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Kommentar Schäubles Lawinen-SatzMerkels Menetekel

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Die Wortwahl Wolfgang Schäubles ist mehr als eine sprachliche Fühllosigkeit. Mit ihr rückt er deutlich hörbar von der Kanzlerin ab.

Auf Distanz: Schäuble und Merkel. Foto: dpa

M onatelang war Wolfgang Schäuble der Mann weniger Worte an Angela Merkels Seite. Brav hatte der Bundesfinanzminister gegen seine eigene Überzeugung die Milliarden für Griechenland durchgeboxt. Und als wegen des Flüchtlingszuzugs die Frage aufkam, wie das alles bezahlt werden solle, beschwichtigte er, am Geld werde die Sache jedenfalls nicht scheitern.

Doch jetzt scheitert „die Sache“ möglicherweise an Schäuble selbst. Aus Merkels Mann ist binnen weniger Wochen Merkels Menetekel geworden. Gerade hat der einflussreiche Unions-Politiker die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge als „Lawine“ bezeichnet. Ausgelöst würden Lawinen bekanntlich, „wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer an den Hang geht und ein bisschen Schnee bewegt“. Es war deutlich, dass mit diesem Skifahrer niemand anderes als die Kanzlerin gemeint sein konnte.

Man könnte dieses Bild einordnen in die Reihe jener sprachlichen Fühllosigkeiten, die in diesen Monaten durch die Berichterstattung geistern. Wo im Zusammenhang mit Menschen auf der Flucht von Wellen, Fluten und Strömen gesprochen wird, da ist die Lawine nicht weit. Die neue deutsche Härte findet ihren Ausdruck natürlich auch in instinktlosen Sprachbildern.

Aber in diesem Konzert der Zweifler, Nörgler, Entmutiger ist Wolfgang Schäuble eine besonders wichtige Stimme. Merkels loyaler Kassenverwalter rückt deutlich hörbar von der Chefin ab. Erst Ende Oktober hatte er vor der versammelten Unions-Fraktion erklärt, die Stimmung an der Basis sei „dramatisch“ schlecht. Am Sonntag stellte er sich vor Innenminister Thomas de Maizière, der den Schutzstatus syrischer Flüchtlinge zur Disposition gestellt hatte. Er, Schäuble, halte das „für eine notwendige Entscheidung“. Deutschlands Aufnahmekapazität sei „nicht unbegrenzt“. Unbegrenzt, das ist sprachlich ganz nah an der Obergrenze, jenem Wort, das Merkel sich beharrlich weigert, in den Mund zu nehmen.

Schlacht der Wörter

Die erbittert ausgetragene Schlacht der Wörter zeigt überdeutlich, wie unerfahren die CDU in der Kunst des Streitens ist. In einer Partei, in der bis vor kurzem schon das Heben einer Augenbraue der Vorsitzenden als Zeichen äußerster Verstimmung interpretiert wurde, scheut man die offene Auseinandersetzung.

Bis jetzt mag das funktioniert haben. Eine 43-Prozent-Partei konnte sich Kritik verbitten. Doch nun, da täglich tausende Flüchtlinge ins Land kommen, funktioniert das nicht mehr. Die CDU braucht eine, auch öffentliche Selbstverständigung über ihre Prinzipien, über das C im Parteinamen. Dass sie das ausgerechnet übt, wenn es um Notleidende geht, ist tragisch. Tragisch für die Flüchtlinge.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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10 Kommentare

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  • Schäuble spielt sehr bewusst das demagogische Repertoire: Menschen zur 'Naturkatastrophe' und entpersonalisierten Bedrohung erklärt. 1. Dem 'Problem' wird das menschliche Gesicht genommen. 2. Die Flüchtlinge werden über Worthülsen - Lawine, Welle, zur anonymen Bedrohung. 3. Gegen eine solche 'Naturgewalt' müssen sich alle wehren - mit allen Mitteln. Ähnlichkeiten mit der deutschen Geschichte sind nicht zufällig, sondern zwangsläufig...

  • Nun, sicherlich kann man trefflich darüber streiten, durch wen oder was „die Lawine“ losgetreten wurde.

     

    Allerdings sollte man hier in Deutschland allmählich zur Kenntnis nehmen, dass sich in unseren EU-Partnerstaaten nicht nur unter Politikern, sondern in weiten Teilen der dortigen Bevölkerung ein Urteil abzeichnet, dass dem von Schäuble angedeuteten Szenario zumindest sehr nahe kommt:

     

    Im Kern wird im Ausland nämlich konstatiert, dass die Flüchtlingsbewegungen nach Europa auch in diesem Jahr primär durch die allseits bekannten Faktoren wie Krieg und Elend ausgelöst wurden. Es gilt jedoch ebenso als unstrittig, dass diese Bewegungen durch Merkels Alleingänge im September massiv dynamisiert worden sind. Interessant ist übrigens auch, dass sich diese Einschätzung auch mit der Meinung vieler Geflüchteter selbst deckt.

     

    Nun mag für einige Kommentatoren die Frage nach der Verantwortung für das „Lostreten“ gänzlich unwichtig erscheinen. Das Problem der Bundesregierung besteht jedoch darin, mit Regierungen über einen Verteilungsmodalitäten verhandeln zu müssen, die eben nicht bereit sind, die Frage nach der Verantwortung für die jetzt entstandene Lage völlig außer Acht zu lassen.

     

    Dies scheint übrigens auch Schäuble nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dann nämlich, wenn er im zweiten Teil seiner gestrigen Rede pauschal eine „europäische Lösung“ einfordert (im völligen Gleichklang mit der Kanzlerin). Nach den Erfahrungen der letzten beiden Monate wird die deutsche Regierung bei den anderen EU-Staaten mit dieser Forderung weiterhin auf Granit beißen. Die Regierungen dieser Staaten können ihren Bevölkerungen einfach nicht mehr vermitteln, dass sie ein Problem lösen sollen, dass die Regierungschefin eines anderen Landes erst zu einem nahezu unlösbaren gemacht hat.

     

    Wir werden es daher weitgehend alleine „schaffen“ müssen.

    • @Urmel:

      ...."europäische Lösung" und " wir müssen die Ursachen bekämpfen" beides Sachen die die Bundesregierung offensichtlich nicht bewerkstelligen kann

    • @Urmel:

      Urmel hat gesprochen Howgh !! Merkel hat alles verbockt (vertritt das Asylrecht - wa?) Lawinengefahr - Skifahrlerer Schaubi warnt ... alles Deutsch und wenig Land!

  • Nein, die Welle der massenhaften Migration der Rechtlosen wurde im Inland losgetreten von Herrschercliquen wie die Assad-Gruppe und dem Daish-Regime.

    Sämtliche Hüpfburg-Provinzielle, die meinten, Guter-Assad-halt-uns-Islam-Fern haben zum Isolationismus beigetragen und sind verantwortlich für die jetzige Situation der Millionen Ausgebombten und sollten nun in Form der Vermögenssteuer sich an den weltweiten Kosten beteiligen.

    • 1G
      12294 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Es wäre schön, wenn auch Sie aufhören würden, Flüchtlinge mit Naturkatastrophen zu vergleichen. Welle?! Was kommt als nächstes, Tsunami?!

  • Schäuble hat seit der letzten Krise rund um Asylbewerber vor gut 20 Jahren offenkundig weder etwas gelernt, noch sich weiter entwickelt. Da sieht man die Wiederauferstehung der "alten" CDU. Der CDU der Kanthers, Dreggers, Geislers, Hohmanns. Der Schmuddel-Version der heutigen CDU.

     

    Aber wenn dank des "Motivationsschubes" durch die Sprüche solcher Leute sich andere berufen fühlen, Flüchtlinge zu ermorden, dann stehen Leute wie Schäuble - genau wie letztes Mal - in der ersten Reihe, faseln vom Aufstand der Anständigen, und geben den Betroffenen

  • Mit Verlaub - ihr tazis -

    Ich raff es einfach nicht! - oder mit

    Otto Reuter - "Ick wunder mir über jar nischt mehr."

     

    Wie kann frauman da nur eine Sekunde überrascht sein - ??

    Denn - was Wunder - dieser

    exIM 2.0 & GröFimaz - ist doch

    Seit Jahrenden unverhohlener

    Anhänger des Freund/Feind-Denkens

    Im Sinne von Carl Schmitt -

    Dem Kronjuristen der Nazis.

     

    Deshalb bekennt er sich auch dazu -

    Die Elaborate des derzeit anerkannt krudesten Vertreter/Anhänger Carl Schmitts & seiner Denke -

    Otto Depenheuer als

    Nachtlektüre zu goutieren. http://www.zeit.de/2007/33/Schaeubles_Nachtlektuere

     

    Carl Schmitts Freund/Feind-Denke* & Seine Verachtung von Parlamenten -"Quasselbuden" ist eben so bekannt, Wie seine ekelhafte Rechtfertigungs/Ranschmeißschrift

    "Der Führer schützt das Recht" -

    des Röhm-Massaker als frisch durchgedrückter Schriftleiter der

    Juristischen Wochenschrift -

    Beck-Verlag http://www.taz.de/Streit-im-Beck-Verlag/!5056670/

    Dabei wurde auch General v. Schleicher bestialisch ermordet -

    Dessen juristische Berater kurz zuvor noch Carl Schmitt & E.R. Huber gewesen waren. http://de.metapedia.org/wiki/Quelle_/_Der_F%C3%BChrer_sch%C3%BCtzt_das_Recht

     

    Spätestens als IM hat Schäuble mit seinen fruchtlosen aber vehementen

    Versuchen das auf obiger Denke basierende sog. Feindstrafrecht zu implantieren - offenes Visier gezeigt.

    Und dies unverhohlen in der

    Greece-Kiste bis heute fortgesetzt.

    vgl dazu http://www.taz.de/Joseph-Vogl-ueber-sein-neues-Buch/!5017253/

     

    kurz - Setzt einfach mal endlich diese Ewige - rosarote GrünLichtBrille ab.

    Besser is das .

    Danke.

     

    (ps* vgl nur Heinrich Meier

    Die Lehre Carl Schmitts - Vier Kapitel

    Zur Unterscheidung von Politischer Theologie und Politischer Philosophie)

  • Die Lawine der massenhaften Migration ausserhalb jeder rechtlichen Regelung wurde nicht von Merkel los getreten, sondern im Inland von Leuten wie Hüpfburg-Cem, Antifa usw, die dann in Spaltungsabsicht zuerst die SPD vor sich her getreiben haben, und erst danach die CDU/CSU.

    Aber davor steht noch die Frage der Ursachen, und da haben seit Jahren vorwiegend Aussenminster Steinmeier (SPD), Kriegsministerin vd Leyen (CDU) und auch Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) vollkommen versagt und tauchen ab. Dass die Grünen den Afghanistan-Einsatz von Militär und Sozialpädagogik reflektieren, habe ich nicht gesehen. Diese Diskussionen aufzunehmen, wäre doch die eigentliche Aufgabe der TAZ.

    Die lobt aber lieber dieses beleidigte "Wir würden ja gerne, wenn uns genügend Geld zur Verfügung gestellt würde" Gerede der rot oder grün regierten Bundeslander.

    Und natürlich die Sprüche von Oppermann, Gabriel und der grünen Spitze, die bei Lichte besehen fast alle nicht mit der gesetzlichen Lage in D vereinbar sind, auch wenn sie gerne vom Justizminister wiederholt werden, und moralisch integer klingen.

    Opfer sind nicht nur die Flüchtlinge, sondern Alle, die in D soziale Leistungen brauchen, und diejenigen, die nicht flüchten konnten.

    • @Rolf Erler:

      BIETE - Stadtmitte Damakus 3 Zi Wo mit Dach & K+B eicht ausgebombt - gute Lage. Perfekt für dt. Lawinenopfer!