Kommentar Unterhaltsvorschuss: Geld her oder Knast
Führerscheinentzug? Um den Unterhalt von säumigen Eltern einzutreiben, hat der Staat bessere Möglichkeiten: Pfändungen, Geldbußen, Gefängnis.
S igmar Gabriel weiß, wie verzweifelt Mütter sein können, deren Expartner sich um den Kindesunterhalt drücken. Der Vater des einstigen SPD-Chefs hatte sich seinerzeit geweigert, der Mutter Geld für den Sohn zu zahlen. Das ist lange her und Gabriel mittlerweile selbst dreifacher Vater. Aber das Problem mit dem Unterhalt, den Väter nicht aufbringen wollen oder können, ist geblieben.
Seit vor einem Jahr der Unterhaltsvorschuss für bedürftige Alleinerziehende und deren Kinder bis 18 Jahre ausgeweitet wurde, ist auch die Zahl der Anspruchsberechtigten gestiegen: laut Süddeutscher Zeitung von 414.000 auf 714.000 Kinder. Dafür gibt der Staat über eine Milliarde Euro aus. Geld, das er bei den zahlungspflichtigen Vätern (und Müttern) wieder eintreiben will und soll. Doch die sogenannte Rückholquote beträgt nur rund 20 Prozent.
Das hat Gründe: Manche Väter wollen der Ex und dem gemeinsamen Kind nichts zahlen, sie rechnen sich „arm“ und verschleiern Konten. Andere können nicht zahlen, weil sie selbst nichts haben. Nur ein Viertel der alleinerziehenden Eltern erhält dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter zufolge vom Expartner (oder der Expartnerin) den Unterhalt, der ihnen zusteht. Ein weiteres Viertel bekommt zu wenig Geld.
Um säumige Väter und Mütter zur Rechenschaft zu ziehen, gibt es eine Menge populistische Vorschläge wie etwa den Entzug des Führerscheins. Kann man machen, das tut vielen wirklich weh. Ist aber nicht in jedem Fall eine tolle Idee, beispielsweise auf dem Land ohne ÖPNV. Und kann unter Umständen Existenzen zerstören, wenn für den Broterwerb das Auto vonnöten ist.
Zudem hat der Staat andere Sanktionsmöglichkeiten: Konten- und Gehaltspfändungen, Geldbußen, Gefängnisstrafen. Das Problem indes ist, dass die meisten Jugend- und Unterhaltsvorschussämter nicht nur heillos überlastet sind, sondern häufig nicht zusammenarbeiten. Anders als in Bayern, wo das Eintreiben von Alimenten zentralisiert wurde. Bayerische Beamtinnen sammeln knapp ein Drittel der Vorschüsse wieder ein.
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