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Kommentar SPD und FlüchtlingeOppermanns alternative Wahltaktik

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Die Idee, Flüchtlinge in Nordafrika zu internieren, ist alt. Gut war sie noch nie, und dass die SPD damit Wahlkampf machen möchte, ist fatal.

Endlich muss nicht mehr nur Gabriel jede denkbare politische Position abbilden, man teilt sich das bei der SPD jetzt auf Foto: dpa

K aum gelingt es der SPD, sich bar jeder Evidenz mit ihrem neuen Parteivorsitzenden Martin Schulz den Anstrich einer linken Alternative zu Angela Merkel zu geben, bemüht sich Fraktionschef Oppermann, nicht zu viel Euphorie aufkommen zu lassen und auch ein bisschen rechtspopulistische Stimmungsmache in den Kessel Buntes des kommenden Wahlkampfes einfließen zu lassen.

Schon die Prämisse seines Vorschlags, Flüchtlinge in Nordafrika zu internieren, ist falsch. Es ist nicht einmal originär seine Idee. Innenminister Thomas de Maizière, auch sonst kein Freund faktenbasierter Politik, tut schließlich schon seit Ewigkeiten so, als wäre die Zurückweisung von Flüchtlingen an den Außengrenzen Europas und ihre „Versorgung und Betreuung“ in Nordafrika politisch und moralisch gerechtfertigt, rechtskonform oder irgendwie praktikabel.

Knapp 200.000 „illegale Grenzübertritte“ zählte die europäische Grenzschutzagentur 2016 im zentralen und westlichen Mittelmeerraum. Die EU hat gut 500 Millionen Einwohner. Gesetzt den Fall, dass jeder dieser Grenzübertritte von einer Person verübt wurde, die dann in der EU verbleibt und Menschen nicht bei mehreren Fluchtversuchen in die Statistik einfließen (was Frontex selber nicht glaubt), wächst die Bevölkerung der EU durch besagte Flüchtlinge also um 0,3 Promille. Promille, nicht Prozent!

Wer da ein Problem sieht, kann nicht rechnen. Das weiß auch Thomas Oppermann und bedient sich deshalb derselben Sprachregelung wie seine CDU-Kollegen: Es gehe um die Bekämpfung des unmenschlichen Schlepperwesens. Und ja, jedes gerettete Leben, das nicht auf Bootswracks im Mittelmeer riskiert wird, wäre einigen Aufwand wert. Nur stellt sich die Frage, ob das wirklich der Plan ist.

Unsinnige Prämisse

Das Kalkül hinter solchen Vorschlägen ist doch nie reiner Altruismus. Die Botschaft die da an Wählerinnen und Wähler ausgesendet wird, ist klar: Die Ausländer sind zu viele, wir kümmern uns darum, dass es nicht mehr werden. Wählt uns.

Statt also den Unsinn europäischer Migrations- und Flüchtlingspolitik anzuprangern, wird die von keiner Realität getrübte Prämisse des „Zuviel“ einfach übernommen. Hat man diesen Rahmen erst einmal akzeptiert, fragt niemand mehr, ob es vernünftig ist, die Überwachungs- und Rüstungsindustrie mit Milliarden zu subventionieren, um ein paar Hunderttausend Menschen (zur Erinnerung: 0,3 Promille) aufzuhalten. Niemand fragt, ob es politisch klug oder moralisch gerechtfertigt ist, Millionen Menschen, die als Binnenflüchtlinge auf dem afrikanischen Kontinent ihr Dasein fristen, sich selbst zu überlassen und Autokraten und Kriegsherren zu Türstehern der EU zu machen.

Kurz: Niemand fragt nach Alternativen zu einer Politik, die Menschenleben kostet, Gelder in die Kassen der Großindustrie spült und Demokratie zum verhandelbaren Extra, nicht zur Vorbedingung internationaler Beziehungen macht, insgesamt also zynisch und irrational ist. Aber vielleicht darf man das von einer langjährigen Regierungspartei auch nicht erwarten. Denn das ist die SPD, das ist ihr Erbe, ein Erbe, das bisweilen mehr nach Alternative für Deutschland klingt, als nach Alternative zu Merkel. Das kann auch kein Schulz verdecken.

Mehr Informationen zu europäischer Flüchtlings- und Migrationspolitik in Afrika lesen Sie auf unserem Rechercheschwerpunkt taz.de/migrationcontrol.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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41 Kommentare

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  • 1.

     

    Menschen gegen ihren Willen festzuhalten und einzusperren kann und wird NIEMALS Bestandteil einer wahrhaft progressiven, linken Politik sein. Das hat schon auf deutschem Boden nicht funktioniert.

     

    Anstelle zuzusehen, wie sich endlose Trecks der Verdammten unter inhuman hohen Gefahren für Leib und Leben langsam auf unsere "Grenzen" zu bewegen, sollten wir alle Maßnahmen ergreifen, das Leben dieser Unglücklichen in ihren Ländern überhaupt möglich und sicher zu gestalten, ihnen überhaupt eine Perspektive geben. Mauern und Zäune zu errichten, Wachdienste und Aufseher zu beschäftigen, ist teuer. Und ineffektiv. Menschen mit einem Ziel, Menschen in Massen lassen sich durch Hindernisse nicht aufhalten. Erst recht nicht die Verzweifelten.

     

    Anstelle abzuwarten, bis sich die besonders Verzweifelten an der Küste in seeuntüchtige Boote setzen um tagelang auf dem offenen Meer umher zu treiben, in der vagen Hoffnung vor dem sicheren Tod durch Verdursten, Verhungern oder Ertrinken noch aufgefischt zu werden, müssen wir endlich von uns finanzierte Fährdienste zwischen dem nordafrikanischen und dem europäischen Festland installieren. Das ist nicht nur wesentlich humaner, als kopfschüttelnd und achselzuckend stetig steigende Opferzahlen zu notieren, es ist auch billiger als die menschenverachtende sog. "Grenzüberwachung", bei der lecke und überfüllte Boote in die libyischen Hoheitsgewässer zurückgeschleppt werden, damit sie zu "deren Problem" werden. Zudem würden wir mit einer sicheren Passage den Schlepperbanden sofort und dauerhaft den Nährboden für ihre schmutzigen Geschäfte entziehen.

     

    Und wir brauchen Verteilungsschlüssel, die die proportionale Verteilung der Flüchtlinge über Europa regeln, nach Bevölkerung, Fläche und BSP. Jedes Mitgliedsland der EU hat ein einziges Mal die Wahl: Mitmachen oder die Gemeinschaft verlassen.

  • 2.

     

    Die rechtskonservativen Zirkel der bürgerlichen Parteien haben keine funktionierenden Antworten auf die Migrationsbewegungen Richtung Europa, wobei die auch nur einen geringen Bruchteil aller weltweiten Flüchtlingsbewegungen ausmachen. Sie potenzieren lediglich zu Unrecht vorhandene Ängste und benutzen sie zu ihrem Streben nach politischer Macht.

     

    Es wird höchste Zeit, dem etwas entgegenzusetzen, anstelle weiter unnütze, unsinnige und unethische Diskussionen über die Höhe der Zäune oder "Obergrenzen" zu führen.

  • Solche Politik ist mensch doch leider von der SPD gewohnt. Siehe auch 1993 "Asylkompromiss": https://de.wikipedia.org/wiki/Asylkompromiss

  • "Wer da ein Problem sieht, kann nicht rechnen."

     

    Wenn man sich allerdings die Alterverteilung vor Augen hält, sieht es ganz ansders aus: Europa altert und es sind die jungen Europäer, die im Verdrängungswett langsam aber sicher zur Minderheit werden. Rentner kann man da nicht mitzählen: Es geht um die Gruppe der 20-30 jährigen.

    • @Jens Frisch:

      "es sind die jungen Europäer, die im Verdrängungswett langsam aber sicher zur Minderheit werden."

       

      Es sind die jungen männlichen Europäer, die im Verdrängungswett langsam aber sicher zur Minderheit werden.

  • Oppermann ist für die SPD das, was Palmer für die GRÜNEN ist oder Seehofer für CDU/CSU oder Höcke für die AfD.

    Sogar die LINKE hat ja eine Wagenknecht!

     

    Nur die FDP braucht meistens niemand spezielles... ;-)

     

    Ab einer gewissen "Größe" einer Partei scheint es normal zu sein, eine gewisse Bandbreite abdecken zu wollen...

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Jürgen Decker:

      Auch die hatten schon ihre "bad guys", allerdings nie neben der Parteilinie, eher als Verstärker...

  • Das war zu erwarten bei dem Hype um die SPD-Führung.

  • Genau das, vermute ich, war der „geniale“ Plan hinter der Strategie: Dass niemand mehr nach Alternativen fragt zu einer Politik, die zwar „Menschenleben kostet, Gelder in die Kassen der Großindustrie spült, [...] Demokratie zum verhandelbaren Extra [...] macht, insgesamt also zynisch und irrational ist – aber doch genau das, was die Protagonisten vor Jahrzehnten mal gelernt und womit sie bis vor 20 Jahren auch erstaunliche Erfolge gefeiert haben.

     

    Die Kerle können einfach nicht aus ihrer Haut. Und eine immer kleiner werdende Schar treuer Gefolgsleute treibt sie weiter an. Sie wollen sich ja gar nicht ändern, die Machthaber und ihre Anhänger. Sie schätzen die Privilegien viel zu sehr, die das noch immer einbringt. Also muss die SPD-Führung tun, was eine SPD-Führung tun muss. Yippi-Ya-Yeah Schweinebacke, wie es Bruce Willis formulieren würde.

     

    Nun ja. Politik kein Western. Es gewinnt nicht der, der am schnellsten zieht und ohne Zögern abdrückt. Politik ist eine Frage von Überzeugen und von Überzeugen. Nein, das haben die Autoritären nie gelernt. Wozu auch? Sie konnten ja immer befehlen bisher. Nur: Wo Wähler*Innen an die Wahlurne treten, weil ihnen das befohlen wurde, ist NICHT Demokratie. Aber wie war das noch gleich: Demokratie als verhandelbares Extra – wenn’s grade mal gut passt.

     

    Eine SPD, die bisweilen mehr nach Alternative für Deutschland klingt, als nach Alternative zu Merkel, ist vor allem eins: Vollkommen natürlich und erklärlich. So sehr natürlich und erklärlich, dass selbst der Pumuckl drauf käme.

     

    Übrigens: Wer glauben möchte, Schulz könnte das Grundproblem „verdecken“, muss sich schon ganz frech selbst belügen. Der Mann ist, wo er ist, weil die, die vor ihm waren, das so wollten. Schulz ist ein letztes Aufgebot, kein Heiland. Medienkampagnen, die das ignorieren, ruinieren das ohnehin schon miese Image nur noch mehr. Wer dumm genug ist, so etwas zu glauben, wählt heutzutage AfD. Wer nicht, fühlt sich einfach verarscht.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Afrika wurde von den Europäern über Jahrhunderte ausgebeutet. Selbst heute schicken wir "den Schwarzen da unten" unseren Müll, unsere Billighähnchen und kaufen dort Grund und Boden und nehmen den Menschen dort ihre Existenzgrundlage.

    Aber, dass Menschen von dort zu uns kommen, hier gemeinsam mit uns leben, DAS wollen wir natürlich nicht.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Wie schicken aber auch das Welternährungsprogramm, sämtliche medizinischen Fortschritte der letzten 50 Jahre und umweltfreundliche Technologien runter.

  • Ich habe leider keine Wahl und muss mit Postern zusammenleben, die keine Afrikaner hier wollen. Aber wo kann ich diejenigen abschieben, die mir - mit deutschem Pass - auf die Nerven gehen?

    Und zur SPD-Politik, während Schulz den netten Onkel gibt, fischt Oppermann bei den AfD-Fans nach Wählern oops, da trifft er schon auf die Konkurrenten Wagenknecht und Palmer.... ja es wird eng ganz Rechts....

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Philippe Ressing:

      "Ich habe leider keine Wahl und muss mit Postern zusammenleben, die keine Afrikaner hier wollen. Aber wo kann ich diejenigen abschieben, die mir - mit deutschem Pass - auf die Nerven gehen?"

      Tolerant bleiben.

      Manche Mitmenschen sollen sogar noch mit Argumenten erreichbar sein.

      Streiten, überzeugen und so immer neue Multiplikatoren generieren.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Tolerant zu Intoleranten? Das ist naiv und gefährlich und zeigt, das die Erfahrungen unserer Geschichte anscheinend in Vergessenheit geraten sind. Grenzen ziehen, Gesicht zeigen und für die Freiheit eintreten, denen gegenüber Toleranz verweigern, die an der Macht keine Gnade kennen.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Lieber Herr Kretschmar, auch Sie bitte ich, sich die Brille aufzusetzen der Realität zuzuwenden.

    Was wir erleben ist der Anfang eines Groß-Szenarios, das seit den sechziger Jahren prophezeit wurde, das plausibel war, das niemand wissen wollte und das dennoch jetzt Wirklichkeit wird.

     

    Vergessen Sie Ihre Rechenschiebereien mit Promille hin, Promille her.

    Schauen Sie nach Afrika und in den Arabischen Raum und bis hinter Afghanistan und hören Sie auf, sich und anderen was vormachen zu wollen.

     

    Ich möchte hier nicht mit zusätzlich 5 Millionen Afrikanern, 2,5 Millionen Leuten aus arabischen Ländern, 2,5 Millionen aus Pakistan, Afghanistan, Indien..... (setzen Sie die Liste beliebig fort und setzen sie andere plausible Zahlen ein) zusammenleben.

    Genausowenig wie ich es mit 10 Millionen zusätzlichen Mitbürgern aus Schweden wollen würde.

     

    Was das für unser Handeln in den nächsten Jahrzehnten heißt - es geht um Menschen, die wie ich, auch ein anständiges Leben führen wollen und denen ich es selbstverständlich zugestehen will - darüber müssen wir reden, dringend und aufrichtig.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Es steht Ihnen doch frei, das Land zu verlassen...?

       

      Niemand sollte gezwungen werden, irgendwo leben zu müssen, wo er nicht leben will. Sie nicht - und die Flüchtlinge aber auch nicht.

       

      Gute Reise.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Ihr Operieren mit Millionen-Zahlen ist schlicht unredlich.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @61321 (Profil gelöscht):

      Aus Ihrem Leserbrief werde ich nicht schlau.

      Es sei denn, Sie lösen den Widerspruch auf, einerseits "nicht mit zusätzlich 5 Millionen Afrikanern, 2,5 Millionen Leuten aus arabischen Ländern, 2,5 Millionen aus Pakistan, Afghanistan, Indien, ..." zusmmenleben zu wollen, es Ihnen andererseits aber darum geht, den "Menschen, die wie ich, auch ein anständiges Leben führen wollen" dieses "selbstverständlich zugestehen" wollen.

       

      "darüber müssen wir reden, dringend und aufrichtig."

       

      Stimmt, vor allem "aufrichtig".

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @571 (Profil gelöscht):

        Der Widerspruch ist für mich nicht neu - ich lebe mit ihm seit Jahrzehnten. Nicht gut.

        Man kann mir vorwerfen, dass ich über mein eigenes Bemühen, selber einen möglichst kleinen ökologischen Abdruck zu hinterlassen und darüber hinaus fleißig im Weltladen einzukaufen nicht so sehr hinaus gekommen bin.

        Allerdings denke ich auch viel über grundsätzliche ökologische Fragen (im weitesten Sinn) nach. Und über gerechtes Wirtschaften und Handeln, und Waffenverkäufe, und und und...

        Sie wissen dass wir, die Erfolgreichen, in dieser Hinsicht jede Menge Dreck am Stecken haben und längst nicht bereit sind umzuschwenken.

         

        Der Schwarzwald ist der Schwarzwald. Sie können ihn eines Tages platt machen und bebauen. Oder vielleicht erst mal mit dem Oberrheintal anfangen und die Höhen noch eine Weile schonen. Um des Menscherechts willen, dass dort jemand leben können müssen darf.

        Ich habe kein stichhaltiges Argument dagegen.

        Nur soviel: was an Naturraum verschwunden ist, allein in der Zeit in der ich lebe, ist beachtlich und war nicht leicht hinzunehmen. Doch das alles wird in nicht sehr ferner Zukunft Makulatur sein.

         

        Wenn Sie das Menschenrecht darüber stellen - womit sollte ich also widersprechen und behaupten, dass ich mehr Recht habe?

         

        Der Einwurf von DANIEL muss kommen. Natürlich sind meine Zahlen völlig aus der Luft gegriffen. Es gibt andere, durchaus seriöse. Wenn Sie möchten, suchen wir sie heraus.

        Wer die Zukunft gestalten möchte, muss den Dingen ins Auge sehen.

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @61321 (Profil gelöscht):

          Man nennt es im Neusprech auch "Blase".

           

          "Wer die Zukunft gestalten möchte, muss den Dingen ins Auge sehen."

           

          Okay, ganz bei Ihnen.

           

          Wie schnell sich die Zeiten ändern, auch Zustände in atemberaubender Geschwindigkeit sich ins Gegenteil verkehren und Menschen, auch sehr viele auf einmal, aufeinander zugehen können, ist eine der wichtigen Erfahrungen meines Lebens, seit ich denken kann.

  • Dem Autor ist zu widersprechen. Es sterben Menschen im Mittelmeer, die einzelnen aufnehmenden Staaten der europäischen Union sind überlastet und solange es keine Möglichkeit gibt, Wirtschaftsflüchtlinge sofort wieder in die Heimat zurück zu führen, wird es in der Europäische Union keinen Konsenz geben. Soviel zu den Fakten.

     

    Eine rechtskonforme und praktikable Umsetzung ist denkbar einfach. Die Abfangschiffe müssen nur samt Besatzung an Libyen ausgeliehen werden, unter libyscher Flagge fahren und in libyschen Gewässern retten. In diesem Fall entsteht kein Anspruch auf Verbringung nach Italien. Da das libysche Staatsgebiet nie verlassen wurde, steht dies auch nicht im Widerspruch mit der Genfer Konvention.

    • @DiMa:

      Na, dann nehmen Sie mal zu Libyen Kontakt auf. Die haben ja gerade nur drei rivalisierende Regierungen und ein paar einzelne Warlords, von denen bestimmt jeder gerne gut bewaffnete "Abfangschiffe", was immer das sein mag, hätte, um damit irgendeine andere libysche Regierung zu bekämpfen.

       

      Da die BRD nicht ausreichend protestiert hatte, als die EU Libyen in ein unkontrolierbares Bürgerkriegsland verwandelte, bekommt sie jetzt die Quittung.

       

      Abgesehen davon haben wir sogar 1990 18 Mio Wirtschaftsflüchtlinge überlebt, die Ossis.

      • @Age Krüger:

        Der Beitritt der neuen Bundesländer ist nicht vergleichbar.

        • @DiMa:

          Nee, BILLIONEN wie die DDRler werden die paar Flüchtlinge nicht kosten.

          Sie werden auch nicht die im Westen mühsam aufgebauten Sozialleistungen denjenigen nehmen, die sie erarbeitet haben, weil niemand dran denkt, sie hier wie die Ossis ohne jede Leistung in die deutschen Renten-, Kranken- und Arbeitslosenkassen zu integrieren.

          Und hoffentlich werden sie auch nicht die BRD durch einen Haufen rechtsradikaler Wähler zu einem Saustall sondersgleichen machen.

    • @DiMa:

      Na da schau her. Da widersprech ich - aber gerne.

      "..Eine rechtskonforme und praktikable Umsetzung ist denkbar einfach..." - kleiner Tipp -

      Wenn´s für´s IM nicht langt (2x Examen usw)

      vllt. bewerben Sie sich mal bei Ritter Sport - Werbung -

      Quadratisch Praktisch Knack.

      • @Lowandorder:

        @DiMa: Es ändert zwar nichts an der Argumentation, aber 200 / 500 = 0,4. Faktisch.

         

        Ein Teil einer Lösung könnte darin bestehen, Fluchtursachen dadurch zu bekämpfen, die fortlaufende Strangulation lokaler Produktion durch europäische Billigimporte zu unterbinden. Indem man z.B. Handelsabkommen entsprechend modifiziert und Zölle zulässt, zum „Nachteil“ hiesiger Lebensmittel(reste)-Exporteure.

         

        Afrika bietet genügend fruchtbare Anbauflächen, um alle Afrikaner zu ernähren, aber die Wirklichkeit ist, dass riesige Mengen pflanzliche Rohstoffe für den Export produziert werden, ohne dass irgend jemand dadurch zu Wohlstand käme, während andernorts die Menschen verhungern. Ausbeutung auf gut Deutsch.

         

        Es muss endlich eine effektive Entwicklungspolitik betrieben werden, die die Menschen auf die Füße stellt und in Lohn und vor allem Brot bringt. Immer nur die Interessen international agierender Konzern-Konglomerate (die der Öffentlichkeit nicht rechenschaftspflichtig, und untereinander und mit mächtigen Staaten verbunden sind) durchzusetzen, weil die eben am Längeren Hebel sitzen, ist äußerst skrupellos, unmenschlich und beschämend.

        • @What would The Doctor do?:

          200 000/500 000 000*100=0,04, nur mal so.

        • @What would The Doctor do?:

          Die Änderung der Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik sind ergänzend zur weiteren Abschottung vorzunehmen. Ungeachtet dessen ist jedoch fraglich, ob diese Mittel Wirkung zeigen können. Beide Maßnahmen werden nur eine langfristige Wirkung entfalten. Die Erfolge werden wahrscheinlich durch das ungebremste Bevölkerungswaschtum zunichte gemacht. Insoweit bin ich eher pessimistisch.

           

          Zu beachten ist auch, dass neben Europa auch China und Israel erhebliche wirtschaftliche Interessen in Afrika verfolgen. Diese Länder zeigen sich bisher von der aktuellen Entwicklung wenig beeindruckt.

        • @What would The Doctor do?:

          "Es muss endlich eine effektive Entwicklungspolitik betrieben werden, die die Menschen auf die Füße stellt und in Lohn und vor allem Brot bringt."

           

          Grundsätzlich kein Widerspruch zu dem, was Sie schreiben. Aber Ihre Zielformulierung klingt für mich arg paternalistisch: "... durch die sich die Menschen auf die Füße stellen" fände ich akzeptabler.

           

          Das liest sich vielleicht etwas kleinlich - eine von breiten Bevölkerungsschichten getragene Selbstbestimmung ist aber m. E. die unbedingte Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Sie ist also von elementarer Bedeutung für den Erfolg solcher Politik.

           

          Die Frage ist: Wie wird die, gerade in besonders dysfunktionalen Staaten, wirksam hergestellt?

           

          Aber alles, was über die Herstellung von fairen Handelsbedingungen (schwierig genug), abrufbare Expertise und Finanzmittel gegen Verwendungskontrolle hinausgeht, vermindert die Selbstbestimmung und wird zu weiteren Irrwegen führen.

           

          Ehrlich gesagt bin ich angesichts der schon in den entwickelten Ländern festgefahrenen Strukturen und den mächtigen Lobbyisten dort wenig optimistisch, wie eine solche Politik durchgesetzt werden kann, wenn sich nicht in den Bevölkerungen dieser Länder sehr massiver Druck in diese Richtung aufbaut.

        • @What would The Doctor do?:

          Tschuldigung, das war für Sissa K. gedacht.

  • "Schon die Prämisse seines Vorschlags, Flüchtlinge in Nordafrika zu internieren, ist falsch. Es ist nicht einmal originär seine Idee. Innenminister Thomas de Maizière ... "

     

    Es ist ursprünglich auch nicht die Idee von TdM, sondern von Otto Schily, der sie ab 2004 gegen grünen und SPD-internen Widerstand, aber vorsichtig unterstützt von Gerhard Schröder, bis zu seinem Ausscheiden 2005 verfolgte.

     

    Schily wiederum hatte die Idee vom britischen Labour-Abgeordneten David Plunkett übernommen.

    https://www.welt.de/geschichte/article153135839/Als-Schily-Fluechtlinge-in-Nordafrika-abfangen-wollte.html

    • @Marzipan:

      Der Labour-Mann hieß richtig Blunkett.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Stimmt fast alles in Ihrem Artikel, Herr Kretschmar. Nur die Rechnung mit den 0,3 Promille stimmt zwar faktisch, aber nicht in der Umsetzung.

    Fragen Sie doch mal, wohin die Menschen wollen. Nicht in irgendeinen EU-Staat, sondern nach Deutschland oder in die nordischen Länder. Das geht auf die Dauer aber nicht, noch sind es nur 200.000. Es werden aber viel mehr werden und wie soll das dann gehandhabt werden? Umverteilung auf alle EU-Staaten klappt nicht, denn die Menschen werden dort nicht bleiben.

    Wie kann eine Lösung aussehen?

    • @36855 (Profil gelöscht):

      Meine Antwort ist leider bei DiMa gelandet.

      • 3G
        36855 (Profil gelöscht)
        @What would The Doctor do?:

        Habe die Antwort gelesen, Daniel, und stimme zu.

        Die Afrikaner müßten aufwachen und ihre Regierungschefs stoppen, die im großen Stil Land an China verkaufen, und den Erlös in den eigenen Säckel stecken. Nennt sich Land Grabbing.

        Gibts mittlerweile auch bei uns, praktiziert von großen Versicherungskonzernen etc. http://www.taz.de/!5208491/

         

        Die Probleme liegen weltweit auf der Hand. Es fehlt alleine der Wille etwas daran zu ändern.

        Die jungen Menschen sollten nicht fliehen sondern versuchen in ihrem Land etwas zum Positiven zu verändern, politisch. Nur sie können das auf den Weg bringen. Wie soll es sonst funktionieren?

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Oppermann kommt mir vor wie sein Dauergrinsen:

    falsch...

  • So wird die SPD wählbar für viele konservative Wähler. Weiter so und Worten Taten folgen lassen.

    Außerdem dürften so der AfD Wähler weglaufen. Auch positiv.

    • @Hans-Georg Breuer:

      Was, bitteschön, sollte denn "positiv" sein daran, dass die SPD sich anschickt, eine AfD für Selbstbetrüger zu werden?

       

      Die Zeiten, in denen solche "Taktik"-Überlegungen noch möglich waren, sind vorbei. In der aktuellen Lage können wir uns eine SPD, die solchen Führungskräften überlassen bleibt, nicht leisten. Wolf Haberer hat schließlich recht mit seinem Hinweis: Wir waren längst gewarnt. Die Warnungen wurden schlicht ignoriert von denen, die hätten gegensteuern können bzw. müssen. Klientelpolitik im Interesse des privaten Machterhalts statt ausgleichender Gerechtigkeit im Interesse aller. Man kann so etwas machen. Man darf sich nachher bloß nicht darüber beschweren, dass es nicht sehr viel Gutes bringt.

       

      Ja, wir müssten dringend reden. Ehrlich und aufrichtig. Am besten, denke ich, fangen wir an wie folgt: Die Zeiten des weißen Mannes, der seine Hautfarbe und sein Geschlecht ungestraft als Verdienst ansehen durfte, das Privilegien rechtfertigt, sind vorbei. Der Massa hat schlicht ausgedient, wo junge Araber und Afrikaner studiert haben, Internet nutzen und Mobilität kein Fremdwort mehr ist.

       

      Die Globalisierung ist keine Einbahnstraße. Nie gewesen. Ganz ohne Umverteilung wird es wohl nicht gehen. Die Betrogenen werden sonst kommen und sich den Teil holen, von dem sie glauben, dass er ihnen zusteht. Darauf hab ich genau sowenig Lust wie viele andere. Wer sich nämlich betrogen fühlt, der wird - zu recht - leicht schon mal unfein. Besonders, wenn man ihn auch noch traktiert.

       

      Dass all die Maulhelden, die jetzt nach einer Politik der harten Hand schreien, zum Militär geht, um den 8 reichsten Männern dieser Welt, die mehr besitzen als die 3.750.000.000 ärmsten Menschen beiderlei Geschlechts (und nebenbei auch mir), den Arsch zu retten, glaube ich nicht. Und selbst wenn - gegen die Masse der Bestohlenen kommt auf Dauer keine Armee der (westlichen) Welt an. Das weiß ich ganz ohne Prozentrechnung.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        "(und nebenbei auch mir)"

         

        Sie gehören also der armen Hälfte der Menschheit an?

        Au, Backe...

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @571 (Profil gelöscht):

          Nein, er gehört zu denen, denen der Arsch gerettet wird. Sonst würde da "ich" stehen anstatt "mir" ("Mir wird der Arsch getettet." - "Ich gehöre zu den ärmsten Menschen."). Au Backe.