Kommentar WHO und Pharmaindustrie: Spielplatz für Multimilliardäre

Die Weltgesundheitsorganisation lügt, wenn es um Folgen von Atomunfällen geht. Noch schlimmer: Sie befindet sich im Würgegriff von Kapitalinteressen.

Ein Chirurg wäscht sich vor der OP die Hände

Wie sauber arbeitet die WHO mit ihren Geldgebern? Foto: Unsplash/ Piron Guillaume

Als junger Medizinstudent war ich voller Bewunderung. Was für eine mächtige, weltumspannende Organisation, die so viel Gutes tut! Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte Gesundheit zum Grundrecht eines jeden Menschen, bezeichnete die Gesundheit aller Völker als Voraussetzung für Frieden, und definierte Gesundheit als den „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen“. 1948 wurde die WHO gegründet. Es ist ihr gelungen, die Pocken auszurotten. Die Kinderlähmung wurde massiv zurückgedrängt. Seit über 70 Jahren arbeitet die WHO also zum Wohle der Menschheit. Dachte ich jedenfalls.

Zum ersten Mal stutzig wurde ich 2008 auf einer internationalen Tagung über „Electronic Health“ in Wien, als ein WHO-Sprecher vom Nutzen der elektronischen Gesundheitskarte für Afrika schwärmte. Von gesundheitlichen Problemen in Afrika hatte ich schon viel gehört, aber dass die Elektronik dort einen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage leisten könnte, war mir neu. Na gut, dachte ich, Spinner gibt es überall.

Dann kam 2009 die Schweinegrippe. Gerüchte über Bestechlichkeit, sogenannte „Interessenskonflikte“ wurden laut. Die WHO erklärte diese eher harmlose Infektionskrankheit zu einer Pandemie der höchsten Gefährlichkeitsstufe und schuf damit einen grandiosen Markt für unwirksame Grippemedikamente und eine umstrittene Impfung. Deutschland, Frankreich, England und weitere europäische Staaten hatten Verträge mit Impfstoffherstellern wie Novartis, Sanofi oder Glaxo abgeschlossen, mit denen sie sich zum Ankauf des Schweinegrippen-Impfstoffs verpflichteten, wenn die WHO die höchste Pandemie-Warnstufe ausrufen würde.

Die Bild-Zeitung posaunte am 21. 10. 2009 die Schlagzeile eines „Schweine­grippen-Professors“ ins Land, der 35.000 Tote in Deutschland vorhersagte. So kam es außerdem noch zu tonnenweisen Ankäufen von „Grippemedikamenten“, etwa Tamiflu. Alle Warnungen seriöser Wissenschaftler, dass diese Medikamente nichts helfen, sondern im Gegenteil mit ernsten unerwünschten Wirkungen zu rechnen sei, wurden ignoriert. Am Ende machte ein britischer Unterhausabgeordneter den Vorschlag, die Tabletten anstelle von Streusalz zu verwenden, denn der Winter 2009 war in Großbritannien eisig.

Geheimvertrag mit Atomenergie-Behörde IAEO

In Liberia, in Guinea und in Sierra Leone kam es 2014 zu einer Ebola-Epidemie, in deren Verlauf über 10.000 Menschen starben. Trotz rechtzeitiger Warnungen setzten die Hilfsmaßnahmen der WHO viel zu spät ein, wurden aber sogleich hektisch, als eine Beeinträchtigung des internationalen Flugverkehrs drohte. Der Schutz der westlichen Welt vor unkontrollierbarer Ausbreitung stand obenan, die betroffenen drei ärmsten Ländern der Welt wurden komplett isoliert. Die erschütternde medizinische Katastrophe selbst hingegen war zunächst kein Grund für die WHO, zu intervenieren.

Es gibt einen Geheimvertrag zwischen der WHO und der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEO aus dem Jahre 1959, der die WHO verpflichtet, nichts zu veröffentlichen und nichts zu propagieren ohne vorherige Genehmigung durch die IAEO. Warum hat die WHO weder in 33 Jahren seit der Katastrophe von Tschernobyl noch in 8 Jahren seit der Katastrophe von Fukushima die „Gesundheit aller Völker“ zur Maxime ihres Handelns gemacht? Weil sie sich vertraglich zu Desinformation, Bagatellisierung und Abwiegelei verpflichtet hat! Selbst die Dokumente von zwei UN-Konferenzen zum Thema Tschernobyl, die 1995 in Genf und 2001 in Kiew stattfanden, werden von der WHO bis heute geheim gehalten. Denn laut IAEO sind durch die Folgen von Tschernobyl „weniger als 50 Tote“ zu beklagen. Da ist ein weiterer Kommentar überflüssig.

In den 90er Jahren froren viele Regierungen ihre Beiträge zur WHO ein, einige stellten die Zahlungen ganz ein. In dieser für die WHO existenziellen Phase traten edle Ritter auf den Plan, an erster Stelle die Bill-and-Melinda-Gates-Stiftung. Fern von demokratischer Legitimation durch die Vereinten Nationen erklärte die Gates-Stiftung Malaria, Tuberkulose und Aids zu den drei Hauptgeißeln der Menschheit und stellte – nicht nur der WHO – Milliarden von Dollar für die Forschung und Entwicklung von Medikamenten zur Verfügung. Es steht außer Frage, dass sie damit sehr viel Gutes taten.

Je nachdem, wie man es berechnet, wird der Etat der WHO aber inzwischen zu mindestens 50 Prozent, unter Einbeziehung der PPP-Initiativen sogar zu 80 Prozent von Stiftungen, NGOs und Privatleuten bestritten. Deren Mittel sind zweckgebunden. Selbst wenn es gute Zwecke sind, so hat die WHO damit ihre Unabhängigkeit und Selbstständigkeit verloren.

Doppelter Profit durch Krankheits-Verursachung und Heilung

Die Gates-Stiftung hält Aktien von Nahrungsmittel-, Alkohol- und Pharmakonzernen. Je höher deren Gewinne sind, desto mehr Geld hat die Stiftung. Die WHO müsste, entsprechend ihrem Auftrag, gegen das aggressive Marketing der Hersteller von Junkfood voller Zucker, Fett und Salz vorgehen. Sie würde damit aber an dem Ast sägen, auf dem sie sitzt. Nahrungsmittelkonzerne sorgen dafür, dass sich Übergewicht, Gefäßkrankheiten und Diabetes auf der ganzen Welt immer mehr ausbreiten, um anschließend mit der Pharmaindustrie die „Lösungen“ dafür gewinnbringend zu verkaufen. Die Eroberung der WHO durch Konzerne und Stiftungen ermöglicht auf diese Weise doppelten Profit, einmal bei der Verursachung von Krankheiten und dann an deren Behandlung.

Fazit: Mit Electronic Health für Afrika machte sich die WHO lächerlich, mit der Schweinegrippen-Hysterie sorgte sie für Milliardenumsätze der Pharmaindustrie, bei der Ebola-Epidemie reagierte sie viel zu spät, und in Fragen der Kernkraft und der Atomstrahlung belog und belügt die WHO die Welt nach wie vor. Heute ist sie ein Spielplatz für Multimilliardäre, die sich die Weltgesundheitspolitik als Hobby und als Geschäftsmodell gewählt haben.

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war Oberarzt an der Chirurgischen Klinik am Städtischen Krankenhaus Frankfurt am Main-Höchst und betrieb eine chirurgische Praxis in der Frankfurter Innenstadt. Er ist Herausgeber der Taschenbuchreihe „medizinHuman“ im Suhrkamp-Verlag.

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