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Kommentar Wahl in IsraelLogischer Rechtsruck

Kommentar von Susanne Knaul

Nach dem Wahltag sieht es aus, als könnte Netanjahu wieder die Regierung bilden. Seine Politik hat die Israelis linke Träume vergessen lassen.

Mehr rechts als Mitte: die Politik Benjamin Netanjahus Foto: reuters

I srael rückt mit seinem neuen Parlament noch ein Stück weiter nach rechts. Die orthodoxen Parteien verzeichnen einen kleinen, demografisch begründeten Zuwachs, die arabischen Parteien brechen ein. Aus Enttäuschung über das Nationalstaatsgesetz, das sie einmal mehr in der Hierarchie der Bürger Israels herabsetzt, und im sicheren Wissen, doch wieder nicht an der Regierung teilzuhaben, blieb die Hälfte der zur Wahl berechtigten Araber zu Hause. Die Arbeitspartei, die einst den Frieden mit den Palästinensern vorantrieb, ist auf eine lächerliche Minipartei zusammengeschrumpft. Niemand redet mehr über Verhandlungen und einem Ende der Besatzung. Warum auch.

Israels Wirtschaft boomt, Staatsverschuldung und Arbeitslosenquote sinken. Sogar in Sicherheitsfragen lässt sich die Bilanz von Benjamin Netanjahus ausgehender Regierungszeit mit vier Jahren ohne Krieg und – vergleichsweise – wenig Terror sehen. Die Raketen aus Gaza natürlich ausgenommen.

Unter Netanjahu erwärmten sich auch die Beziehung der zuvor auf Minusgrade gefallenen Beziehungen zum Weißen Haus. US-Präsident Donald Trump ist Netanjahus „best buddy“, sein bester Kumpel. Auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin versteht er sich gut. Netanjahu reist in den Sudan und nach Oman. Von internationalem Druck, den Siedlungsbau einzustellen, keine Spur. „Die Besatzung ist schlecht für Israel“, hielt einst Ariel Scharon fest, als er die Siedler aus dem Gazastreifen holte. Lang ist's her.

Seit 30 Jahren zum ersten Mal wird erneut ein Rassist in der Knesset sitzen. „Kahane lebt“, stand auf dem Wahlplakat von Itamar Ben-Gvir, Anwalt jüdischer Terroristen und schon als 18-Jähriger so radikal, dass ihn das Militär wegen seiner politischen Ansichten nicht rekrutieren wollte. Mit Ben-Gvir und den orthodoxen Parteien an seiner Seite könnte Netanjahu sein Versprechen wahr machen und eine Annexion von Teilen der besetzten palästinensischen Gebiete vorantreiben.

Um den Palästinensern den Traum von der Eigenstaatlichkeit zu erhalten, und um Israels Zukunft als jüdischer und demokratischer Staat zu sichern, können die Linken, die Demokraten und die Friedensbefürworter im Land jetzt nur noch auf Rettung aus dem Ausland hoffen.

Noch kurz vor den Wahlen hatte die Bundesregierung die Ausschreibungen für den Neubau Tausender neuer Wohneinheiten für Siedler im Westjordanland und den geplanten Abriss palästinensischer Häuser in Ostjerusalem kritisiert. Um Israels Regierung zum Umdenken zu bewegen, werden aber kritische Worte kaum ausreichen. Die EU ist an der Reihe, über konkrete Schritte nachzudenken.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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31 Kommentare

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  • Ein Ausschluss von Olympia oder Fußball-WM könnte nun diskutabel erscheinen. Bei Südafrika ging sowas.



    Alle Optionen müssen auf den Tisch.

  • Da hat auch der ganze Hype für Herrn Gantz (hoffentlich ist das richtig geschrieben) nichts geholfen. Die Deutschen Medien verkaufen ihre Träume als die Realität. Sie werden es nicht lernen, nicht hinsichtlich Trump und auch nicht hinsichtlich Netanyahu! Realitätssinn ist gefragt und nicht: Was hätten wir Journalisten gerne. Vielleicht ein kleiner Tipp für die Zukunft. P. S.: Ich bin von der taz jedoch immer noch begeistert, denn hier finde ich immer wieder Artikel, die sich die "großen" Medien nicht wagen zu veröffentlichen. Dafür ein großes Dankeschön!

  • Im Artikel heißt es: "Um den Palästinensern den Traum von der Eigenstaatlichkeit zu erhalten, und um Israels Zukunft als jüdischer und demokratischer Staat zu sichern, können die Linken, die Demokraten und die Friedensbefürworter im Land jetzt nur noch auf Rettung aus dem Ausland hoffen."

    So was schreiben deutsche Journalist*innen gern - wenn es um Israel geht. Merkwürdigerweise habe ich noch nie gelesen, dass ein deutscher Journalist auf "Rettung aus dem Ausland" hofft, wenn es um Missstände im eigenen Land geht.

    Und die Verwendung der Wörter "Friedensbefürworter" und "Demokraten" allein in Bezug auf die israelische Linke sollte die Autorin noch mal überdenken. Meint Frau Knaul, die israelische Rechte und ihre zahlreichen Wähler wollten keinen Frieden? Sind die so geil auf Raketen und Terroranschläge? Und sind die israelischen Rechten nach Ansicht von Frau Knaul keine Demokraten? Wollen die die freien Wahlen abschaffen? Oder ist ein "Demokrat" für Frau Knaul nur jemand, der ihre Ansichten teilt?

    Die Geschichte zeigt übrigens: Die israelische Linke hat immer gern den Verzicht auf Land propagiert, um Frieden zu schaffen. Aber israelische Regierungen, die von der Arbeitspartei geführt wurden, haben nie auf Land verzichtet. Verzichtet haben immer die Likud-Regierungen - zuletzt beim Abzug aus Gaza und der Beseitigung sämtlicher jüdischer Siedlungen dort. Frieden hat das allerdings nicht gebracht. Vielmehr haben die Palästinenser dort sogleich eine islamistische Terrororganisation gewählt, die Israel vernichten will und ständig neue Gefechte beginnt. Dass die Hamas "rechts" sei, liest man in deutschen Medien aber nicht. "Rechts" sind immer nur israelische Regierungen.

  • Sie haben meine Frage zu den Gebieten, welche von Hamas und PLO regiert werden, nicht beantwortet. Also goen die auch North-Korea oder sind sie es bereits schon?

    • @h3h3y0:

      seit wann sind 'Asa und die übrigen besetzten gebiete atommächte?

  • Ich bin ja kein Bibi-Fan, aber die Tränen der ganzen Israel-Hassenden Kommentatoren hier sind doch irgendwie Gold wert.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Daniel Roth:

      Das mag stimmen.

      Aber nur für Foristen, die keine Unterschiede kennen. Den Unterschied zwischen Netanjahu und Israel (danke, Rinaldo) oder auch zwischen Hass und Kritik.

      Weiter machen! Aber aufgemerkt: Zuviel Differenzierung könnte nur beunruhigen und vermeintliche Sicherheiten ins Wanken bringen.

    • @Daniel Roth:

      Der Abscheu gegen Netayahu richtet sich nicht gegen den Staat Israel, sondern gegen seine extrem rechte Regierung. Zum Glück gibt es noch ein anderes Israel, wie Peace Now oder Brakkng the Silence.

      • @Rinaldo:

        Abscheu gegen einen Menschen? Wie Un-Links.

        • @Kevin Dude:

          Absolut nicht, Abscheu empfinde ich schon vor Kommentatoren, die AfD-Sprech absondern. Und ich würde mich noch nicht einmal als besonders links einordnen, in ihrer Setzkastenwelt bin ich das ganz sicher.

          Es macht eben einen Unterschied, ob der verabscheute sich die Abscheu individuell verdient hat oder ob man ihm nur von Fern qua Geburt irgendetwas Verabscheuungswürdiges andichtet.

      • @Rinaldo:

        Na ja, dieses "andere Israel" existiert, wenn man sich die Wahlergebnisse ansieht, wohl hauptsächlich in den Köpfen von Leuten aus den Ländern, von denen die von Ihnen genannten Organisationen maßgeblich finanziert werden. Ein israelischer Jude kann recht bekannt werden und einen Haufen Geld verdienen, wenn er sagt, was viele Menschen in Europa gern über Israel hören (gerade europäische Linke, die sich z. B. für die türkische Besatzung in Nordzypern einen Dreck interessieren, wollen "israelkritische" Aussagen ja lieber von Juden hören als von antisemitischen Rechten aus ihrer Heimat). Ob er in seinem eigenen Land außerhalb seiner kleinen Echokammer ernst genommen wird, ist eine andere Frage.

      • @Rinaldo:

        "Abscheu" klingt beängstigend nach Schaum vor dem Mund. Bei "Rassismus und Apartheid" trieft er schon. Hilfe!

  • "das Nationalstaatsgesetz, das sie (Araber) einmal mehr in der Hierarchie der Bürger Israels herabsetzt", etwas umständlich formuliert, um nicht Rassismus und Apartheid zu sagen.

    • @Rinaldo:

      Ach, halb so wild. Fragen Sie mal die Juden in arabischen Staaten. Ach, da gibts ja keine mehr.... Warum nur?

      • 6G
        6120 (Profil gelöscht)
        @Kevin Dude:

        Verstehe. Auge um Auge, Zahn um Zahn...

        • @6120 (Profil gelöscht):

          So isses.

  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    Man sollte mal zählen, wie oft in den letzten Jahrzehnten der israelischen Politik ein "Rechtsruck" attestiert worden ist. Es müssen dutzende, wenn nicht hunderte Male sein. Hingegen kann ich mich an keinen einzigen "Linksruck" erinnern. Da kann man sich nur darüber wundern, dass Israel immer noch eine liberale Demokratie und keine faschistische Diktatur ist.

    • 9G
      94023 (Profil gelöscht)
      @75026 (Profil gelöscht):

      Es gibt meiner Ansicht nach auch liberalen Faschismus. Der Führer ist im liberalen Kapitalismus eben der Banker oder Konzernboss. Er kann an manchen Orten mit seinen Mitarbeitern machen was er will, über Wohl und Wehe entscheidet das Geld, der Job. Es kommt nicht selten vor, dass sich vom Liberalismus gequälte Menschen das Leben nehmen. Viele Israelis leben in bitterer Armut und das sicher nicht zuletzt aufgrund eines Liberalismus, der, wörtlich genommen, bestenfalls etwas mit der Freiheit einiger weniger Plutokraten zu tun hat.

  • oke, Israel goes north-korea

    • @christine rölke-sommer:

      Goet Deutschland denn auch North-Korea?

      Was halten Sie von Demokratie unter Hamas und PLO? Goen die auch North-Korea oder sind sie es bereits?

      • @h3h3y0:

        gewisse parallelen zur wahl 2006 sind jedenfalls unverkennbar.

  • .. ich finde, der " Abriss palästinensischer Häuser in Ostjerusalem" geht die Deutschen und Ausland in etwa so wenig an, wie z.B. der Abriss alter Häuser im Breslau!

  • Linke Träume träumt man am besten in einem Zustand völliger Freiheit und völligem Frieden. In einem Zustand, wo jeder Nachbar einen vernichten will, sind linke Träume nur Schäume. No Borders? In Israel?Lol. Kein Militär? In Israel? Rofl.

    • @Kevin Dude:

      Wenn Sie genau gelesen haben, werter IMAGO, steht da im Text: "Die EU ist an der Reihe, über konkrete Schritte nachzudenken." Ich finde diesen Satz zwar etwas seltsam, denn Israel ist ja immerhin ein souveräner Staat, der seine Entscheidungen ohne fremde Einmischung treffen können sollte. Aber die Aussage passt natürlich super in die derzeitige Weltlage. Der Starke fühlt sich derzeit immer und überall berufen, Recht und Ordnung wiederherzustellen. Und Deutschland (zumindest ein Teil seiner Bürger) fühlt sich 30 Jahre nach der Wiedervereinigung offenbar wieder erstaunlich stark. Nicht nur wirtschaftlich. Eine derartige „Ansage“ also könnte durchaus bedeuten, dass Deutschland Druck auf die Palästinenser ausüben soll. Die wollen ja immerhin Unterstützung sehen aus Deutschland.

      Allerdings: Sollten sich die Palästinenser um des lieben Geldes willen am Riemen reißen und so tun, als ginge ihnen ihre Diskriminierung an A... äh: am verlängerten Rücken vorbei, würde davon auch nur Netanjahu und seine Freunde profitieren. Schließlich: Susanne Knaul und (zu) viele Israelis rechnen dem Premierminister "vier Jahre[] ohne Krieg und [mit] – vergleichsweise – wenig Terror" als alleiniges Verdienst an. Das "Verdienst" der Palästinenser aber würden sie vermutlich nicht einmal dann anerkennen, wenn diese sich freiwillig in die Sklaverei begeben würden. Die Palästinenser sind einfach verschwunden aus dem Fokus der meisten Israelis.

      Das, werte*r IMAGO, ist das eigentlich Schlimme an der Wiederwahl Netanjahus: Sie zeigt, wie verroht und egoistisch die Israelische Gesellschaft nach 40 Jahren fast ununterbrochener Likud-Herrschaft ist. Danke Benjamin Netanjahu. Und danke, ihr treuen, linksliberalen "Freunde" Israels.

  • 9G
    90634 (Profil gelöscht)

    "Um den Palästinensern den Traum von der Eigenstaatlichkeit zu erhalten, und um Israels Zukunft als jüdischer und demokratischer Staat zu sichern, können die Linken, die Demokraten und die Friedensbefürworter im Land jetzt nur noch auf Rettung aus dem Ausland hoffen."

    "Das Ausland" macht im steten Bemühen, Bevölkerungen zu "retten", die Sache für die Bevölkerung meistens nur schlimmer - besonders dann, wenn konkretere Schritte als kritische Worte gefordert werden, also irgendwas zwischen Wirtschaftssanktionen und Einmarsch.

  • Die Befreiung Israels muss nun von außen kommen.

    • @Linksman:

      From river to the sea?

      • @h3h3y0:

        die befreiung von Jabotinskys wilder jagd und Benzion Netanyahus gespenstern

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Bullshit!

    Dummheit ist einmal mehr international ... und grenzenlos.