Kommentar von Sabine am Orde zur Merz’schen Kabinettsliste: Gefährliche Auswahl
Das Unionsteam von Friedrich Merz ergibt ein ziemlich gemischtes Bild. Das Positive zuerst: Vier der zehn künftigen Minister*innen sind Frauen. Das ist noch keine Parität. Aber so hämisch, wie Merz sich über ebendiese geäußert hat, hätte es schlimmer kommen können. Der Druck, den die CDU-Frauen zuletzt entfaltet haben, hat zumindest ein bisschen Früchte getragen. Auch dass mit Karin Prien eine liberale Christdemokratin das Ministerium für Bildung, Familie und Frauen bekommt, das sich als Feld für gesellschaftliche Spaltung bestens eignet, ist gut. Prien hat Regierungserfahrung und ist die erste Jüdin in einem Bundeskabinett.
Doch eine Prien macht noch kein ausgewogenes CDU-Personal. Den Sozialflügel der CDU hat Merz überhaupt nicht berücksichtigt; es überwiegt das wirtschaftsliberale und konservative Personal. Aus dem Osten stammt mit Katherina Reiche nur eine künftige Ministerin, und nur eine Staatssekretärin, Serap Güler, hat nichtdeutsche Wurzeln. Der Kanzler in spe umgibt sich eben lieber mit Gleichgesinnten. Um wieder mehr Menschen für die CDU zu gewinnen, wäre eine größere Vielfalt hilfreich gewesen.
Geradezu gefährlich aber sind zwei Personalien, von denen eine gar nicht auf der am Montag veröffentlichten Liste stand. Da ist zum einen der designierte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, früher Chefredakteur von rechten Publikationen von Welt über Focus bis Cicero. Weimer hat sich bislang nicht mit kulturpolitischem Interesse hervorgetan, stattdessen aber Texte veröffentlicht, in denen von „kultureller Selbstvernichtung“ der Deutschen durch Zuwanderung und der „biologischen Selbstaufgabe“ Europas die Rede ist. Das könnte auch aus den Federn von Alexander Gauland oder Björn Höcke stammen. Zu befürchten ist, dass hier ein rechter Kulturkämpfer kommt, der antimuslimische Ressentiments befeuert.
Die zweite Personalie ist Jens Spahn. Da er nicht auf der Kabinettsliste steht, gilt als ausgemacht, dass er Fraktionschef werden wird. Spahn, der seine Partei stetig weiter nach rechts verrückt und jüngst forderte, die Union solle die AfD im Bundestag so behandeln wie jede andere Oppositionspartei auch, versammelt die wachsende Gruppe derer in der CDU hinter sich, die mit der Brandmauer-Strategie unzufrieden sind. Als Fraktionschef ist Spahn nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden, kann seine Macht weiter ausbauen und sich so als Führungsfigur für die Zeit nach Merz in Stellung bringen. Dass er Merz im Zweifelsfall stützen wird, bezweifeln selbst manche in der CDU. Möglicherweise ist es diese Personalie, die selbst Merz irgendwann bitter bereuen wird.
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