Kommentar Polen nach der Tusk-Wahl: Argumente für den Polexit
Donald Tusk ist als EU-Ratspräsident wiedergewählt worden. Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit schäumt.
Verräter“, gifteten die einen, „Hurra“, jubelten die anderen: In Polen rief die Wiederwahl Donald Tusks als EU-Ratspräsident am Donnerstagabend extreme Reaktionen hervor. 27 Premierminister und Präsidenten in der EU hatten am Donnerstagnachmittag für den liberalkonservativen Ex-Premier Polens gestimmt – und eine einzige Regierungschefin, ausgerechnet Beata Szydlo aus Polen, gegen den eigenen Landsmann.
Während in der Ostseestadt Zoppot die Menschen mit einer spontanen Demonstration den Sieg Tusks feierten, schäumte in Warschau Jaroslaw Kaczynski, der „geniale Stratege“ der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Obwohl nur einfacher Abgeordneter, ist Kaczynski doch der mächtigste Mann im Lande und lässt Szydlo wie auch die anderen Minister nach seiner Pfeife tanzen. Das erklärt, wie die persönliche Obsession des polnischen Möchtegern-Diktators zur Staatsräson Polens werden konnte.
Sein Ziel war es, die EU über die Tusk-Frage zu spalten, um dann bei Themen wie Flüchtlingsverteilung, neuem Budget und gemeinsamer Energiepolitik als lachender Dritter aus dem Streit der anderen hervorzugehen. Doch die Mitglieder des Europäischen Rats zeigten Rückgrat und ließen sich nicht auseinander dividieren. Tusk hatte als EU-Ratspräsident gute Arbeit geleistet, war zwar mitunter kritischer, als sich der Europäische Rat das wünschte, hatte sich aber letztlich von allen Seiten Lob und Anerkennung verdient. Nach seiner Wiederwahl auf dem Gipfel in Brüssel skandierten die Abgeordneten der Opposition in Warschau „Donald Tusk! Donald Tusk“ und klatschten stehend Beifall.
Jaroslaw Kaczynski, der für den außenpolitischen Totalschaden Polens verantwortlich zeichnet, tobte derweil auf der Rednertribüne: „Tusk hat die Loyalität gegenüber dem eigenen Staat aufgekündigt“, Tusk würde sich in die inneren Angelegenheiten Polens einmischen, so dass „wir am Ende wohl enorme Strafen bezahlen oder Emigranten aufnehmen müssen“. Das Argument ist nicht neu: seit der Wahlkampagne 2015 baut Kaczynski über die Flüchtlinge ein EU-Feindbild auf, das auf mittlere Sicht den Polexit zum Ziel hat.
Den perfekten Anlass dafür hat Kaczynski auch schon: Das nächste EU-Budget wird ohne den Nettozahler Großbritannien vor allem für den Nettoempfänger Polen deutlich weniger Geld aus der Brüsseler Kasse bringen.
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