Kommentar Vorgeburtliche Bluttests: Downsyndrom ist keine Krankheit
Die Kostenübernahme von Bluttests wäre ein fragwürdiges Signal. Nicht die Beeinträchtigung ist das Problem, sondern fehlende Inklusion.
![Eine Frau, Natalie Dedreux Eine Frau, Natalie Dedreux](https://taz.de/picture/3380120/14/22775064.jpeg)
F rauen müssen das Recht haben, über ihre Körper selbst zu entscheiden. Sie brauchen freien Zugang zu Verhütungsmitteln, Informationen und ÄrztInnen. Die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs sollte in einer emanzipierten Gesellschaft Menschenrecht sein und damit zur legalen medizinischen Grundversorgung gehören. Ist ein Mensch mit Uterus schwanger, ist es allerdings nicht Aufgabe des Staates, die Entscheidung zu beeinflussen, ob die Schwangerschaft ausgetragen werden sollte – sondern die Entscheidung bestmöglich zu unterstützen, wie auch immer sie ausfällt.
Dazu zählt in einem ersten Schritt das klare Signal, dass jede Schwangerschaft willkommen ist. Das gilt für Frauen, die einen Fötus ohne Auffälligkeit austragen, genauso wie für diejenigen, bei deren Föten etwa mit vorgeburtlichen Bluttests eine Auffälligkeit wie Downsyndrom diagnostiziert wird. Der Bundestag hat heute darüber debattiert, ob entsprechende Tests für bestimmte Schwangere Kassenleistung werden sollten. Doch das wäre ein fragwürdiges Signal.
Downsyndrom ist keine Krankheit, sondern eine Normabweichung. Doch in einer leistungsorientierten Gesellschaft ist für Ausnahmen von der Regel wenig Platz. Kinder mit Beeinträchtigung werden strukturell diskriminiert, weshalb auch ihre Eltern oft kämpfen müssen. Kitas und Schulen sind längst nicht inklusiv, genauso wenig wie der Arbeitsmarkt. Ein Leben mit Beeinträchtigung ist oft deshalb schwer, weil die Rahmenbedingungen schwer sind. Dass die Frage überhaupt gestellt wird, ob man eine Schwangerschaft austrägt, an deren Ende die Geburt eines Kindes mit Downsyndrom steht, ist Ausdruck dieser Probleme.
Die Tests sind bezahlbar. Wenn eine Frau in Folge ihre Schwangerschaft abbricht, sollten ihr keine Vorhaltungen gemacht werden. Doch die Politik sollte den Test nicht als selbstverständlich hinstellen. Das Recht von Frauen auf die Entscheidung über ihre Körper und die gesellschaftliche Akzeptanz für Menschen mit Behinderung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es braucht beides.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören