Kommentar Scheitern des NPD-Verbots: Den Kampf fechten andere aus
Die NPD wird nicht verboten. Das mag ein Erfolg für den Rechtsstaat sein. Auf lokaler Ebene wird es fatale Folgen haben.
D as Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung zum NPD-Verbotsantrag des Bundesrates verkündet. Nicht alle Richter waren bei der Verhandlung in Karlsruhe von den Argumenten für ein Parteiverbot überzeugt. Zum zweiten Mal ist damit ein Verbot der ältesten rechtsextremen Partei Deutschlands gescheitert.
Für den Rechtsstaat mag das ein Erfolg sein. Für die Zivilgesellschaft aber ist das Scheitern ein Schlag ins Gesicht – eine gravierende Niederlage mit nachhaltigen Auswirkungen.
Die Demokratie müsse die NPD aushalten, der Rechtsstaat die Entscheidung tragen – so wurde in der Debatte um das Verbot staatstragend demokratietheoretisch kommentiert. Das klingt souverän, doch wer schlägt sich mit der Partei in der politischen Auseinandersetzung vor Ort herum und tritt ihren Mitgliedern offensiv im Alltag entgegen? Die Kommentatoren in Medien und Politikwissenschaft?
Ihre Lebenswelten sind meist kaum von rechtsextremem Hass und Hetze beeinflusst. Virtuelle Anfeindungen kann man nicht mit direkten Auseinandersetzungen gleichsetzen. Die Kommentatoren müssen sich nicht im Kindergarten gegen eine Erzieherin mit privaten Verbindungen zur NPD auseinandersetzen, bevor diese gehen muss. Sie brauchen nicht die Öffentlichkeit zu suchen, um eine Lehrerin mit Parteibuch zu stoppen, die einzelne Schüler für die NPD-Jugendorganisation anwirbt.
Die Kommentatoren werden nicht von ihrem Nachbarn, der die NPD ein Szenezentrum mitnutzen lässt, täglich angefeindet. Sie müssen sich nicht fragen, ob ihre Scheune abbrannte, weil sie sich offen gegen Rechts engagiert haben.
Sie müssen auch nicht nach Wegen suchen, um NPD-Kader, die in Ehrenämter drängen, fernzuhalten, oder nach Mitteln, um NPD-Propaganda in Betrieben entgegenzuwirken. Sie müssen sich nicht rechtlich verantworten, weil sie mit friedlichen Blockaden versuchen, einen angemeldeten NPD-Aufmarsch frühzeitig zu beenden.
Den Widerspruch zwischen der legalen Partei und den tatsächlichen Positionen ihrer Mitglieder und Untestützer ertragen andere – jene Engagierte in den Gemeinden, den Kommunalparlamenten und auf den Straßen. Das Scheitern des Verbotes erschwert die Auseinandersetzung auf lokaler Ebene. Die NPD kann nun stets auf die richterliche Entscheidung verweisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance