Kommentar Wahl in Israel: Logischer Rechtsruck
Nach dem Wahltag sieht es aus, als könnte Netanjahu wieder die Regierung bilden. Seine Politik hat die Israelis linke Träume vergessen lassen.
I srael rückt mit seinem neuen Parlament noch ein Stück weiter nach rechts. Die orthodoxen Parteien verzeichnen einen kleinen, demografisch begründeten Zuwachs, die arabischen Parteien brechen ein. Aus Enttäuschung über das Nationalstaatsgesetz, das sie einmal mehr in der Hierarchie der Bürger Israels herabsetzt, und im sicheren Wissen, doch wieder nicht an der Regierung teilzuhaben, blieb die Hälfte der zur Wahl berechtigten Araber zu Hause. Die Arbeitspartei, die einst den Frieden mit den Palästinensern vorantrieb, ist auf eine lächerliche Minipartei zusammengeschrumpft. Niemand redet mehr über Verhandlungen und einem Ende der Besatzung. Warum auch.
Israels Wirtschaft boomt, Staatsverschuldung und Arbeitslosenquote sinken. Sogar in Sicherheitsfragen lässt sich die Bilanz von Benjamin Netanjahus ausgehender Regierungszeit mit vier Jahren ohne Krieg und – vergleichsweise – wenig Terror sehen. Die Raketen aus Gaza natürlich ausgenommen.
Unter Netanjahu erwärmten sich auch die Beziehung der zuvor auf Minusgrade gefallenen Beziehungen zum Weißen Haus. US-Präsident Donald Trump ist Netanjahus „best buddy“, sein bester Kumpel. Auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin versteht er sich gut. Netanjahu reist in den Sudan und nach Oman. Von internationalem Druck, den Siedlungsbau einzustellen, keine Spur. „Die Besatzung ist schlecht für Israel“, hielt einst Ariel Scharon fest, als er die Siedler aus dem Gazastreifen holte. Lang ist's her.
Seit 30 Jahren zum ersten Mal wird erneut ein Rassist in der Knesset sitzen. „Kahane lebt“, stand auf dem Wahlplakat von Itamar Ben-Gvir, Anwalt jüdischer Terroristen und schon als 18-Jähriger so radikal, dass ihn das Militär wegen seiner politischen Ansichten nicht rekrutieren wollte. Mit Ben-Gvir und den orthodoxen Parteien an seiner Seite könnte Netanjahu sein Versprechen wahr machen und eine Annexion von Teilen der besetzten palästinensischen Gebiete vorantreiben.
Um den Palästinensern den Traum von der Eigenstaatlichkeit zu erhalten, und um Israels Zukunft als jüdischer und demokratischer Staat zu sichern, können die Linken, die Demokraten und die Friedensbefürworter im Land jetzt nur noch auf Rettung aus dem Ausland hoffen.
Noch kurz vor den Wahlen hatte die Bundesregierung die Ausschreibungen für den Neubau Tausender neuer Wohneinheiten für Siedler im Westjordanland und den geplanten Abriss palästinensischer Häuser in Ostjerusalem kritisiert. Um Israels Regierung zum Umdenken zu bewegen, werden aber kritische Worte kaum ausreichen. Die EU ist an der Reihe, über konkrete Schritte nachzudenken.
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