Kommentar Sondierungsverhandlungen: Hoffentlich nur Strategie
Auf die Aufweichung geltender Klimaziele können sich die Grünen niemals einlassen. Das sollten auch die Hardliner von Union und FDP wissen.
W as sich am Donnerstag bei den Sondierungsgesprächen zum Thema Klimaschutz abgespielt hat, kann eigentlich nur eine große Show sein. FDP und Teile der Union wollten durchsetzen, dass die deutschen Klimaziele nicht verbindlich gelten, sondern nur einen Wunsch der künftigen Koalitionspartner darstellen. Der kann dann in Erfüllung gehen – oder eben auch nicht.
Dass sich die Grünen darauf einlassen, können die Schwarz-Gelben nicht ernsthaft erwartet haben.
Zur Erinnerung: Das Versprechen, die deutschen CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken, hatte einst die Große Koalition im Jahr 2007 abgegeben. Und Kanzlerin Angela Merkel persönlich hat im jüngsten Wahlkampf noch einmal bekräftigt, dass es dabei bleibt. Und jetzt sollen sich ausgerechnet die Grünen darauf einlassen, dahinter zurück zu fallen? No way.
Zudem sind die Argumente, die die Verhandler Armin Laschet (CDU) und Hermann Otto Solms (FDP) gegen die Klimaziele ins Feld führen, extrem schwach. Laschet behauptet, dass sich die Lage seit der Verabschiedung der Klimaziele geändert habe, schließlich sei Deutschland danach als Konsequenz aus der Fukushima-Katastrophe aus der Atomkraft ausgestiegen. Das ist Geschichtsklitterung: 2007 galt der von Rot-Grün beschlossene Atomausstieg, der ähnliche AKW-Restlaufzeiten vorsah wie der zweite Ausstiegsbeschluss von Schwarz-Gelb von 2011, mit dem die zwischendurch beschlossene Laufzeitverlängerung wieder rückgängig gemacht wurde.
Im Reich der Legenden
Die Warnung von FDP und Union, dass die Energiewende die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie bedroht, gehört ebenfalls ins Reich der Legenden. Oder ist den Wirtschaftsexperten entgangen, dass der deutsche Exportüberschuss trotz Energiewende immer neue Rekorde bricht?
Auch die Sorge vor hohen Kosten ist kein Argument mehr gegen eine schnellere Energiewende. Anders als in der Vergangenheit sind neue Wind- und Sonnenkraftwerke so günstig, dass sie die Strompreise kaum noch steigen lassen. Wer den Kunden wirklich helfen will, muss nicht den Bau neuer Anlagen bremsen, sondern die Kosten für die alten gerechter verteilen.
Das alles sollten eigentlich auch die FDP und die Unions-Hardliner wissen. Ihre Weigerung, die Klimaziele als verbindlich anzuerkennen, dürfte darum eher strategisch motiviert sein: Wenn sie das – eigentliche selbstverständliche – Festhalten an den international zugesagten Klimazielen am Ende als großes Zugeständnis an die Grünen verkaufen, können sie im Gegenzug ihre eigenen Postionen bei anderen strittigen Themen leichter durchsetzen.
Falls der Plan, die Klimaziele aufzuweichen, hingegen doch ernst gemeint sein sollte, dürften die Sondierungen schnell zu Ende sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül