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Kommentar Pkw-MautFehler aus Kalkül

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Bürokratisch, ressentimentgetrieben – und noch nicht einmal finanziell attraktiv: Bei der Pkw-Maut siegt Koalitionstreue über Rationalität.

Der politische Entstehungsprozess der Pkw-Maut gleicht einem Autounfall. Bild: dpa

G esetze, an deren Sinn es Zweifel gibt, hat der Bundestag schon häufiger beschlossen. Die Pkw-Maut ist dennoch ein ungewöhnlicher Fall. Denn sie wurde am Freitag mit großer Mehrheit beschlossen, obwohl fast allen Beteiligten von vornherein klar war, dass sie in der geplanten Form völliger Unsinn ist.

Dabei ist die Idee einer Finanzierung der Straßen durch die Nutzer nicht grundsätzlich verkehrt. Eine Maut, die wie in Frankreich von der gefahrenen Strecke abhängt, kann durchaus dazu beitragen, Kosten gerechter zu verteilen und das Autofahren weniger attraktiv zu machen – und dabei auch noch relevante Einnahmen erzielen.

Doch darum ging es in Deutschland nie. Eine ökologische Lenkungswirkung ist nicht vorgesehen. Stattdessen soll die neue „Infrastrukturabgabe“, die im Wahlkampf noch deutlich ehrlicher als Ausländermaut bezeichnet wurde, vor allem Ressentiments gegen jene bedienen, die unsere Straßen benutzen, ohne sich an den (Plan- und Pflege-)Kosten zu beteiligen.

Auch wenn diese Argument nur mäßig stichhaltig ist – schließlich zahlt jeder, der nicht nur im kleinen Grenzverkehr unterwegs ist, beim Tanken in Deutschland zumindest auch Mineralölsteuer –, hat die CSU damit offenbar einen Nerv getroffen: Etwa die Hälfte der Deutschen befürwortet die Ausländermaut.

Die Einnahmeschätzung ist völlig illusorisch

Das dürfte vor allem daran liegen, dass viele Details der Pläne in der Öffentlichkeit noch gar nicht richtig bekannt sind. So sind die von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt eingeplanten Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro im Jahr – die ohnehin schon deutlich unter den ursprünglichen Ankündigungen lagen – nach Ansicht fast aller Experten völlig illusorisch. Finanzminister Wolfgang Schäuble hält es sogar für möglich, dass die Maut am Ende mehr kostet als einbringt, darf das aber auf Druck der CSU nicht mehr laut sagen.

taz.am wochenende

Wir kennen die Bilder von überfüllten Flüchtlingsschiffen, die Storys von Schleusern. Aber wie sieht der Alltag einer Flucht aus? Wie verhandelt man mit Schleusern, wie genau überquert man Grenzen? In der taz.am wochenende vom 28./29. März 2015 rekonstruieren wir den Weg der drei jungen Syrer Amjad, Iyad und Osama und dokumentieren ihn mit ihren eigenen Fotos. Dazu gibt es die Multimedia-Reportage auf taz.de. Außerdem: Kann man Kinder bald nur noch in Großstädten bekommen? Wie eine Stadt um ihre Geburtsstation kämpft. Und: Ein Leben im Kornfeld. Unterwegs mit Jürgen Drews. Am Kiosk, eKiosk oder gleich .

Um die Maut zu verhindern, hatten CDU und SPD im Koalitionsvertrag zwei Bedingungen festgelegt, die sie für unerfüllbar hielten: Sie müsse EU-Recht einhalten, das aber eine Diskriminierung von Ausländern verbietet. Und sie dürfe keinen deutschen Autofahrer zusätzlich belasten. Entgegen der allgemeinen Erwartung hat Dobrindt ein Gesetz vorgelegt, das diese Anforderungen zumindest möglicherweise erfüllt. Doch der Preis dafür war, dass die veranschlagten Einnahmen immer weiter sanken und der bürokratische Aufwand immer weiter stieg.

Um die allenfalls minimalen Einnahmen zu erzielen, baut Deutschland neben einer neuen Mautbehörde und einem privaten Betreiberunternehmen eine Infrastruktur zur Überwachung auf, bei der alle Kennzeichen automatisch gescannt werden – was trotz Zugeständnissen bei der Speicherung unter Datenschützern für Bedenken sorgt. Und ob die EU der Regelung zustimmt, ist weiterhin offen.

Balsam für die CSU

Für die CSU ist die Maut trotz aller bekannten Mängel ein großer Erfolg: Indem sie sie zu ihrer zentralen Bedingung für die Koalition machte, hat sie nicht nur die SPD zur Zustimmung genötigt, sondern auch die große Schwesterpartei CDU, deren Vorsitzende Angela Merkel sich noch im Wahlkampf klar gegen die Maut ausgesprochen hatte – Balsam für das Selbstbewusstsein der Partei, deren bundespolitische Bedeutung zuletzt arg geschrumpft war.

Und selbst wenn die EU das Gesetz nach langem juristischem Streit irgendwann stoppt, wird die CSU das nicht als Niederlage interpretieren, sondern als mutigen Versuch, sich gegen Brüssel durchzusetzen. Blamiert wären dann eher SPD und CDU, denen der Koalitionsfrieden wichtiger war als die Vernunft. Bei der „Mövenpick-Steuer“ durfte Merkel ja schon einmal erleben, wie eine falsche Entscheidung eine ganze Legislaturperiode prägen kann.

Und für solche Fehler sind eben nicht nur diejenigen verantwortlich, die sie verlangen – sondern auch diejenigen, die sie aus taktischen Gründen akzeptieren.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ab sofort kann man nun Angela Merkel ungestraft eine Lügnerin nennen. Ihr markiger Satz: "Mit mir wird es keine PKW-Maut geben", hallt selbst den 50% dieses putzigen Völkchens, die seit Jahrzehnten schon an chronischer politischer Demenz leiden, noch laut im Ohr.

    Was wir hier derzeit mit der PKW-Maut erleben, ist doch nichts anderes als die bedingungslose Kapitulation der Politik vor den Interessen einzelner Wirtschaftsunternehmen, mit ihrem unbändigen Kontrollzwang, ihrer vermeintlich sinnvollen Datensammelwut und ihrer unverschämten Selbstbedienungsmentalität. Tilo Prückner sprach unlängst sehr treffend von einer "Wirtschaftsdiktatur" in Deutschland. Die Rolle der SPD in diesem Trauerspiel - ekelerregend und verlogen wie immer. Wo sind denn die zweckgebundenen Milliarden geblieben, die dem Autofahrer jetzt schon auf vielfältige Weise abgepresst werden? Durch Schäubles schwarze Null gerauscht? Und warum weigert man sich so hartnäckig, das Verursacherprinzip anzuwenden, wo es doch angeblich um Straßen- und Brückenschäden geht? Die werden nachweislich eben gerade nicht durch PKW verursacht.

    • @Rainer B.:

      Verursacherprinzip?

      Gerne - dann zahlen nur noch die für die Kita die dort ihr Kind abgeben und der öffentliche Nahverkehr wird nur noch durch den Fahrpreis finanziert.

       

      Toll durchdachter Vorschlag

    • @Rainer B.:

      Die Industriemafia hat ihre Leute eben gut im Griff.

  • Nicht nur für Piloten sondern auch für Politiker und Konzernführer sollte ein charakterlicher Check und Gefährdungscheck oblgatorisch werden, alle 2 Jahre zu wiederholen

     

    Das Gefährdungspotential ist in Politik und Wirtschaft fast unvorstellbar hoch. Viele Millionen Menschenleben und Aber-Milliarden Geld der einfachen Bürger sind in sehr realer Gefahr.

  • Diese Maut soll für deutsche Zulassungen auf Autobahnen und Bundesstraßen gelten, für ausländische Zulassung allerdings "nur" auf Autobahnen. Dies ist ein kraftvolles Indiz, dass es der CSU nicht um die Ausländer geht, sondern um eine Maut allgemein, die bald zu echten Mehrkosten für den deutschen Autofahrer werden wird. Hier hat die CSU nur die Ausländerkarte gezogen, weil sie damit sicher sein konnte, dass sie die BILD-Stammtische hinter sich scharen kann.

    • @robby:

      ROBBY hat hier eine Reihe von Fragen gestellt, die man so noch nicht einmal von den Oppositionsparteien gehört hat, geschweige denn von den Befürwortern des bayrischen Bierzeltgesetzes.

       

      Damit diese Fragen von Herrn ROBBY nicht vergessen werden und damit die Verkehrspolitiker der Koalition sie beantworten, seien sie hier noch einmal wiederholt :

       

      Könnte man das private Betreiberunternehmen vielleicht auch beim Namen nennen?

       

      Werden dann die Verträge auch unter Verschluss gehalten?

       

      Wie will man dann überhaupt die Einnahmen schätzen, wenn die Betreiber erst mal voraus ihren Gewinn einfahren ?

       

      Ist die Ablehnung der deutschen "Infrastrukturabgabe" durch die EU von vornherein geplant, so dass der deutsche Autofahrer später seine Maut ohne Ausgleich zahlen muss und grandios über den Tisch gezogen wird ?

       

      Jeder Abgeordnete, der diesem CSU-Gesetz zugestimmt hat, muss hier spontan sofort Auskunft geben können, sonst hätte er dieses dubiose Überraschungsei seinen Wählern nicht ins Osternest legen dürfen.

       

      Man darf gespannt sein, wieviele MdBs der Koalition jetzt öffentlich auf diese eigentlich naheliegenden Fragen antworten.

  • Warum wollen die Bayern eine PKW-Maut? Kann man dafür dann Lederhosen von der Steuer absetzen?

  • 57,5 Milliarden Euro umweltbezogene Steuereinnahmen im Jahr 2013. Davon entfielen 39,4 Milliarden Euro auf die Energiesteuer (die frühere Mineralölsteuer), 8,5 Milliarden Euro auf die Kraftfahrzeugsteuer, usw.

    Für das Jahr 2013 waren im Verkehrsetat des Bundes rund 2,5 Milliarden Euro für die Erhaltung von Fernstraßen vorgesehen...

    Quelle: destatis.de

     

    Wichtiger als eine Erhöhung der Einnahmen scheint doch die sinnvolle Verwendung. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer würde alle Menschen treffen, auch die selbst kein Auto nutzen, denn der Handel würde natürlich die Mehrkosten für den Transport der Waren auf den Preis aufschlagen.

    Wenn schon keiner Partei etwas besseres einfällt, als neue Geldquellen aufzutun, wie wäre es dann, sich zur Abwechslung an die Mineralölkonzerne zu wenden, die ihre Gewinne offshore verbuchen und hierzulande quasi keine Steuerlast tragen.

  • Ein privates Betreiberunternehmen?? Könnte man das vielleicht auch beim Namen nennen? Automatischer Scan aller Kennzeichen?? Das hört sich verdächtig nach Toll Collect an, denn die haben ja schon alles?

    Achso... da liegen die Verträge ja immer noch nicht offen... Wie ist es dann mit dem "neuen" privaten Betreiberunternehmen? Werden da die Verträge auch unter Verschluß gehalten? Und wie will man dann überhaupt die Einnahmen schätzen??

    Und wenn die EU die Steuerermäßigung für Deutsche für unrechtmäßig erklärt? Dann zahlen wir die Maut und die volle Steuer.....

    Warum werde ich den Verdacht nicht los, dass dies von Anfang an so geplant war.... mit Toll Collect und der Ablehnung der EU????

    • @robby:

      in jeder Hinsicht richtig erkannt, das Problem ist, dass so jede Diskussion wie so eine Maut sinnvoll gestaltet würde (wer die Straßen mehr benutzt zahlt auch mehr, möglicherweise einfach über Erhöhung der Mineralölsteuer) umgangen wird

      hier muss man ind er Tat von Absicht ausgehen, als Gegenmittel zur Politikverdrossenheit wird dann eine Wahlwoche vorgeschlagen, ich schäme mich immer wieder für unsere Politiker -.-

      Parteien, die diese Zustände offensiv nicht mittragen wollen werden offensiv als zu rechts oder zu links diskreditiert, was Menschen der Mitte davon abhält diesen beizutreten aus Angst vor Rufschädigung, ein nahezu perfektes System...

  • (Mal von dem Bild abgesehen) Ein Artikel der aus der Seele spricht. Bei der Maut. Wo wäre das Problem bei einem Koalitionskrach? CDU und SPD brauchen die CSU doch nicht... also gekonnt auflaufen lassen mit so einem Müll. Hat in CDU und SPD doch scheinbar die große Mehrheit eingesehen, dass die Sache komplett sinnlos ist. -.-

  • Wenn es nichts passendes für den Artikel in der Bilddatenbank gibt, vielleicht einfach mal einen rosa Kasten posten statt so etwas geschmacklosem?