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Kommentar neue SteuerschätzungEin Problem für die AfD

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Steuerschätzung zeigt, dass genug Geld für alle nötigen Ausgaben da ist. Und selbst eine Kreditaufnahme wäre zu verkraften.

Da lacht der Finanzminister. Foto: reuters

D ie Steuern sprudeln. In der neuesten Steuerschätzung kam es zwar zu kleinen Korrekturen, aber das Gesamtbild bleibt erfreulich. Zum Glück. Denn so verstehen auch verängstigte Laien, dass sich Deutschland die Flüchtlinge leisten kann und kein Bundesbürger für die „Fremden“ zurückstecken muss. Die klassische Strategie aller Rechtspopulisten funktioniert nicht, die Einheimischen gegen die Zuwanderer auszuspielen.

Für AfD und Pegida ist die neueste Steuerschätzung daher eine ganz schlechte Nachricht. Denn nichts wäre für sie so hilfreich wie eine Flaute in den Staatskassen, mit der sich quasi „objektiv“ belegen ließe, dass man kein Rassist ist, sondern nur ein besorgter Bürger, der die Grundsätze der Kameralistik besonders ernst nimmt.

Trotzdem ist die Gefahr nicht gebannt, dass es noch zu gefährlichen Finanzdebatten kommt, die die Rechtspopulisten stärken. Denn die Steuerschätzung beruht auf der Annahme, dass die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr um 1,8 Prozent wächst. Das kann man sehr optimistisch nennen.

Zudem sprudeln die Steuern zwar – aber allein werden sie trotzdem nicht ausreichen, um sämtliche Kosten für die Flüchtlinge zu decken. Der Staat muss ein paar Kredite aufnehmen. Dies wäre zwar kein Problem, weil Deutschland nur 0,6 Prozent Zinsen für zehnjährige Darlehen zahlt, aber Finanzminister Schäuble hat seine „schwarze Null“ zur obersten Staatsräson erhoben.

Steuerschätzung

Bund, Länder und Kommunen müssen im nächsten Jahr mit weniger Steuereinnahmen auskommen als geplant, können in den Folgejahren aber wieder auf Zusatz-Milliarden hoffen. Nach der aktuellen Steuerschätzung fällt das Aufkommen 2016 um 5,2 Milliarden Euro niedriger aus als vorhergesagt. Finanzminister Schäuble erwartet dennoch, auch 2016 ohne neue Schulden auskommen zu können. (dpa)

Seit Jahren wird der Eindruck erweckt, als wäre Deutschland existenziell gefährdet, wenn es seinen Haushalt überzieht. Das ist zwar Unsinn, aber die Angst vor Schulden sitzt tief. Gefährlich tief. Wenn der Staat also Kredite aufnimmt, müsste es möglichst geräuschlos stattfinden. Doch irgendein Hinterbänkler in der Union wird sich garantiert als oberster Etatwächter profilieren wollen – und die Chancen stehen bestens, dass der Störenfried Horst Seehofer heißt. Die AfD wird es freuen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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18 Kommentare

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  • Ich glaube nicht, dass das (vorhandene) Geld für die AfD, Pegida und sonstigen flüchtlingskritischen /-verängstigten Menschen zum Problem wird. Diese Gruppierungen haben noch genügend andere thematische Trümpfe im Ärmel, um Wähler für sich zu gewinnen.

  • Na prima.

    Bei den Zahlen kann die Schildebremse wieder achtkantig aus der Verfassung fliegen. Altersarmut gibt es nicht mehr und statt HartzIV haben wir wieder Arbeitslosengeld und -hilfe.

    Die Mehrwertsteuer wird gesenkt und alle sozialen Sauereien von rotgrün landen auf dem Müllhaufen.

     

    Und die Flüchtlinge versorgen wir auch noch gut dabei.

     

    Oder habe ich was falsch verstanden?

    • @Age Krüger:

      "Dies wäre zwar kein Problem, weil Deutschland nur 0,6 Prozent Zinsen für zehnjährige Darlehen zahlt, "

       

      Wer ist Deutschland? Soweit ich weiß, setzt sich Deutschland aus seiner Bevölkerung zusammen. Auch wenn die Zinsen derzeit gering sind, ich habe noch nie von meiner Bank ein solch günstiges Kreditangebot bekommen... Und wenn ich an die Dispozinsen denke...

      • @Nicky Arnstein:

        Das sollte keine Antwort auf den Kommentar von "Age Krüger" sein, sondern auf den Kommentar von U. Herrmann.

  • Letztendlich scheint Frau Herrmann auch der Meinung zu sein daß "wir es schaffen". Indem z.B. "ein wenig Schulden gemacht werden". Der anderswo gerade als ausstehend berichtete Betrag von ca. 5 Milliarden EUR wird geschickt verschwiegen, von Frau Hermann., Das ist, je nachdem, wenig oder viel. Aber auf jeden Fall - wäre das Geld vorhanden - viel zu wenig um das Problem der Zuwanderung zu lösen, insbesondere wenn man bededenkt daß anstehende Maßnahmen wie Besteuerung von Spekulationstransaktionen nie ernsthaft in Angriff genommen werden. Dazu ist man/frau/staat zu schwach. - Das ist Bankkauffrau/-Mann-Denken hier. Damit werden keine Probleme gelöst.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "In guten Zeiten sind neue Staatsschulden demgegenüber jedoch kontraproduktiv für eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

     

    Bedenken wir: Neben Pensionsfonds sind es vor allem (relativ) reiche Leute, die ihr Geld in Staatsanleihen anlegen. Dafür erhalten sie Zinsen, die aus Steuergeldern bezahlt werden müssen."

     

    Wenn sich ein Staat entscheidet auf Biegen und Brechen schwarze Null zu fahren, obwohl die Infrastruktur öffentliche Investitionen gebrauchen könnte und das Zinsniveau gen Null tendiert, dann wird's den Reichen eh damit gedient.

    Später darf man (zu höheren Zinsen) massiv Anleihen rausgeben oder durch ÖPPs das Geld mittels Gebühren nach oben transferieren.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      @SMARAGD

  • Warum reden Sie eigentlich in Zeiten, wo es wirtschaftlich gut läuft, einer höheren Staatsverschuldung das Wort? Staatsschulden sollten auch für Linke ein Problem darstellen, weil sie nämlich eine stärkere Umverteilung von unten nach oben bewirken. Dies muss man in wirtschaftlichen Krisenzeiten in Kauf nehmen, weil alles andere die Wirtschaft erst so richtig abwürgen würde. In guten Zeiten sind neue Staatsschulden demgegenüber jedoch kontraproduktiv für eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

     

    Bedenken wir: Neben Pensionsfonds sind es vor allem (relativ) reiche Leute, die ihr Geld in Staatsanleihen anlegen. Dafür erhalten sie Zinsen, die aus Steuergeldern bezahlt werden müssen. Sie erhalten also Geld vom Staat. Eine andere Strategie wäre, Steuern auf Kapitalerträge von dem derzeit extrem niedrigen Niveau auf das der Steuer auf Arbeitseinkommen anzuheben, oder auch eine Vermögenssteuer zu erheben. (Ja, ich habe Kapitalerträge in steuerpflichtiger Höhe.)

     

    Dies würde es ermöglichen, ein angemessenes Niveau öffentlicher Investitionen aufrechtzuerhalten und die Flüchtlinge zu versorgen, ohne jedoch neue Schulden aufzunehmen. Auf Dauer über die eigenen Verhältnisse zu leben, rächt sich irgendwann; das gilt nicht nur für CO2-Emissionen, sondern auch für's Geld. Wir sehen das ja an der Politik des IWF, von der diejenigen abhängig werden, gegen die sich "die Märkte" irgendwann urplötzlich wenden. Selbst wenn eine solche Entwicklung in den nächsten Jahren unwahrscheinlich ist: Wollen wir die Gefahr eines gesamtwirtschaftlichen GAUs wie der Knute des IWF wirklich auf uns nehmen? Die würde Pegida & Co. dann nämlich erst richtig Vorschub leisten...

  • friedlicher kann afd und co. nicht befriedet werden...

  • In einem anderen Thema hat Mitforist @Mecker RV Schäubles Finanzkünste treffend und einprägsam als "Sparen auf Kosten zukünftiger Generationen" bezeichnet.

     

    Es muss Geld in das System und zwar nicht an die Banken, es muss durchgereicht werden bis an die Kommunen da diese von der Schulsanierung über Instandhaltung von Kanalisation, Straßen, Wirtschaftswegen bis zur Flüchtlingsunterbringung die Mittel garantiert zielgerichtet an den richtigen Stellen (konjunkturwirksam!) einsetzen.

  • Es ging vor kurzer Zeit durch die Medien, das bei richtiger Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommenin Europa von internationalen Konzernen wie Apple,Akazon,Starbrucks usw. 60 MILLIARDEN € p.A. in Schäubles Kasse fliessen könnten.

    .

    Wäre doch mal ne Frage wert!

  • Was spricht eigentlich dagegen, Schulden abzubauen, auch im Hinblick darauf, dass die Zinsen irgendwann wieder steigen werden und dann der Haushalt sehr viel stärker durch Schuldentilgung belastet wird ?

    • @Senza Parole:

      Gegen das abbauen von Schulden spricht in erster Linie die Tatsache das es wesentlich mehr Schulden als Geld gibt. Selbst wenn wir 100% allen Geldes aus dem Wirtschaftlichen Umlauf nehmen, und es den Banken zwecks Schuldentilgung überlassen, bleiben also erhebliche Schulden übrig. Und gleichzeitig bricht die Realwirtschaft zusammen, weil sie ohne Umlaufgeld nicht funktionieren kann.

      • @ShieTar:

        Kurfassung: Weil ich jetzt schon zuviele Schulden habe, um sie vollständig zurückzuzahlen, lasse ich es lieber gleich und mache MEHR Schulden, damit wenigstens der Rubel weiter rollt. Klingt ein wenig nach der Lebensphilosophie eines Serien-Insolvenzschuldners...

    • @Senza Parole:

      Ganz einfach, weil man nun Geld in Investitionen stecken könnte, das zu niedrigen Zinsen und damit die Steuern steigen, die wenn die Zinsen tatsächlich irgendwann wieder ansteigen sollten (Sprich falls man die aktuelle Geldblase platzen lässt.) Höhere Steuereinnahmen hat mit der man die nächste Bankenrettung finanzieren könnte.

      • @Sascha:

        Wennschon Keynes, dann aber bitte richtig:

        Antizyklisches, nachfrageorientiertes Wirtschaften heißt, dass man in Zeiten guter Konjunktur die Schulden ABBAUT, die man in Zeiten schlechter Konjuktur aufgenommen hat. Das Konzept, in der Krise aus dem öffentlichen Säckel die Wirtschaft zu stützen und nach der Krise mir einem "Jetzt erst recht!" die Tasche noch weiter zu öffenen, funktioniert nicht.

         

        Konkreter: Im Moment sind die Zinsen niedrig. Aber wenn es schon zu einem Aufschrei führt, dass der Finanzminister mal keine NEUEN Schulden machen will, wie soll es dann je zu einer Rückzahlung kommen? Und wenn es nicht zu einer Rückzahlung kommt, dann werden die neuen Niedrigzins-Schulden auch noch da sein, wenn die Zinsen wieder hochgehen. Und plötzlich wundern sich dann Alle, wieso bei schwächelnder Wirtschaft und sinkenden Steuereinnahmen plötzlich auch noch der der halbe Haushalt für den Schuldendienst verwendet werden muss. Griechenland lässt grüßen...

        • @Normalo:

          @Normalo:

           

          Genau das ist doch der Punkt, es kann zu keiner Rückzahlung kommen, ohne das die Wirtschaft mangels Einnahmen einbricht. Unser Bankensystem erzeugt Geld immer nur in dem Augenblick in dem Schulden aufgenommen werden, und es vernichtet das Geld wieder wenn die Schulden reduziert werden. Übrig bleiben die Zinsschulden, die nicht durch existierendes Geld gedeckt sind, und daher immer nur durch Neuverschuldung bezahlt werden können.

           

          Zumindest in der Summe haben die Staaten also keine Möglichkeit ihre Schulden zu reduzieren. Wie der Versuch ausgeht sieht man ja derzeit in Griechenland, für jede Milliarde um die man die Staatsausgaben reduziert um das Geld an die Banken oder ins Ausland zu überweisen bricht die Binnen-Wirtschaftsleistung um etwa 8 Milliarden ein.

           

          Wer ernsthaft die Reduzierung der Staatsschulden anstrebt, muß daher zuerst ein alternatives System der Geldschöpfung implementieren, in dem zusätzliches Geld von der Zentralbank zum Zwecke des Wirtschaftswachstums in Umlauf gebracht wird, ohne es mit der Forderung auf Rückzahlung zu verknüpfen.

           

          Damit bricht aber natürlich das Geschäftsmodell der privaten Investment-Banken ein. Von daher ist nicht zu erwarten das diese Option von den Bankern der EZB mal selbst vorgeschlagen wird.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Wie wäre es denn, wenn Herr Schäuble den Ankauf von Steuer-CD's unterstützt? Allein davon ist eine sehr erhebliche Mehreinnahme für den Staat zu erwarten, das beweisen alle bisherigen Beispiele. Und dann bleiben da noch die Großkonzerne, die in Luxemburg, Irland oder den Kayman Islands "legal" Pfennigbeträge an Steuern bezahlen, wobei sie (nicht nur) Deutschland ganz gravierenden Schaden zufügen. Eine Finanztransaktionssteuer würde Milliarden in die Kassen bringen. Milliarden!! Ich höre von Schäuble zu diesen Problematiken bestenfalls blöde Ausreden; aktiv setzt er sich nicht ein, diese Riesensauereien zu bekämpfen - im Gegenteil.