen in der gleichen Höhe fest garantieren. Sinnvolle Projekte gäbe es genug: So ist nicht einzusehen, warum Griechenland immer noch Öl importiert und nicht auf Sonne und Wind setzt, die beide reichlich vorhanden sind. Aber die Risiken sind enorm, dass nicht mehr rational gedacht wird, sondern Rechthaberei dominiert und die Euro-Granden keine Lust haben, Tsipras irgendeinen Triumph zu gönnen – und lieber einen Grexit inszenieren.
Technisch wäre dies leicht: Die Europäische Zentralbank müsste nur ihre Notkredite an die griechischen Banken weiter einfrieren oder gar fällig stellen. Prompt müsste Griechenland auf eine Parallelwährung umsteigen, weil es nicht mehr genug Euros gäbe, um den normalen Zahlungsverkehr abzuwickeln.
Die Euro-Granden haben im Vorfeld stets behauptet, ein Grexit sei ungefährlich. Das ist eine glatte Lüge. Die Risiken sind überhaupt nicht einzuschätzen, und es wäre sehr wahrscheinlich, dass bei der nächsten Krise das nächste Euroland rausfliegt – schon weil die Finanzmärkte darauf wetten würden. So sieht Weltgeschichte aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin