piwik no script img

Kommentar Polizeigewalt in LondonMinderheiten im Visier

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Rassistische Übergrifffe der Polizei sind in Großbritannien an der Tagesordnung. Auch die Gerichte messen mit zweierlei Maß.

Die Proteste gegen Polizeigewalt auf den Straßen Londons eskalierten Foto: dpa

W ieder einmal ist ein Schwarzer in London durch Polizeigewalt ums Leben gekommen, wieder einmal gab es Proteste, die in der Nacht zum Samstag in eine Straßenschlacht mündeten. Der 20-jährige Rashan Charles hatte bei seiner Festnahme ein verdächtiges Päckchen heruntergeschluckt, das die Beamten „aus seiner Kehle“ entfernten. Kurz darauf war er tot. Es ist keine vier Wochen her, als dem 25-jährigen Edson da Costa mehr oder weniger dasselbe passiert ist.

Britische Medien berichten meist indigniert über die rassistische Polizei in den USA. Sicher, in Großbritannien kommen wegen der strikteren Waffengesetze weitaus weniger Angehörige ethnischer Minderheiten durch Polizeigewalt ums Leben, aber rassistische Übergriffe sind auch hier an der Tagesordnung. Fast 7.000 Beschwerden gehen im Jahr über die Londoner Polizei ein. Dass Schwarze weitaus häufiger als Weiße auf der Straße durchsucht oder verhaftet werden, ist seit Jahrzehnten bekannt.

Die Polizei stammt ja nicht von einem fremden Stern, sondern rekrutiert sich überwiegend aus der englischen, weißen Gesellschaft. Das Problem für ethnische Minderheiten ist aber nicht nur die Polizei. Britische Politiker preisen das Justizsystems gerne als eins der unparteiischsten der Welt. Die Statistik besagt etwas anderes.

Wenn zum Beispiel 100 weiße Frauen wegen Drogendelikten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden, müssen 227 schwarze Frauen für das gleiche Vergehen ins Gefängnis. Bei Sexualstraftaten werden 208 Schwarze und 193 Asiaten, aber nur 100 Weiße hinter Gitter geschickt. Und fünfmal mehr Angehörige ethnischer Minderheiten sitzen wegen Störung der öffentlichen Ordnung in Hochsicherheitsknästen.

Die Regierung hat wieder einmal eine Untersuchung angeordnet. Solange Polizei und Justiz aber nicht genauso überproportional mit Schwarzen und Asiaten besetzt werden, wird sich an der Statistik nichts ändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Die zitierte Statistik ist leider in dieser Darstellung wenig aussagekräftig. Es fehlt die Bezugsgröße. Handelt es sich einfach um das Verhältnis der Verurteilten untereinander, ist die Statistik angreifbar. Es könnte eben daran liegen, dass Schwarze einfach häufiger kriminell werden.

     

    Bei dem Vergleich von verurteilten Männern und verurteilten Frauen dürfte man auch feststellen, dass auf 100 Frauen ein Vielfaches von verurteilten Männern kommen. Ist das deshalb Sexismus? Oder werden Männer einfach häufiger kriminell?

     

    Rassistische Übergriffe lassen sich mit dieser Darstellung jedenfalls genauso gut oder schlecht belegen wie die rassistische These, Schwarze hätten einen rassisch bedingten Hang zur Kriminalität.

  • Der Polizeiapparat - in UK, USA und in Deutschland - ist leider derzeit in der Hand einer weißen Elite.

    Eine mutige Quotenregelung müsste rasch her - eventuell mit einem vorübergehenden Einstellungsstopp für weiße Bio-Inländer.

  • "unbescholtene Schwarze"

     

    Es war ein als Drogendealer Verdächtiger. Festnahme und Kontrolle muss daher grundsätzlich o.k. sein.

     

    Verschlucken von Beweismitteln: Spaß macht es sicher nicht, in fremden Mündern oder Excrementen nach Drogen zu suchen. Es ist auch nicht ganz ungefährlich. Was sollen die Cops denn machen? Am einfachsten wäre für sie, auf derartige unangenehme und gefährliche Untersuchungen zu verzichten und denn potentiellen Dealer wegen Mangels an Beweisen laufen zu lassen. Wollen Sie das?

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @A. Müllermilch:

      Ja, weil endlich ein anderer Umgang mit Drogen gefunden werden muss

  • Die Zahlen für Verurteilungen würden eine Aussage enthalten, wenn man sie in Kontext zur Anzahl der Anklagen setzt... der Guardian berichtete (und aus dieser Quelle hat Herr Sotschek wohl die Zahlen sehr selektiv ausgewählt) am 16.11.2016, und findet am Ende vom Lied, daß Schwarze Männer mit 12% höherer Wahrscheinlichkeit nach einem Schuldspruch zu einer Haftstrafe verurteilt werden als weiße. Am ehesten in Haft müssen jedoch chinesischstämmige Delinquenten. Nicht-Weiße kommen auch 16% öfter in Untersuchungshaft.

    Wenn man die Statistik des Justizministeriums hinzunimmt und Vorstrafen mit einbezieht, bleibt zwar immer noch ein Schatten, aber ein sehr viel geringerer, als man aus diesem Artikel heraus zu glauben verleitet werden soll.

  • Ich lese ja immer gern die Kolumnen von Ralf Sotscheck, aber hier wird wieder einmal besinnungslos die Rassismuskeule geschwungen. Welcher normale Bürger schluckt bei Polizeikontrollen "Päckchen" herunter? Offensichtlich hat die Polizei Gründe, diese Leute zu kontrollieren. Wenn es mehr "Nichtweiße" sind, könnte es auch damit zu tun haben, dass mehr Dealer eher eine dunklere Hautfarbe haben und nicht, weil die Polizei rassistisch verseucht ist. In Rotherham hat die englische Polizei aus Angst vor Rassismusvorwürfen jahrzehntelang pakistanische Grooming-Gangs toleriert, die tausende weiße Mädchen vergewaltigt haben. Pauschale Rassismusvorwürfe gegen die Polizei - übrigens auch gern hier in Deutschland - wie in diesem Artikel erscheinen in einem solchen Kontext unüberlegt.

    • @Prof :

      Soso, die Polizei hat also nur "aus Angst" nichts unternommen.

       

      Nicht etwa, weil sie dafür geschmiert wurde, weswegen aktuell 55 Ermittlungsverfahren der "Independent Police Complaints Commission" gegen Beamte wegen Untätigkeit und Korruption laufen.

      • @cursed with a brain:

        Haben Sie sich mit diesem extrem widerlichen Fall eigentlich beschäftigt?

         

        Diese Relativierung und versuchte Verdrehung empfinde ich als unappetitlich.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Prof :

      "Offensichtlich hat die Polizei Gründe, diese Leute zu kontrollieren."

       

      Das mag ja angehen, aber vielleicht haben Sie das ja überlesen, der Mann ist bei dieser Kontrolle anscheinend zu Tode gekommen.

    • @Prof :

      Wird schon so sein, dass Dealer überproportional oft dunkle Haut haben. Das ändert aber nichts daran, dass es rassistisch ist (und zwar so eindeutig wie nur irgendwas), Menschen nur oder hauptsächlich aufgrund ihrer Hautfarbe zu verdächtigen und zu kontrollieren. Und wenn auch unbescholtene Schwarze allein wegen ihrer Hautfarbe ständigen polizeilichen Schikanen ausgesetzt sind, ist das erstens eine rassistische Diskriminierung, wie sie im Buche steht, und zweitens nicht eben förderlich für das Vertrauen in die Polizei.

      • @Earendil:

        "Wird schon so sein, dass Dealer überproportional oft dunkle Haut haben"

        Was ist das denn jetzt für eine rassistische Bemerkung? Mal eben so aus der Hüfte geschüttelt. Nachdenken!

    • @Prof :

      Bei welcher Kontrolle soll man als Nicht-Nafri auch was schlucken müssen?

       

      Die gehobenen Gesellschaftsschichten haben ihre teuren Clubs, in denen ein Polizist sich nur an seinem allerletzten Arbeitstag zur spontanen Durchsuchung einfinden und das Koks beschlagnahmen würde.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Prof :

      Da kann ich nur zustimmen!

  • Jetzt tun wir mal nicht so, als wäre die Situation in Deutschland grundsätzlich anders. Auch hierzulande sind Polizeischikanen gegen Schwarzköpfe Alltag, bis hin zu spektakulären Gewaltaktionen wie Ende Juni in Duisburg-Bruckhausen, als ein Polzeieinsatz gegen einen Falschparker ins Maßlose eskalierte. Offen geäußerte Ressentiments finden sich auch in Statements von Polizeirepräsenanten, namentlich denen des unter Untreueverdacht stehenden Chefs der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Die von von offenem Rassismus gekennzeichneten Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaften zu den "Döner-Morden", die sich später als rechtsextreme Terrorakte mit bis heute ungeklärter Verstrickung staatlicher Stellen herausstellten, sind legendär. Also, Herr Sotscheck, die Zustände auf der Insel sind schlimm, aber ein demütiger Hinweis auf den Rassismus der deutschen Polizei wäre auch nicht fehl am Platze gewesen.

  • Die Britten haben glücklicherweise selbst eingesehen das sie der abendländischen Kultur nicht angehören und sich freiwillig bei der EU abgemeldet. Es ist nicht Schade drum.

  • ich denke, die Vergleichszahlen haben so keinen großen Wert. Ich hatte selbst einige Zeit beruflich mit dem Bereich Drogenkriminalität zu tun und der Handel war damals ganz überwiegend in Hand bestimmter Migrantengruppen, sogar nach Drogenart aufgegliedert, also eine Nationalität beherrschte den lokalen Kokainhandel, eine andere den mit THC-Produkten usw.

     

    Bei den großen Händern stellten weiße Deutsche die klare Minderheit, erst Recht, wenn man die Zahl der Beschuldigten in Relation zum Bevölkerungsanteil setzt. Wenn also eine Deutsche oder ein Deutscher verurteilt wurde, dann meist als Konsument oder Kleindealer, der den eigenen Konsum finanzierte.

     

    Sollte es in England ähnlich sein, wäre das die viel plausiblere Erklärung für die unterschiedlichen Strafen.

     

    Man sollte also Handel mit Handel vergleichen und am besten sogar mit vergleichbaren Mengen. Das gäbe realistische Werte.