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Kommentar Proteste gegen BraunkohleUm Vattenfall wird es einsam

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Seit der Entscheidung, sich aus der Lausitz zurückzuziehen, hat der Energiekonzern kaum noch Freunde. Das zeigt sich auch bei den Protesten an Pfingsten.

Erst abbaggern, dann abhauen? Foto: dpa

D ass die AktivistInnen von „Ende Gelände!“ Vattenfall nicht mögen, war keine Überraschung. Mit seinen Braunkohle-Tagebauen und -Kraftwerken gehört der Energiekonzern schließlich zu den größten Klimasündern in Deutschland. Doch das Pfingstwochenende zeigte, dass das Unternehmen auch in der Politik kaum noch Freunde hat.

Anders ist das Verhalten der Brandenburger Polizei kaum zu erklären. Mit wenigen Ausnahmen – etwa nachdem ein Zaun niedergerissen wurde und einige hundert AktivistInnen aufs innerste Gelände des Kraftwerks Schwarze Pumpe vordrangen – zeigten die Beamten eine wirklich bemerkenswerte Zurückhaltung.

Die Polizei ließ die Kohle-Gegner völlig ungehindert in den Tagebau und auf die Gleise vordringen. Sie unternahm lange Zeit nichts, um die Besetzungen zu beenden – selbst als das ohnehin schon stark gedrosselte Kraftwerk kurz vor der Abschaltung stand, weil die Kohle knapp wurde. Und sie ließ die allermeisten AktivistInnen gehen, ohne auch nur ihre Personalien aufzunehmen. Denn die Staatsanwaltschaft hatte schon im Vorfeld erklärt, sie halte die Besetzungen überhaupt nicht für strafbar.

Diese Zurückhaltung liegt vermutlich nicht nur daran, dass das Land Brandenburg Bilder wie im letzten Jahr im Tagebau Garzweiler vermeiden wollte. Damals hatten RWE-Werkschutz und Polizei gemeinsam Aktivisten durch den Tagebau gejagt. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass auch die Politik von Vattenfall schwer enttäuscht ist. Denn der Konzern, der in vielen Orten der wichtigste Steuerzahler ist, hatte zuletzt Gewerbesteuer in Millionenhöhe zurückgefordert.

Besonders unbeliebt hat sich der Vattenfall-Konzern, der sich in der Lausitz noch an vielen Brücken als „Partner der Region“ bezeichnet, aber mit dem angekündigten Verkauf der Braunkohle-Sparte gemacht. Dass die neuen Eigentümer – der tschechische Energiekonzern EPH und der Finanzinvestor PPF – bestehende Zusagen zu Arbeitsplätzen, Entschädigungen und Renaturierung der Tagebaue wirklich einhalten, bezweifeln viele.

Dass der von Vattenfall geplante Verkauf der Braunkohle-Sparte ein Fehler ist, sehen auch die Anti-Kohle-AktivistInnen so. Und sie haben recht: Im Interesse von Klima und Region sollte Vattenfall zu seiner Verantwortung stehen und die Braunkohle-Sparte selbst abwickeln. Das könnte der schwedische Staatskonzern, der seine Zukunft vor allem in den erneuerbaren Energie sieht, durchaus sozialverträglich machen, indem er die bisherigen Mitarbeiter der Kohle-Sparte in die neuen Geschäftsfelder übernimmt. Der reine Kohlekonzern EPH bietet hingegen weder für die Mitarbeiter noch fürs Klima eine gute Perspektive.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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9 Kommentare

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  • Bei allem verständlichen freudetaumelnden Feiern über den Absturz von Vattenfall. Musste das eigentlich sein, dass in dem Kommentar der Eindruck erweckt wird, es gäbe einen Zusammenhang zwischen der politischen Stimmung und der Aussagen der Staatsanwaltschaft?

    Wie Sie in den Kommentaren ersehen können wird das jetzt munter durcheinander gemischt. Es war die klare Aussage, dass die diesjährige Zurückhaltung seitens der Polizei auf die Vorkommnisse letzten Jahres zurückführt und nicht darauf, wie viele "Freunde" Vattenfall im Parlament sitzen hat.

  • Mmmh, jahrzehntelang war es energiepolitischer Konsens die Republik mit fossilen Energien zu befeuern und damit die Grundlage für "Wohlstand, Wachstum und Fortschritt" zu legen. Vor diesem Hintergrund sind, welch Drama, welch Sündenfall, gigantische Unternehmen entstanden, die, welch Drama, welch Sündenfall, gigantisch viel Kohle mit Kohle verdient haben.

     

    Nun ist es Gott sei Dank energiepolitischer Konsens auf Erneuerbare umzusteigen. Nun verdienen Unternehmen wie Vestas oder Enercon gigantisch viel Kohle und jeder findet es ok.

    Und die Energie-Dinosaurier, die nun auf EE umschwenken um überhaupt auf dem Markt überleben zu können, bleiben entlang ewiggestriger Polarisierungen immer noch die Bösen und werden primitiv abgewatscht. Lächerlich und auch noch leider klischeehaft links.

     

    Und by the way: Solange es keine vernünftigen Speichertechnologien gibt, werden wir wir wohl oder übel die nächste Jahrzehnte noch Kohle brauchen, ob von Vattenfall oder einem anderem Unternehmen ist reichlich egal. Natürlich wollen wir diese notwendigen fossilen Kraftwerke nicht in unserem saubern Land, sondern die sollen lieber zu den Polen oder Tschechen abgeschoben werden.

     

    Dem einen oder der anderen würde ein Grundkurs Betriebs- und Volkswirtschaft und ein wenig Know-how zur Entwicklung der Energieinfrastruktur in Deutschland guttun.

  • Weil Vattenfall sich bei der Politik unbeliebt macht, unternehmen Polizei und Staatsanwaltschaft nichts gegen illegale Aktionen? Sind wir noch ein Rechtsstaat oder schon eine Bananenrepublik?

    • @yohak yohak:

      Lesen bildet: Sie mögen das vielleicht für eine "illegale Aktion" halten, aber aus dem Artikel geht ganz klar hervor, dass die SA die Proteste für NICHT strafbar halten, illegal ist Protest übrigens zu keinem Zeitpunkt.

  • Ooooch, Vattifalli hattu keine Freundis mehr?

    Wie leid mir das tut!

  • Wenn die Politik Einfluss auf die Staatsanwaltschaft hat, ist das natürlich bedenklich, selbst wenn man in diesem Fall auf derselben Seite ist.

    • @Christian:

      Ähm, auch wenn ich grundsätzlich deiner Meinung bin.

      Wo ist nun die Neuerung, dass unsere Staatsanwaltschaft von der Politik nicht nur beeinflusst sondern beauftragt wird? Worüber sprechen wir eigentlich spätestens seit der Affäre um netzpolitik.org? Warum genau ist das eigentlich immer nur genau dann bedenklich, wenn das linke Spektrum einen gefühlten Sieg errungen hat?

      • @Cypher:

        Also ich habe mich daran nicht in der Form gewöhnt wie es bei dir der Fall zu sein scheint. Wir haben aus gutem Grund die Gewaltenteilung und sie abzuschaffen heißt im Grunde, die Demokratie abzuschaffen. Von daher ist mir herzlich schnuppe, ob man das jetzt im Fall von Linken oder Rechten sehen kann.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Kaum noch Freunde in der Politik? Gut so.

     

    Genauso wichtig: Stromversorger wechseln!