Kommentar Stellenabbau in Sachsen: Wut auf Siemens
Siemens streicht in Sachsen über tausend Stellen. Für den Osten ist das eine Katastrophe. In Leipzig trifft es ein 120 Jahre altes Werk.
D ie Meldung schlug ein wie eine Bombe: Es stimmt, Siemens schließt Werke in Leipzig und Görlitz mit zusammen 920 Arbeitsplätzen. Am Donnerstag vergangener Woche bestätigten sich damit die Gerüchte, von denen die MitarbeiterInnen überhaupt erst aus den Medien erfahren hatten. Beschäftigte, Betriebsrat und Gewerkschaften fürchten, dass mehr Leute betroffen sein werden. In Plagwitz bangen nun 270 MitarbeiterInnen um ihre Jobs.
Und allein Görlitz, östlichste Stadt Deutschlands mit rund 56.000 Einwohnern, verliert nach Angaben des Betriebsrates womöglich sogar 950 Arbeitsplätze. Auch Erfurt ist betroffen. Es ist eine Katastrophe für den ohnehin schon strukturschwachen Osten.
Entsprechend entsetzt fallen auch parteiübergreifend die Statements aus: Von Linken über Grüne bis hin zur CDU sind alle entsetzt über die Entscheidung des Großkonzerns, der finanziell bestens aufgestellt ist. Beispielhaft dafür ist die Wut von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der nicht gerade als linksradikal gilt: „Milliardengewinn und gleichzeitig der Rausschmiss von Tausenden Mitarbeitern – Siemens zeigt, dass das leider kein Widerspruch ist. Wir haben es hier mit einem Weltkonzern zu tun, der jede Verantwortung für Mitarbeiter und Regionen von sich weist und stattdessen Buchhalter entscheiden lässt.“
Siemens habe offensichtlich die Energiewende und deren Auswirkungen auf das Geschäft verschlafen, „ausbaden muss das jetzt nicht das Management, sondern die Belegschaft.“ Leipzig hat schon Erfahrung mit Schließungsplänen von Siemens: Schon 2013 wollte der Konzern ein Werk in Böhlitz-Ehrenberg schließen. Proteste und Gespräche konnten den Abbau von rund 300 Arbeitsplätzen allerdings damals abwenden.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de
Ob die geplante Schließung des Leipziger Werkes überhaupt auf wirtschaftliche Verluste zurückzuführen ist, bleibt dabei ausgesprochen zweifelhaft. Der städtische Amtsleiter für Wirtschaftsförderung, Michael Schimansky, sprach in der LVZ von „Milliarden von Euro an Subventionen“, die im Osten von Siemens kassiert wurden.
In der Klingenstraße in Plagwitz trifft die Schließung ein Werk, das es seit dem Jahr 1898 gibt. Dort werden unter anderem Getriebeteile für Gasförderanlagen für den Großkonzern hergestellt. Die Gewerkschaft IG Metall spricht von „vollen Auftragsbüchern“ bis Ende 2018. Der Konzernleitung ist das offenbar egal. Bitter ist da die Ironie, dass Siemens in Leipzig als Sponsor des Wirtschaftspreises „Via Oeconomica“ auftritt. Der zeichnet Unternehmen aus: für Kontinuität und Standorttreue.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden