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Kommentar SPD-Konvent und CetaDurchwinken wäre dramatisch

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Hat die SPD-Spitze sich so ins Dilemma manövriert, dass die Partei die Wahl zwischen Pest und Cholera hat? Oder gibt es eine salomonische Lösung?

Die ganze Ceta-Angelegenheit stoppen. Wäre der SPD-Basis am liebsten Foto: imago/Zuma Press

D ie Delegierten, die an diesem Montag beim SPD-Parteitag über Ceta entscheiden müssen, sind nicht zu beneiden. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada hat das Potenzial, der Partei schweren Schaden zuzufügen – egal, wie die Entscheidung ausfällt.

Auf der einen Seite steht die Basis, die Ceta überwiegend kritisch sieht. Gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden haben viele SPD-Mitglieder am Samstag gegen das Abkommen demonstriert. Alle diese Kritiker würden es der Partei sehr übel nehmen, wenn sie Ceta mit der vagen Aussicht auf irgendwelche Zusatzerklärungen durchwinkt.

Doch genau das fordert die Parteispitze in ihrem Leitantrag. Und auch von dieser Seite gibt es erheblichen Druck auf die Delegierten. Die Behauptung von SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass Europa bei einem Scheitern von Ceta seinen Einfluss auf die internationale Handelspolitik verlieren würde, wird die Basis zwar hoffentlich nicht sonderlich ernst nehmen.

Anders sieht es mit der vielfach geäußerten Sorge aus, dass eine Niederlage Gabriel als Parteichef beschädigen und als Kanzlerkandidaten verhindern würde: Durch ein Nein zu Ceta ein Jahr vor der Bundestagswahl plötzlich ohne Führung dazustehen, dürfte für viele Delegierte ein Horrorszenario sein, das ebenso groß ist wie der Verlust der Glaubwürdigkeit durch ein Ja zum Abkommen.

Durch ein Nein zu Ceta ein Jahr vor der Bundestagswahl plötzlich ohne Führung dazustehen, dürfte für viele Delegierte ein Horrorszenario sein

Zwischen den unvereinbar erscheinenden Positionen ist allerdings ein Kompromiss denkbar: Wenn die SPD sich nicht dazu durchringen kann, Ceta jetzt durch ein deutsches Veto ganz aufzuhalten, muss sie wenigstens den Plan des Vorstands verhindern, große Teile des Vertrags schon in Kraft treten zu lassen, bevor die nationalen Parlamente darüber entscheiden. Durch einen kompletten Verzicht auf diese vorläufige Anwendung gäbe es später in Bundestag und Bundesrat noch die Möglichkeit, Ceta zu stoppen, wenn es nicht gelingt, die von der Partei geforderten Nachbesserungen durchzusetzen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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28 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wie viele Hiebe braucht es noch, bis die Gabriel-SPD verstanden hat?

    • @571 (Profil gelöscht):

      Warum sollte Gabriel verstehen? Es wird Zeit, dass die SPD-Basis endlich versteht, dass sie ein totes Pferd reitet.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        ER nicht, aber SIE, wie oben schon klar formuliert.

  • Wenn Sie den total unbekannten Nobody aus der Basis raus nehmen und zum Kanzlerkandidaten machen, wird der Wahlkampf für die SPD besser laufen, als mit der verbliebenen Schröder-Gruppierung an deren Spitze Steinmeier und Gabriel sitzen.

     

    Die Schröderianer in der SPD führen inzwischen seit 2002. Seit diesem Zeitpunkt hat die SPD von Jahr zu Jahr mehr verloren. Ein Jahrhundertwahldesaster folgte dem anderen. Ich frage mich, wie kommen eigentlich dann Analysten dazu, anzunehmen, die gleiche Truppe könnte gerade jetzt vor der Wahl eine Kehrtwende schaffen und wieder Vertrauen bei den Wählern gewinnen?

    • @Nico Frank:

      Wer hat behauptet, dass alle Heuschrecken Banker oder Broker sein müssen?

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "...wir haben entscheiden dass die EU für Handelsrecht zuständig ist und derlei Abkommen zu verhandeln hat."

     

    Sie verwechseln eine allgemeine Zuständigkeit, die ggf. nach einer erneuten gesellschaftlichen Zustimmung verlangt mit einem Blankoschek.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Klar. Sie verwechseln ja auch "die EU" mit einzelnen Wirtschaftsmagnaten.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Nein, ich beziehe mich auf die geltenden Vorgehensweisen bei Gesetzgebungsverfahren oder formaljuristischen Kompetenzen.

       

      Wer legt fest wann eine erneute gesellschaftliche Zustimmung einzufordern ist? Unser Rechtssystem oder besser Wahlsystem, die Straße oder ein SPD Parteikonvent.

       

      WennSie Lust haben erzähle ich Ihnen mal ein Beispiel aus der beruflichen Praxis. Bin im Umweltschutz tätig....

  • Für solche Themen wie

    - Großer Lauschangriff,

    - Schaffung eines "Niedriglohnsektors" = Unterschichtung, Fragmentierung der Arbeiterklasse

    - die Staaten stärkende Abkommen

    gibt es die SPD.

    sie hat die praktische Struktur, dass die Mitglieder als Basis immer so bleiben wie erwartet und die Parteiführung sich durchsetzt.

    Mehr als 100 Jahre erprobt.

    • @nzuli sana:

      Ich glaube, dass die SPD überschätzt wird - da werden so einige hoffnungslose Hoffnungsprojektionen wirksam! Ich glaube, dass die SPD einfach eine überalterte Partei ist, konservativ im eigentlichen Sinne - und dass diese Partei erst wie Phönix neu aus der Asche auferstehen muss, bevor sie für solche Projektionen wieder taugt.

      • @Georg Marder:

        Ich meine man sollte auf gar niemand was projizieren: weder auf Parteien, noch auf Putin noch auf die KurdInnen.

        Allein schon dass 90% der Linkspartei-WählerInnen in Berlin bei der Dimap-Umfrage angaben, die PdL würde für mehr Gerechtigkeit in der Wohnungsfrage sorgen, zeigt, wie viele Leute von Parteien etwas erwarten.

        Soziale Bewegungen an der Basis müssen das schaffen - wie in Frankreich gegen das Loi travail.

  • Da hat schon mehrmals in einer wichtigen Frage ein SPD-Parteichef der SPD-Basis mit Rücktritt gedroht. Für die SPD war das eindeutig der Beginn vom Ende als große Volkspartei. Die Basis sollte diesmal ungeachtet aller Personalfragen eine Sachentscheidung treffen. Ceta bringt ein erhebliches mehr an Rechten für große multinationale Großkonzerne. Für den kleinen Mittelständler, den Verbraucher und den Arbeitnehmer bringt es dagegen keinerlei Vorteile - weder hier noch in Kanada.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Eine große Mehrheit an renommierten Verbänden und vielen Menschen haben Bedenken und lehnen CETA und TTIP ab. Für Teile der SPD geht es jedoch um die Beendigung oder den Fortbestand der Karriere eines einzelnen Menschen (Gabriel). CETA wird ein Abkommen sein, das unsere Zukunft, die Zukunft von vielleicht 500 Millionen Europäern entscheidend bestimmen wird, in vieler Hinsicht.

    Die Karriere von Gabriel kann und darf nicht der Grund für Ja oder Nein sein.

    Außerdem macht so ein Abkommen sämtliche zukünftigen Klimaabkommen obsolet, wenn weitere tausende schwerölgetriebene Containerschiffe über den Atlantik kutschieren.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Ja, da hat die SPD sich in eine saudämliche Position gebracht - ist es ihre Daseinsberechtigung einen Erfolg für den Wirtschaftsminister um so ziemlich jeden Preis aufrechtzuerhalten oder stellt Sie diesem Anspruch den Erhalt der SPD-Grundwerte entgegen und riskiert den Verlust des Vorsitzenden. Denen ist nicht mehr zu helfen.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      "Eine große Mehrheit an renommierten Verbänden und vielen Menschen haben Bedenken und lehnen CETA und TTIP ab."

      200.000 oder 300.000 auf der Straße in DE bei 500 Mio in der EU! Wieviele Verbände haben Sie gefragt und wie defnieren Sie Mehrheit?

       

      Es geht mit um die Art und Weise des aktuell typischen deutschen Blickwinkels und nicht ob CETA vorteilig oder nachteilig ist. Mir stinkt das Deutsche Besserwissertum gewaltig!

      • @Tom Farmer:

        Das sind doch auffallend viele gesellschaftlich sehr engagierte Verbände! Ich kenne keine Nicht-Wirtschaftsverbände, die für CETA wären - das ist doch auffallend. Diese Menschen machen sich ernsthaft Sorgen und haben fast Unmögliches geleistet, indem sie gegen alle Diffamierungen mit Kompetenz und Ausdauer so einige Schweinereien ans Licht gebracht haben. Das sind keine Besserwisser - eher sind die CETA-Befürworter Lügenbolde.

        • @Georg Marder:

          Ich will gerne akzeptieren dass das CETA nicht ideal ist. Aber haben 250.000 deutsche Demonstanten mehr recht oder Rechte als 500 Mio andere (schweigende) Europäer?

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Tom Farmer:

        Ich habe schon verstanden nach Ihrem Beitrag, daß wir uns niemals näher kommen könnten.

        CETA und TTIP sind Projekte aus einer anderen, vergangenen Zeit. Aus dem Kohlenkeller des Kapitalismus. Die Verherrlichung des Kapitalismus.

        Es geht nur um Masse, Umsatz, Gewinn, Raubbau, wo es geht, Möglichkeiten und Macht der Stärkeren, Abschlachten von Konzernen und Ländern.

        umweltschutz, klimaschutz, individualität, rechte auf regionale bedürfnisse, hilfe für die benachteiligten in den von uns ausgenützten Ländern werden klein geschrieben.

        • @4932 (Profil gelöscht):

          Das ist ein Irrtum.

          Die Ziele sind die gleichen, die Methoden sind andere.

           

          Ein Problem der aktiv denkenden politisch Interessierten aus dem linken Spektrum. Die streiten sich über die letzten 5 % der "richtigen" Sichtweise... da sind sich die Rechten bereits bei 50 % Gleichklang auf Parolenniveau längst einig und bekommen dann bereits 20 % Wählerstimmmen!

          Denken Sie mal darüber nach.. bitte!

          • 4G
            4932 (Profil gelöscht)
            @Tom Farmer:

            Ich klinke mich dann hiermit aus, denn ich wollte mich nur äußern über CETA und die SPD-Entscheidung (entsprechend dem Beitrag in der taz).

            Als 'aktiv denkender politisch Interessierter aus dem linken Spektrum' habe ich wohl eine andere Sicht als Sie.

  • Die SPD hat sich schlicht damit abgefunden Juniorpartner der CDU zu sein.

     

    Je schneller sich der Wähler eine andere Partei sucht die wirklich sozialdemokratisch agiert um so besser.

  • Wir stellen uns vor:

    Wie würde DE reagieren, wenn ein Minderheitskoalitionär in z.B. Slowenien ein von DE stark gewünschtes Abkommen per Parteibasisbeschluss und Veto zu Fall bringen würde!

    Was wäre hier für Vokabular zum Thema Schaden für Europa usw. zu vernehmen!

     

    Wir haben die Abgeordenetn nach Brüssel geschickt (Wahlbeteiligung mau) wir haben entscheiden dass die EU für Handelsrecht zuständig ist und derlei Abkommen zu verhandeln hat.

    Wo also ist die Berechtigung außer Sonntagsreden wegen angeblicher Basisdemokratie und Beruhigungspillen? Der Populismus greift umsich und alle finden das ok.

     

    Ich bin der Meinung einfach mal den Gang der Dinge zu akzeptieren und beim nächsten mal VORHER anders zu wählen oder VORHER die Verhandlunsgziele besser zu artikulieren.

    • @Tom Farmer:

      Das sehe ich anders! Momentan klären die Gerichte, ob das Abkommen sind, bei denen die EU alleine entscheiden darf - also so klar, wie Sie das darstellen, ist das wohl nicht!

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      Da habe ich aber erhebliche Bedenken. Ich habe weder Herrn Schulz, Herrn Juncker oder Herrn Öttinger gewählt. Ich wusste bis vor einem Jahr nicht, daß Frau Merkel in der Zeit vor ihrem jetzigen Job maßgeblich an der Einführung der Schiedsgerichte gearbeitet hat.

      Den 'Gang der Dinge zu akzeptieren', der uns warscheinlich für Jahrzehnte in ein Korsett zwingt, der von Lobbyisten ausgearbeitet wurde und der uns nicht vor der Wahl bekanntgemacht wurde, ist die Kapitulation und der Weg in den Abgrund.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Man kann es auch positiv sehen: Wenn Gabriel jetzt zum Rückzug gezwungen wird, kann die Partei den demnächst wahrscheinlich arbeitslosen Martin Schulz als Kandidaten aufbauen. Inhaltlich hat der zwar auch nicht wesentlich andere Ideen, doch zumindest ist er nicht solch ein Springteufel wie Siggi der Grätenlose. Der kann dann früher als Lobbyist in die Wirtschaft wechseln.

  • Wer hat uns verraten? ....

    Hoffen wir mal das es sich nicht immer wieder wiederholt

    • @Sebastian Ries:

      Jeder einzelne Wähler, der das Kreuz bei einer Partei macht, die ihn bekanntermaßen immer wieder verraten hat. (Wird man von der SPD einmal betrogen, ist sie schuld. Passiert es öfter, hat der Wähler ein kurzes Gedächtnis. Passiert es immer, ist der Wähler schuld)

  • Dieser Kompromiss scheint das maximale zu sein, was die CETA-Gegner zur Zeit in der SPD erreichen können - der strategische Fehler, der die SPD begleitet, ist dass der SPD-Vorsitzende die Doppelfunktion Wirtschaftsminister/Parteivorsitzender in einer Zeit, in der die SPD eine grundsätzliche Neuorientierung bräuchte. Die wichtige Rolle für diese Neuorientierung kann Herr Gabriel deshalb nicht tragen - alles dreht sich bei ihm nur darum, ein guter Wirtschaftsminister zu sein - das hat verheerende Wirkungen. Und dann "presst" er diese Wirtschaftsministerziele seiner gesamten Partei über - absolut sinnlos . das muss schiefgehen!