Kommentar Ramelow-Urteil: Links und ohne Spitzel
Das Ramelow-Urteil ist kein Anlass zur Euphorie - es schützt nur einen Abgeordneten vor einem Geheimdienst. Doch es verstärkt den Druck auf Schäuble, Überwachung von Linken zu überdenken.
Mag sich der Linken-Fraktionsvize Bodo Ramelow auch über seinen "fulminanten Sieg" über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) freuen - vor der Bespitzelung durch bundesrepublikanische Geheimdienste schützt Parlamentarier das Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht.
Zwar haben die Richter dem BfV die Beobachtung Ramelows untersagt, doch das Urteil gilt nur für dessen Person - und nur für diesen einen Geheimdienst. Ramelow wurde aber offenbar nicht nur vom Bundesamt und dem BND überwacht. Selbst der MAD habe Informationen über seine Person besessen, klagt der Spitzenkandidat der Linken in Thüringen wohl zu Recht. Möglich macht dies das Computersystem Nabis, mit dem alle deutschen Geheimdienste untereinander Informationen austauschen. Erfasst wurden dabei offenbar auch Informationen, die durch Bespitzelung gewonnen wurden: Mag das BfV auch beteuern, das Bundesinnenministerium habe ihm einen solchen V-Mann-Einsatz schon 1993 untersagt - auch Erkenntnisse von Spitzeln, die für Verfassungsschutzbehörden der Länder arbeiten, finden sich dank Nabis in Ramelows Akte beim Bundesamt. Um vor jeglicher Überwachung sicher zu sein, müsste sich ein Parlamentarier wie der Linke also nicht nur gegen das Bundesamt, den BND und den MAD, sondern auch gegen die Verfassungsschutzbehörden aller Länder durch die Instanzen klagen. Denn ein umfassendes Auskunftsrecht gegenüber den Schlapphüten haben nicht einmal Bundestagsabgeordnete: Eingesehen werden kann lediglich eine sogenannte Personenakte. Wenn aber ein Geheimdienst Informationen speichert, ohne eine solche Akte anzulegen, bleibt nur noch der Gerichtsweg.
Parlamentarier brauchen ein umfassendes Informationsrecht gegenüber allen Geheimdiensten. Zu prüfen ist auch die pauschale Verdächtigung jedes Mitglieds der Linken als Verfassungsfeind - nicht umsonst klagen in Köln zwölf weitere Abgeordnete der Fraktion. Der Druck auf Innenminister Schäuble, die pauschale Überwachung der Linken zu beenden, wächst.
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