Kommentar Trumps Skandal-Video: Ach so, sexistisch
Die republikanische Empörung über Donald Trump ist verlogen. Aber bitte, sollte sie dem Kandidaten schaden, nur zu!

D ebbie Wassermann Schultz, Ex-Parteichefin der Demokraten, ist „hoch neurotisch“. Senatorin Elizabeth Warren ist „Pocahontas“ und die Washington Post-Bloggerin Jennifer Rubin bestimmt nur „in (den republikanischen Ex-Kontrahenten) Marco Rubio verliebt?“ Frauen sind sonst noch wahlweise „fette Säue, Hündinnen, Schlampen“ oder „ekelhafte Tiere“. Und TV-Moderatorin Megyn Kelly, die ihm all das vorhielt, sei dabei „das Blut rausgeflossen, wo auch immer“. „Bimbo“ wollte er, der republikanische Präsidentschaftskandidat, Megan Kelly indes nicht nennen, „da das politisch nicht korrekt wäre“.
Und jetzt kommt also heraus, dass Donald Trump auf obszöne Weise über Frauen herzieht. Ach so, sexistisch.
Einer Bombe gleich hat die Washington Post ein 11 Jahre altes Video in den US-amerikanischen Wahlkampf geworfen. Der O-Ton darin erzeugt leichte Übelkeit, man lauscht den Übergriffsfantasien eines Widerlings.
Es gibt Stimmen in der Linken, die es gleich finden, wer den US-Apparat vom Weißen Haus aus steuert. Das ist es nicht, schon gar nicht bei einem reaktionär-rassistischen und sexistischen Volksverführer. Jeder Widerstand gegen ihn ist willkommen. Die Welle der Empörung aber, die republikanische Politiker und Politikerinnen in den Vereinigten Staaten orchestriert haben, ist verlogen.
„Jeder“, der ihn kenne, wisse, dass „diese Worte nicht meine Persönlichkeit widerspiegeln“ – das war die Art von Entschuldigung, die Donald Trump am Samstag in einem Video zu bieten hatte. Zu denken, dass Trump tatsächlich moralisch problematisch findet, was auf dem Band von ihm zu hören ist, ist verschwendete Hirnmasse. Jede/r, die oder der schon einmal einer zotigen Männerrunde in der Sauna zugehört hat, weiß es besser. Auch Republikaner gehen vermutlich gelegentlich in eine Sauna. Und sie stehen seit Monaten hinter einem Kandidaten, der schon längst alles über Frauen gesagt hat.
Republikaner müssen um ihre Reputation fürchten
Nun aber fällt das Offenkundige, das für jeden Sichtbare in die Phase des akuten Wahlkampfes. Hier geht es nicht nur um einen Präsidenten. Hier wollen Abgeordnete wiedergewählt, Gouverneure im Amt bestätigt werden. Und während an einer Kunstfigur wie Trump zumindest bislang Schmutz jeder Beschaffenheit abzuprallen scheint, gilt das nicht für andere Republikaner/innen. Sie müssen fürchten, in seinem Schlepptau wirklich dreckig zu werden. Die Angst steigt – um ihre persönliche Macht und um die der Republikaner im Staat.
Gerade Erzkonservative wie im Mittleren Westen fürchten ihre streng gläubige Klientel. Diese hält es zwar aus, wenn Frauen erniedrigt und beleidigt werden. Laut und obszön über Sex zu reden aber, das ist zu viel.
Viele Amerikaner sind davon mehr abgestoßen als davon, Frauen als Schweine zu bezeichnen. Es mag jetzt Republikaner/innen geben, die sich in aller Ehrlichkeit schamrot vom Kandidaten abwenden wollen; eben das zu tun, was sie bislang nicht für angezeigt gehalten haben. Sollen sie alle den Preis dafür zahlen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen