Kommentar zu Radtoten in Berlin: Wo sind die Kampfradler der Grünen?
Seit zwei Jahren regiert Rot-Rot-Grün in Berlin. Doch die Koalition traut sich nicht, radikale Maßnahmen für die Sicherheit der Radler umzusetzen. Das ist erbärmlich.
Es ist der zehnte tote Radfahrer dieses Jahr. Und er hat wieder einmal alles richtig gemacht: Er hat einen „Fahrradschutzstreifen“ genutzt, um bei Grün eine Kreuzung zu überqueren – und wurde von einem rechtsabbiegenden Laster überrollt. Wer sich ausmalt, was da passiert, muss kotzen. So drastisch muss man das formulieren.
Zum Glück wird ja jetzt alles besser. Sollte man meinen. Schließlich regiert seit zwei Jahren Rot-Rot-Grün in Berlin, die Verkehrssenatorin wird von den Grünen gestellt. Optimaler wird es für Radfahrer nicht. Doch das ist ja das Schlimme: Alles, was R2G hinbekommen hat, ist ein Mobilitätsgesetz. Daraus kann man nun den Unfallopfern bei ihrer Beerdigung vorlesen. Na danke.
Zwar soll in wenigen Tagen an der Holzmarktstraße der erste wirklich geschützte Radstreifen fertig werden, in Grün und mit Pollern. Aber nur auf einer Seite. Und nach gerade 400 Metern endet er. Im Desaster. Vor der Kreuzung werden rechtsabbiegende Autofahrer so zwischen die Radler geführt, dass der Konflikt programmiert ist. Hoffentlich verkeilen sich dort alle so sehr im Stau, dass, wenn es knallt, niemand schwer verletzt wird. Das soll der Maßstab für die künftige Verkehrsgestaltung sein? Da möchte man als Radfahrer nur noch in die Bordsteinkante beißen.
Seit Jahren gibt es reihenweise kluge Vorbilder in Holland oder Dänemark, die zeigen, wie man Kreuzungen so gestalten kann, dass Konflikte und damit Unfälle wirklich verhindert werden könnten. Aber dort gibt es auch Politiker, die den Mut haben, Autofahrer in die Schranken zu weisen. In Berlin aber …
Nach dem tödlichen Radunfall am Montag in Mitte rufen die Initiative Volksentscheid Fahrrad und der Berliner ADFC zu einer Mahnwache am Mittwoch auf. Beginn der Protestaktion an der Mollstraße Ecke Otto-Braun-Straße ist um 17.30 Uhr. Es werden mehrere hundert Teilnehmer erwartet. Anschließend findet eine Demo zum Roten Rathaus und zur Senatsverwaltung für Verkehr statt. Bei dem Mann handelt es sich um den zehnten getöteten Radfahrer in diesem Jahr. Sechs starben durch Unfälle mit Lkws: In fünf Fällen wurden die Radfahrenden überrollt, ein Radfahrer starb durch eine unachtsam geöffnete Lkw-Fahrertür. Aktivisten werfen der Politik deswegen schon lange vor, nicht genügend für die Sicherheit der Radler zu tun. Auch am Samstag gehen Radler aus Protest auf die Straße: Die 18. ADFC Kreisfahrt steht unter dem Motto „Umbau statt Autostau – Mobilitätsgesetz umsetzen!“. (taz)
Wo ist die grüne Verkehrssenatorin, die den zehnten getöteten Radler zum Anlass nimmt für ein paar radikale und schnelle Maßnahmen?
1.: sofortiges Fahrverbot für Schwerlaster in der Innenstadt, bis die Transportlobby nachhaltige Initiativen vorweist, um Unfälle zu verhindern. Ach, das traut sich eh keine Grüne?
Na dann, 2.: sofortige Umwidmung der wenigen Fahrradstraßen in Fahrradstraßen, die ihren Namen verdienen. Also mit Nutzungsverbot für motorisierten Verkehr, damit Radler wenigstens dort sicher sind. Auch zu radikal?
Dann 3.: Umwandlung aller vorhandenen Radstreifen in durch Poller vom Autoverkehr abgegrenzte Protected Bike Lanes. Das wäre binnen vier Wochen machbar. Natürlich nicht mit der vorhandenen Verwaltung, aber wenn der Senat die engagierten Radler der Stadt um Hilfe bäte, würden die ruck, zuck die gefährlichsten Ecken absichern.
Klingt immer noch utopisch? Stimmt. Aber nicht, weil es nicht dringend notwendig wäre. Dass Rot-Rot-Grün es nicht hinbekommt, liegt auch am fehlendem Dampf unterm Satttel: Wo sind eigentlich die Kampfradler bei den Grünen? Die Linkslenker in der Linken? Die strampelnde Arbeiterklasse in der SPD? Wo sind die Basisinitiativen, die ihren Parteien klarmachen, dass die die überfällige Verkehrswende gerade mit Volldampf in den Sand setzen?
Da bleibt nur noch der müdeste, aber leider häufig wirksamste Hinweis an Politiker: Auch Radfahrer sind Wähler. Und selbst wenn sie bis 2021 den Berliner Verkehr überleben sollten, ist bisher kein einziger Grund ersichtlich, warum sie den verantwortlichen PolitikerInnen noch mal ihre Stimme geben sollten.
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