Kommentar Ursula von der Leyen: Die Umfallerin
Wieder ist sie zurückgewichen. Aber der Quotenkompromiss der CDU schadet nicht nur der Ministerin, sondern der ganzen Gesellschaft.
U rsula von der Leyen hat die Quotenregelung immer wieder als Gretchenfrage bezeichnet. Dies ist also nicht irgendeine Frage der Tagespolitik. Es geht um Grundsätzliches und damit auch um die Glaubwürdigkeit der Ministerin selbst. Von der Leyen hat oft mit großer Geste gefordert, dass es eines Gesetzes bedürfe, wenn sich in Sachen Frauenanteil auf der Top-Ebene der DAX-Konzerne nichts täte.
Sie ließ sich feiern als eine, die Klartext spricht. Die unabhängig von Bundeskanzlerin Merkel für mehr Geschlechtergerechtigkeit kämpft. Und die eine elementare Modernisierung der CDU anstrebt, damit die auch für junge, gut ausgebildete Frauen wählbar ist.
Dieses Image hat lange funktioniert. Dank ihrer flammenden Rhetorik in Sachen Quote wurde von der Leyen nachgesehen, dass sie beim Betreuungsgeld letztlich klein beigab. Dass sie auch beim Streit über die Lebensleistungsrente verlor, ist rasch gnädigem Vergessen anheimgefallen. Doch jetzt dürfte mit der Selbstinszenierung als unbestechliche Kämpferin Schluss sein. Übrig bleibt das Bild einer Umfallerin, die als Löwin startete und als Bettvorleger endet.
Denn was hier als Kompromiss verkauft wurde, ist in Wahrheit eine Niederlage für alle Unionsfrauen, die sich unter anderem in der Berliner Erklärung für eine Frauenquote eingesetzt haben.
ist Chefredakteurin der taz.
Die CDU will ins Wahlprogramm schreiben, dass ab 2020 eine gesetzliche Quotenregelung greifen soll. Das mag für die Union beachtlich sein und es mag eine gewisse symbolische Wirkmächtigkeit entfalten. Mehr aber nicht. Jeder weiß, dass nirgendwo mehr gelogen wird als in Wahlprogrammen.
Die engagierten Unionsfrauen haben die historische Chance ungenutzt gelassen, jetzt tatsächlich eine verbindliche gesetzliche Regelungen zu beschließen, die verlässlich ab 2018 gegriffen hätte. Wenn die Hürde, mit der Opposition zu stimmen, zu hoch war, hätte man andere Wege finden können, beispielsweise einen eigenen Antrag.
Doch nun haben alle verloren. Familienministerin Schröder, deren träumerische Vorstellung einer erfolgreichen Flexiquote ein zeitliches Limit gesetzt wurde. Angela Merkel, die sich einmal mehr einer wirklichen Modernisierung der CDU verweigert. Und allen voran eben Ursula von der Leyen. Der größte Verlierer allerdings ist die Gesellschaft, Männer wie Frauen, die beide von einer gesetzlichen Quote profitieren würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten